Zoff in Bremer Bürgerschaft: CDU misstraut dem Volk
Die CDU-Fraktion macht ihrem Ärger über die Coronapolitik des Bremer Senats Luft: Sie wirft ihm Inkonsequenz vor und fordert mehr Kontrollen.
In der Tat sind die Infektionszahlen noch nicht so rosig, wie man sich das Anfang November vorgestellt hatte: Der Inzidenzwert, also der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen innerhalb einer Woche, liegt aktuell bei 157, berichtet Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) im Anschluss an die hitzige Auseinandersetzung der Abgeordneten.
Vor zehn Tagen war man mit 225 noch negativer Spitzenreiter unter den Bundesländern. „Die Situation hat sich verbessert“, so Bovenschulte. Aber beim Blick auf das tatsächliche Niveau werde klar: Man ist weit entfernt von der angestrebten 50.
Das Verhalten der Menschen müsse deshalb verändert werden, sagt Röwekamp. Und das ginge nur mit einer konsequenten Bestrafung von Verstößen. Auch Versammlungen wie die sogenannten Corona-Demos „passen nicht in diese Zeit“. Denn Abstand sei neben der Maske nun einmal am wirksamsten.
Bei der Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist für Grüne und Linke jedoch eine Grenze erreicht. Auch wenn Björn Fecker (Grüne) und Sofia Leonidakis (Linke) nicht gefällt, was die sogenannten Querdenker und andere Verschwörungstheoretiker*innen kundtun – zuletzt Mittwochnachmittag auf dem Marktplatz.
Mehr Kontrollen soll es geben
Bovenschulte stellt infrage, dass der Erfolg der Corona-Maßnahmen tatsächlich von der konkreten Politik und der Verwaltung abhängt, wie es die CDU suggeriere. Auch andere Faktoren wie geografische Lage, Bevölkerungsdichte, Sozialstruktur oder das ein oder andere Superspreader-Event seien entscheidend und nicht alle ließen sich politisch gestalten, sagt Bovenschulte.
Staatliche Kontrollen dagegen schon und hier stocke man bereits personell auf – im Innenressort, beim Ordnungsdienst, im Gesundheitsamt. Doch letztlich hänge der Erfolg der Maßnahmen vom Verhalten der Menschen ab. Das sieht auch Magnus Buhlert (FDP) so. Man könne gar nicht so viel kontrollieren, wie nötig wäre. Ein Staat, der nur anordnet, erzeuge Unverständnis.
CDU fordert Unterricht in Halbgruppen
Auch die Bildungspolitik passt Röwekamp nicht: Tausende Kinder seien zurzeit in Quarantäne; in dem Zusammenhang sei es „fatal“, dass Kontaktpersonen ohne Symptome seit wenigen Tagen nicht mehr getestet werden. Die CDU will zudem eine Maskenpflicht ab Klasse fünf und mehr Unterricht in Halbgruppen. Es möge zwar so sein, dass jüngere Kinder ein geringeres Ansteckungsrisiko haben, entgegnet er der Kritik am Vorschlag. Aber wenn alle Altersgruppen an derselben Schule herumliefen und die gleichen Räume nutzten, sei es nur gerecht, wenn auch alle eine Maske tragen müssten.
Einen entsprechenden Antrag der Fraktion lehnte die Bürgerschaft dennoch ab. Die Regierungsfraktionen attestieren der CDU „Panikmache“ und unnötigen „Aktionismus“.
Die Sorge darum, dass einige Kinder in der Bildung benachteiligt werden, eint die Fraktionen. Aber während die Opposition den Unterricht jetzt schon weiter entzerren will – die FDP setzt dabei eher auf räumliche Verteilung, Halbgruppen sieht sie kritisch – möchte die Regierung die Schulen im eingeschränkten Regelbetrieb offen halten. Denn Unterrichtszeit sei wertvoll, Beschulung im Zuhause nicht überall sicherzustellen. Und mehr Lehrpersonal lasse sich schließlich nirgendwo herzaubern, betonen alle Sprecher*innen der Regierungsfraktionen.
Viele Abgeordnete sind sich einig, bei allen inhaltlichen Differenzen, dass es eine bessere Einbindung des Parlaments brauche. Das ist geplant: Im Dezember wird die Bürgerschaft über ein Gesetz beraten, das dem Parlament mehr Mitspracherecht bei Verordnungen gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk