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Zero Waste in Friedrichshain-KreuzbergLet’s talk about Müll

Kommentar von Claudius Prößer

Vom großen Müll-Ausstieg kann in Berlin nicht die Rede sein. Und nette Mehrwegkampagnen wie in Friedrichshain-Kreuzberg reichen einfach nicht aus.

Kriegt man mit gutem Zureden nur bedingt in den Griff: Vermüllung im Park Foto: dpa

V ielleicht haben Sie es schon mal gehört: Berlin will seinen Abfall loswerden. Also nicht im Sinne von „entsorgen“, sondern von „gar nicht erst entstehen lassen“. Zero Waste lautet die Devise, die sich Rot-Grün-Rot in die Koalitionsvereinbarung geschrieben hat. Und verfolgt man so nebenbei die Medienberichte über Unverpacktläden und andere Nachhaltigkeitsinitiativen, könnte man meinen, die Stadt sei auf dem besten Weg dorthin.

Von wegen. In Wirklichkeit produzieren die BerlinerInnen nicht immer weniger, sondern immer mehr Müll. Ein Blick in die Statistiken der BSR etwa zeigt, dass die Stadtreinigung im Jahr 2020 rund 1,3 Millionen Tonnen sogenannter Haus- und Siedlungsabfälle* entsorgen musste – gut 100.000 Tonnen und damit fast 10 Prozent mehr als noch 2012. Die Steigerungsrate liegt sogar über dem Bevölkerungswachstum im selben Zeitraum.

Das nur mal als Kontext. Wenn ein Bezirk wie Friedrichshain-Kreuzberg seine eigene „Zero Waste“-Strategie entwickelt, ändert das an der Entstehung dieser gewaltigen Mengen nichts – es geht dabei eher um die Vermüllung des öffentlichen Raums. Die hat während der Pandemie noch einmal zugenommen: Immer mehr Menschen verzehren Gerichte und Getränke in gut durchlüfteten Parks und Grünanlagen; was übrig bleibt, lässt die Mülleimer überquellen.

In der vergangenen Woche stellte das Bezirksamt seine laufende Kampagne „Frag nach Mehrweg“ vor. Sie soll Bewusstsein bei uns Vermüllenden schaffen und gleichzeitig die Gastronomie dazu animieren, beim Takeaway freiwillig auf Mehrweg zu setzen. Auf den Wochenmärkten im Bezirk klappt das ganz gut. Bei den Restaurants, Cafés und Imbissen rund um den Boxhagener Platz und die Admiralbrücke (nur dort findet die Kampagne statt) ist die Ausbeute bislang sehr überschaubar.

Anstupsen reicht nicht

Am Ende lautet die Frage: Reicht es im Jahr 2022 noch, Menschen freundlich anzustupsen, damit sie ihre Konsumgewohnheiten ändern? Eher nicht. Wenn der Verzicht auf nicht nachhaltige Verpackungen (ein Großteil davon aus Kunststoff auf Erdölbasis oder Aluminium) im aktuellen Tempo weitergeht, ist „Zero Waste“ vielleicht in den 30er Jahren Realität – des kommenden Jahrhunderts.

Der Aufwand, abfallfrei zu speisen, ist für die meisten eben schlicht zu hoch, als dass sie ihn aus eigenem Antrieb leisten würden. Da braucht es klare Regeln. Das bundesweite Mehrweggesetz, das ab 2023 gilt, stellt solche auf, bleibt aber auch weit hinter den Möglichkeiten zurück: Es gilt dann nur die Pflicht, Mehrweg als Option anzubieten – und das auch nur für größere Gastronomen.

Weder der Bezirk noch der Bund werden das Problem wirklich lösen. Das Land müsste Instrumente wie eine – spürbare – Abgabe auf Einwegverpackungen einführen. Dass das Erfolg verspricht, hat man seinerzeit am Pfand für Einwegdosen und -flaschen gesehen: Die tragen heute alle brav in den Laden zurück oder überlassen sie den SammlerInnen; von den Straßen, aus den Büschen und von den Spielplätzen sind sie heute komplett verschwunden.

