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Zukunft der LinksparteiTrennt euch!

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei hat lange einen inneren Pluralismus kultiviert. Doch jetzt sind die Widersprüche so groß geworden, dass eine Spaltung unabwendbar ist.

Will schon lange eine andere Partei: Sahra Wagenknecht Foto: Hermann Bredehorst/Polaris/laif

D ie politische Linke hat in Deutschland 1933 eine traumatische Erfahrung mit Spaltung und innerer Feindschaft gemacht. Der erbitterte Kampf zwischen KPD und SPD verhinderte die Aktion gegen Hitler. Auch die zu Recht vergessenen linksradikalen Splitterparteien, die nach 1968 aus dem Boden sprossen, waren ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin Abgrenzung und Rechthaberei führen.

Die Linkspartei hatte hingegen Erfolg, weil sie verband, was nicht unbedingt zusammengehörte: Alt-SEDler und Westgewerkschafter, marxistische Fundis und pragmatische Reformisten, Feministinnen und Chauvis. Die Linkspartei hat lange einen libertären inneren Pluralismus kultiviert, der für den östlichen Teil Ergebnis eines postdiktatorischen Lernprozesses war: Nie wieder top down und Politbüro-Attitüden. Nie wieder Parteiausschlüsse.

Ziemlich lange hat das funktioniert, jetzt ist es vorbei. Der Wagenknecht-Flügel hat nicht bloß in einzelnen Fragen – Migration und Corona, Russland und Identitätspolitik – andere Auffassungen. Das ließe sich, auch wenn es das Publikum verstört, mit Geduld und Toleranz aussitzen.

Doch Wagenknecht will – und zwar von Jahr zu Jahr deutlicher – eine andere Partei, die rechte und linke Versatzstücke zu einem aggressiven Populismus verbindet. Dazu gehören antiliberale Affekte, Skepsis gegenüber der EU, klimapolitische Ignoranz und eine klägliche Beschwichtigungspolitik gegenüber Putin. Würde Deutschland wieder Gas aus Russland beziehen und die Sanktio­nen beenden – so wie es die AfD und Wagenknecht wollen –, wäre Berlin in Europa auf Jahre hin isoliert.

Wagenknecht zwingt Linke zur Trennung

Wagenknecht steht somit nicht für eine etwas schräge Variante linker Politik – sondern für puren Populismus. Mit emanzipatorischer Politik hat das ebenso wenig zu tun wie mit der pragmatischen Realpolitik der Regierungs-Linken in Berlin und Bremen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.

Nun sind Trennungen, mit all den Vorwürfen und Zerwürfnissen, nie schön anzusehen. Aber unsentimental betrachtet, führt für die Linkspartei kein Weg daran vorbei. Natürlich kann es sein, dass dabei am Ende zwei bedeutungslose Drei-Prozent-Parteien herauskommen (die sich auch noch spinnefeind sind). Das ist möglich – und angesichts der matten Glanzlosigkeit der Linkspartei und Wagenknechts überschaubarer Fähigkeit, Organisationen zu managen, eher wahrscheinlich.

Sicher aber ist etwas anderes: Eine Partei, die sich selbst hasst, die bei zentralen politischen Fragen verlässlich zwei widersprüchliche Botschaften sendet, braucht niemand. Die Spaltung garantiert keine Rettung. Aber die aus Risikoscheu auf Dauer gestellte Agonie führt in die Bedeutungslosigkeit. Mit Sicherheit­.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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11 Kommentare

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  • Eine Aufspaltung würde da sicher gar nichts bringen. Eine alte Bibelweisheit hatte das bereits ausgedrückt: "Was der Hund ausspeit, das frißt er wieder". Egal, ob es sich um eine einzelne Partei handelt oder um eine ganze Parteienlandschaft, irgendwann (es ist immer nur eine Frage der Zeit) sind sich die "Aufgespaltenen" wieder absolut einig darin, alte Ideologien und/oder alte Pfründe gemeinsam wieder aufleben zu lassen. Lediglich die Schminke ändert sich ab und zu.

  • das ist einfach das problem von "keine macht für niemanden" sie gibt alle macht einen...

  • Das scheint mir zutreffend.



