Zahlen zum Dieselskandal: Das ist der Gipfel
Die Autoindustrie kommt im Dieselskandal gut weg. Saubere Luft steht nicht an erster Stelle. Wichtige Zahlen zum Aufregen und Smalltalken.
Der Dieselgipfel in Berlin zwischen Bund, Ländern und Autobossen hat vor allem Letzteren viel gebracht. VW, Daimler und BMW kommen mit Peanuts davon, die Luft in den Städten bleibt dreckig. Die wichtigsten Zahlen zum Dieselskandal:
5,3 Millionen
So viele Dieselfahrzeuge will die Autoindustrie nachbessern, um die Stickoxid-Emissionen zu senken. Das klingt nach viel – ist es aber nicht: Insgesamt sind auf Deutschlands Straßen rund 12 Millionen Diesel-Pkws unterwegs, davon rund 9 Millionen mit den Abgasnormen Euro 5 oder 6, die für eine Umrüstung in Frage kommen. Zudem sind in den angekündigten 5,3 Millionen Umrüstungen jene 2,5 Millionen Fahrzeuge enthalten, die VW aufgrund der erwiesenen Manipulationen zwangsweise nachbessern muss, sowie freiwillige Rückrufe, die Daimler, BMW und Audi bereits vor dem Gipfel zugesagt hatten. Und weil der Rückruf (außer bei VW) freiwillig ist, ist völlig unklar, wie viele Fahrzeuge tatsächlich nachgebessert werden. Denn viele Autobesitzer fürchten, dass sich die Änderung negativ auf Verbrauch, Leistung oder Lebensdauer des Motors auswirkt.
25 bis 30 Prozent
So viel niedriger sollen die Stickoxid-Emissionen bei den betroffenen Fahrzeugen nach dem Werkstattbesuch liegen. Erreicht werden soll das allein durch das Aufspielen einer neuen Software. Experten bezweifeln, dass dieser Wert realistisch ist. Doch selbst wenn er stimmen sollte, ist das keineswegs genug: Bisher überschreiten Euro-5- und Euro-6-Diesel die im Labor zulässigen Grenzwerte laut Umweltbundesamt auf der Straße im Durchschnitt um das Sechsfache. Nach dem Update wäre es dann immer noch das Vierfache.
90 Prozent
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Um diesen Wert könnten die Emissionen sinken, wenn nicht nur die Software, sondern auch die Hardware verändert würde. Eine Umstellung auf die modernste SCR-Reinigungstechnologie mit ausreichend großem Harnstofftank kostet nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe etwa 1.500 Euro pro Fahrzeug. Mit dieser Technologie lassen sich die aktuellen Grenzwerte im Realbetrieb tatsächlich einhalten. Das zeigt sich nicht nur bei Lkws, sondern auch bei den Diesel-Pkws, die die deutschen Hersteller in die USA exportieren.
Beim Dieselgipfel hat die Politik die Konzerne aufgefordert, zumindest ein Konzept für eine technische Umrüstung zu entwickeln. Das interessiert diese aber nicht: VW-Chef Matthias Müller erklärte Hardware-Änderungen unmittelbar im Anschluss an das Treffen für „ausgeschlossen“, BMW und Daimler stimmten zu.
13 Milliarden Euro
So viel spart die Autoindustrie, weil die Politik sie mit einem Software-Update für einen Teil der umrüstbaren Diesel-Pkws davonkommen lässt, statt auf neuer Hardware für alle betroffenen Fahrzeuge zu bestehen. Für das Software-Update rechnen die Konzerne mit Gesamtkosten von 500 Millionen Euro. Eine Motornachrüstung würde bei Kosten von 1.500 Euro pro Fahrzeug für alle Hersteller zusammen rund 13,5 Milliarden Euro kosten. Zum Vergleich: Der Gewinn vor Steuern allein der deutschen Autokonzerne VW, BMW und Daimler lag im letzten Jahr rund doppelt so hoch.
250 Millionen Euro
So viel will die Autoindustrie als Ablass für ihre Dieselsünden in den Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ spenden. Die Politik schießt dann nochmal 250 Mille bei. Damit sollen für 28 besonders dieselverseuchte Regionen „Masterpläne“ entwickelt und umgesetzt werden. Dann folgt im Dieselgipfelbeschluss eine Liste mit tollen Schlagwörtern: Gemacht werden soll was „mit Digitalisierung, Intelligenten Verkehrssystemen, intermodalen Mobilitätslösungen sowie mit zunehmender Automatisierung“. Was auch immer das heißt. Auf der anderen Seite fließen allerlei Forschungsgelder an die Autoindustrie, allein 210 Millionen Euro jährlich für Elektroautos, dazu kommen Brennstoffzellenforschung, Batterieforschung und vieles mehr.
Außerdem entgehen dem Staat wegen der niedrigeren Dieselsteuern im Vergleich zum Benziner 9,5 Milliarden Euro im Jahr. Spannend bleibt auch die Frage, ob die Unternehmen die Spende an den Fonds als Betriebsausgabe steuerlich geltend machen können – dann zahlen sie unterm Strich deutlich weniger.
17 Klagen
16-mal hat die Deutsche Umwelthilfe vor verschiedenen Gerichten geklagt, um deutsche Großstädte und Bundesländer zu zwingen, endlich die Luftqualität zu verbessern. Grundlage ist die EU-Luftreinhalterichtlinie von 2008. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat eine Klage am Laufen – und Strafanzeigen gegen die Vorstände der Autokonzerne wegen des Verdachts der vorsätzlichen Luftverunreinigung durch Stickoxid-Emissionen eingereicht. Jüngst entschied das Verwaltungsgericht in Stuttgart eine DUH-Klage: Software-Updates sind keine geeigneten Maßnahmen, um die Schadstoffbelastung zu senken, so die Richter. Warum Verkehrsminister Alexander Dobrindt trotzdem zuversichtlich ist, dass mit den auf dem Dieselgipfel beschlossenen Software-Updates Fahrverbote vermieden werden? Das bleibt sein Geheimnis.
19.807 Sterbefälle
Die Zahl projizierten Greenpeace-Aktivisten in riesigen Buchstaben zum Dieselgipfel an die Fassade des Bundesverkehrsministeriums. Sie gibt an, wie viele vorzeitigen Todesfälle es durch Stickoxide (NOx) seit Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 in Deutschland gab. Die Berechnung fußt auf Daten der Europäischen Umweltagentur, wonach hohe Stickoxidwerte in Deutschland 10.610 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursachen. Allerdings lassen sich keine konkreten Sterbefälle benennen, es handelt sich um statistische Hochrechnungen aufgrund der allgemeinen gesundheitlichen Belastung. Die Schicksale der Opfer bleiben also abstrakt, obwohl sie real sind.
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