* Etliche Abfallarten wie Papier oder Kunststoffverpackungen im „Dualen System“ sind hierin nicht enthalten – aber auch diese Anteile werden nicht weniger.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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6 Kommentare

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  • Hört doch endlich mal auf mit diesem Pfandgedöns und der Illusion, das dies was helfen würde.

    Wir haben vor Jahrzehnten den "Einwegpfand" eingeführt und dann stolz behauptet, das ja nach der Rücknahme alles in wunderbarer Ordnung wäre und damit der ganze Müll ja immer wieder recycelt werden würde. Doch nun erst erkannte man, dass es nicht so ist? Doch Hauptsache, die Hersteller und der Handel sind fein raus, hat man doch Pfand, der alles löst.

    Wenn man die Verpackungen befanden würde, ändert sich nichts, abgesehen davon, das nun alle "brav" ihren Müll zurückschleppen und der vor Ort dann wieder in irgendwelchen Kanälen versickert, um irgendwann in Chile oder sonst wo auf einer Müllhalte zu landen.

    Die Lösung sieht sehr einfach aus, auch wenn dies Mal wieder keiner wahrhaben möchte, bestrafte die Hersteller und die in Verkehrbringer! Wenn man z. B. ein Gesetz erlässt, wo nach jede Einwegverpackung oder Einwegverpackung, welche nicht zu 100 % durch Natur wiederverwendet werden kann, also verrotten und dabei nur gute Erde oder Humus hinterlässt, muss der Hersteller oder in Verkehrbringer der Verpackung pro Einheit 25 Cent an den Staat abdrücken, die er nicht!!! an den Kunden weiterbelasten darf!

    Sofort würde die Hersteller alle ihre Bedenken fallen lassen und nach wenigen Wochen würden wir kaum mehr Kunststoffe im Einzelhandel vorfinden, sondern Papier, Pappe und anderes, was eben auf dem Kompost landen kann, um am Ende einfach zu zerfallen.

    Doch diese Wahrheit will keiner hören, ist es doch einfacher, Pfand zu erheben und dann in 20 oder 30 Jahren ganz überrascht zu merken, das man den Müll nur aus der Hausmüllstatistik in die Wirtschaftsmüllstatistik überführt hat und dieser den Müllexport angekurbelt hat.

    • @VigarLunaris:

      Selbst verrottende Verpackungen würden das Problem am anderen Ende nicht lösen: die Vermüllung des öffentlichen Raumes und Allgemeingutes durch Konsumenten.

      Es ist kein Schicksal, dass Menschen ihren Müll einfach liegenlassen. Dass sie dies tun, ist ganz allein ihre Schuld. Da muss man auch niemanden "sensibilisieren" oder dergleichen. Jeder Mensch kapiert, dass Müll nicht auf die Wiese oder auch nur auf den Gehweg gehört. Niemand MUSS seinen Müll dort hinschmeißen.

  • Man hat es am Erfolg des Dosenpfands gesehen: Der Müll verschwindet zwar von den Straßen, wird dafür aber in noch höherem Maße produziert.

  • in londdon heisst es im ...

    öffentlichen raum schlicht:

    keepr your city clean.

    den appell haben die menschen verinnerlicht und auch jeder besucher versteht es sofort.

    • @adagiobarber:

      Und in Berlin heißt es nur



      "Berlin bleibt dreckig!" und aus asozialster Umweltverschmutzung wird ausgerechnet im grünen Kreuzberg plötzlich eine Tugend.

    • @adagiobarber:

      Das Problem ist, dass der normale Kreuzberger kein Englisch versteht. Man sollte die Flyer eventuell auch in den dort gängigeren Sprachen drucken, durchaus mit dem Hinweis, dass sonst ein Ordnungsgeld von 300€ fällig wird.