    Natürlich braucht eine Bewegung auch Zugpferde.



    Nachdem Gysi ins zweite Glied zurück trat und Lafontaine austrat, blieb scheinbar nur Wagenknecht als Idetifikationsfigur der die Linke übrig.



    Leider haben sich Beide entfremdet.



    Darauf folgt nur ein logischer Schritt.



    Austritt.



    Ich prophezeihe Wagenknecht keine große Zukunft, erinnert etwas an den Austritt von Jutta Ditfurt bei den Grünen.



    Allerdings ist es auch eine Chance für die Linke, sich neu sufzustellen.



    Sollte Alles schief gehen und die SPD ein paar Linke auffangen, würde das auch einige neue Ideen hervorbringen.



    Nicht warten, machen.



    Ohne Mut, keine Politik.

  • Besser wäre, löst euch in Luft auf und macht Platz für was Neues. Bitte ohne Sarah und Lafontaine und die Maduro- und Putinverehrer. Die Claqueure in der Partei braucht auch niemand!

    Büchervermarkterinnen, Talkshowveranstalter und Egomanen par excellence nutzen dem Prekariat nun wirklich gar nichts!

  • Spaltung ist etwas tatsächliches, ab dem Punkt, an dem mehr trennt als übereinstimmt. So gesehen ist die "Linke" längst gespalten.



    Das ist wie in toxischen Beziehungen, die weiter gehen, weil ... es Geld, Aufmerksamkeit und Jobs zu verteilen gibt?



    Und wenn es um offenen Haß unter den lieben Genoss:innen geht: sollte die Spatung halt mit allen Folgen offiziel eingestanden werden, auch wenn das bedeutet, dass der häßliche Streit, wem was zusteht / gehört unvermeidlich ist; möglicherweise ist das der Grund warum es noch keine offizielle Trennung gibt. Ist das so, wäre untergehen die Folge; und dem - glaube ich -kann mensch gerade zusehen.

  • Spaltung unabwendbar? Nur zu. Dann bekommt die alte Linke 4% und die Wagenknecht-Linke 3,5% und das war’s dann mit Bundestag.

  • Es ist schon zu spät. Die Entscheidung Wagenknecht und ihren Flügel loszuwerden, welche richtig und notwendig ist, hätte schon vor ein paar Jahren geschehen müssen. Jetzt ist Die Linke so demontiert, dass sie bei der nächsten BuWa, falls nicht noch ein Wunder geschieht, aus dem Parlament fliegen wird. In den östlichen Bundesländern, ehemaligen Bastionen, sieht man diese Tendenz schon.

  • Es natürlich schon populistisch, Politik für die Wähler/innen zu machen. Diese zu fragen, ob sie die Kosten des Vorgehens gegen Russland tragen wollen, natürlich auch. (Baerbock will dies übrigens ja explizit nicht.) Die Kosten der Umweltpolitik nicht nur an der grünen oberen Mittelschicht auszurichten, sowieso.



    Eine Spaltung wäre insofern von Vorteil, dass der Wagenknecht-Flügel als einzig relevante politische linke Kraft übrigbliebe.

  • "... aus dem Boden sprießten..." oder vielleicht doch "... aus dem Boden sprossen..."?

  • Die Linke, die Linke, gibt es die eigentlich noch?



    Ja, aber nicht mehr lange, wenn sie so weiter macht.

  • Linke Parteien haben oft sehr progressives Personal und einen substantiellen Wähleranteil der konservativer ist. Aber sich nur auf eines von beidem zu konzentrieren würde nicht aufgehen. Die Linke will sie erfolgreich sein muss beide Themen verknüpfen können. Klar sind bessere Arbeitsbedingungen wichtig, aber ohne Abbau von Rassismus kriegen Immigranten erst gar nicht die tollen Jobs. Und die Klimakrise wird jegliche Sozialpolitik zur Makulatur machen wenn sie nicht aufgehalten wird. Genauso Putin wenn man die Ukrainer nicht unterstützt wird er da durchmarschieren und der Großteil der Ukrainer wird sich nach Westen absetzen dann haben wir hier Millionen Flüchtlinge, dann macht der Deutsche Staat nichts mehr außer Flüchtlinge versorgen.