Zettelwirtschaft statt QR-Code und App: Renitentes Dagegenhalten
Wenn man das Handy nur zum telefonieren nutzt und sonst gar nichts … Unser Autor setzt auf seine Zettelwirtschaft statt auf digitale Impfnachweise.
S eit gut einem halben Jahr trage ich zwei inzwischen völlig zerknitterte und mit Fettflecken versehene Zettel mit mir herum. Vor Kurzem ist noch ein dritter zu der Sammlung hinzugekommen. Ich rede von meinen Impfzertifikaten. Jeder normale Mensch mit einem funktionierenden Smartphone hat sich die QR-Codes, die auf diesen Wischen abgedruckt sind, längst auf sein Handy geladen, schon klar. Nur ich nicht.
Ich benutze seit jeher mein Handy zum Telefonieren und sonst zu gar nichts. Und das hat sich auch mit Corona nicht geändert. Ich mache damit keine nutzlosen Selfies, verzichte aus nachvollziehbaren Gründen auf Google Maps und brauche auch keine Wetter-App und sonstige unsinnigen Features für das Mobiltelefon, mit denen andere sich ihr Leben zu vereinfachen meinen. Und es mag viele überraschen, aber bislang kam ich mit dieser Form von Technikverweigerung eigentlich ganz gut zurecht.
Es soll ja sogar Menschen geben, die haben nicht einmal ein Smartphone. Ich kenne sogar ein paar Zeitgenossen dieser Sorte. Darunter auch einen sehr geschätzten taz-Redakteur. Wenn der mit mir Kontakt aufnehmen will, schreibt er mir zuerst eine E-Mail, in der steht dann zum Beispiel: „Ruf mich mal bitte an.“ Und zwar auf seiner Festnetznummer zu Hause oder halt in der Redaktion. Klingt umständlich, funktioniert aber ganz hervorragend.
Smartphone-Verweigerer
Harte Smartphone-Verweigerer wie besagter taz-Redakteur machen es sich aber inzwischen genauso schwer wie ich mit meiner zugegebenermaßen leicht irrationalen Technikphobie, das ist mir schon klar. Andauernd muss ich darauf achten, nicht bloß meine Maske eingesteckt zu haben, wenn ich das Haus verlasse, sondern auch meine Impfzettel, die irgendwo in der Wohnung herumflattern.
Möchte ich auch nur einen schnellen Döner im Stehimbiss zu mir nehmen, muss ich diese umständlich aus der Jackentasche kramen und dem jedes Mal etwas überfordert dreinblickenden Imbissmitarbeiter entgegenhalten. Bei Institutionen wie etwa der Stadtbibliothek, die den QR-Code nicht bloß sehen wollen, sondern auch noch scannen, meine ich zudem bei den Mitarbeitern auch eine gehörige Portion Unwillen wahrzunehmen.
Alle anderen zücken beim Einlass einfach locker ihre Handys und ich krame diese Papierknäuel heraus, die erst noch glattgestrichen werden müssen. Das erleichtert deren Arbeit wahrscheinlich nicht unbedingt.
Und überhaupt: Beim Testcenter wird man ohne Smartphone in der Hand erst einmal ungläubig angeschaut, dann wird einem seufzend ein Wisch mit seinen persönlichen Daten ausgestellt. Anschließend darf man dann zur Strafe für seine Renitenz in der Kälte auf das Ergebnis seines Coronatests warten, während alle anderen im Vorbeigehen abgefertigt werden.
Keine Teilhabe ohne Smartphone?
Mir wurde auch schon gesagt, lange gehe das sowieso nicht mehr so weiter mit der Zettelwirtschaft. Ohne die entsprechende App auf dem Handy werde es also bald so ähnlich sein, als sei man gar nicht geimpft. Teilhabe am öffentlichen Leben, an Kultur und Freizeitspaß, werde es ohne ein Smartphone demnach also bald kaum noch geben.
Ich bin gerade gar nicht informiert, wie besagter taz-Redakteur mit diesem Umstand umgeht, von dem ich weiß, dass er gelegentlich ganz gerne Live-Konzerte besucht. Vielleicht hält er es ja wie ich und sagt sich: Solange Omikron durchrauscht, muss ich mich auch gar nicht unbedingt in stickige Konzerthallen begeben, in denen sich das Virus bekanntlich ziemlich wohl fühlt. Vielleicht spielt auch er auf Zeit, hofft, dass die Welle bald wieder abflacht und dann: mal schauen.
Ich jedenfalls besorge mir die Tage erst einmal neue Impfnachweiszettel. Weil die, die ich gerade besitze, kann man im aktuellen Zustand wirklich niemandem mehr zumuten.
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