Xi Jinpings Besuch in Moskau: Chinas Ukraine-Dilemma

Der Besuch des chinesischen Präsidenten in Russland war enttäuschend. Deutlich wurde aber, dass sich die Gewichte zugunsten Chinas verschoben haben.

Zwei Männer Xi jngping und Vladimir Putin vor einem Auto

Zelebrieren ihre „große Freundschaft“: Xi Jingping und Wladimir Putin Foto: Grigory Sysoev/Sputnik/Kremlin/reuters

Der Moskau-Besuch von Chinas Machthaber Xi Jinping in der ersten Wochenhälfte hat alle enttäuscht, die sich davon einen kleinen diplomatischen Schritt zur Beendigung des Krieges in der Ukrai­ne erhofft haben. Dies war vielleicht etwas naiv, aber nicht ohne Grundlage. Schließlich hatte China erst kürzlich einen 12-Punkte-Plan „zur politischen Lösung der Ukraine-Krise“ vorgelegt.

Der war zwar von Kiew und seinen Unterstützern abgelehnt worden, weil er weder den russischen Angriffskrieg verurteilte, noch den Abzug russischer Truppen forderte. Doch hätte Xis Reise vielleicht ein diplomatischer Anfang sein können, wenn er ein ehrlicher Makler sein würde. Wohl kein anderer Staats- und Regierungschef dürfte bei Wladimir Putin mehr Gehör finden als Xi. Er hätte in Moskau klare Worte finden können, worauf ja auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hoffte.

Ein zweiter Hoffnungsschimmer war, dass Peking gerade eine Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien vermittelt hatte. Chinas Diplomaten haben also Einfluss und die nötigen Fähigkeiten. Jetzt hatte Peking Xis Besuch vorab sogar als „Reise der Freund­schaft, der Kooperation und des Friedens“ bezeichnet. Darüber hinaus kursierten unbestätigte Berichte, dass Xi anschließend noch mit Selenski telefonieren würde.

Das ist nicht geschehen. Auch sonst gab es leider keine echten Friedenssignale. Stattdessen zelebrierten Xi und Putin bei ihrem 40. Treffen ihre angeblich große Freundschaft. Diese hatten sie „grenzenlos“ genannt, als sie sich das letzte Mal in Peking trafen, kurz vor Russlands Angriff auf die Ukrai­ne. Damals wurde spekuliert, Xi hätte Putin grünes Licht gegeben.

Russland braucht Chinas Unterstützung

Der Krieg verläuft bekanntlich nicht, wie Putin sich das vorgestellt hat. Russland hat Probleme und kann Chinas Unterstützung gebrauchen. Xi hat ihm mit seinem Besuch jetzt politisch den Rücken gestärkt.

China lehnt weiter alle Sanktionen gegen Russland ab. Doch zeigte der Besuch deutlich, wie sich die Gewichte zugunsten Chinas verschoben haben. Putin ist heute schwächer, weil er China als Abnehmer russischer Rohstoffe wie als Lieferant technischer Produkte braucht. Die Volksrepublik soll Lieferausfälle aufgrund der westlichen Sank­tio­nen kompensieren. China profitiert von Russlands günstigem Öl und Gas, und manche chinesische Firmen haben in Russland jetzt mangels westlicher Konkurrenz fast schon Monopole.

Für China ist Russland wichtig für die gemeinsame Zurückweisung der Hegemonie der USA wie des westlich-liberalen Politikmodells. Die Rivalität mit den USA ist aber für Peking der Hauptkonflikt. Gerade erst warf Xi beim Volkskongress den USA vor, China „abgeschottet, eingekreist und unterdrückt“ zu haben. Wie Moskau gibt Peking USA und Nato die Schuld am Krieg.

China will keine prowestliche Regierung als Nachbarn

Hineingezogen werden will China aber nicht. Es möchte aber auch nicht, dass Russland verliert, gar auseinanderbricht oder Putins Regime von einer prowestlichen Regierung ersetzt wird, die dann die Grenze mit der Volksrepublik teilt.

Doch grenzt sich Xi auch von Putin ab. Peking hat bisher keine Waffen geliefert, ist kein militärisches Bündnis mit Moskau eingegangen und erkennt dessen Annexion ukrai­ni­scher Gebiete nicht an. Unklar ist, ob und unter welchen Bedingungen sich dies ändern würde.

China hatte vor dem Krieg ein gutes Verhältnis zur Ukraine und hat an dem Konflikt eigentlich kein Interesse. Es leidet unter den weltwirtschaftlichen Verwerfungen, andererseits profitiert es von günstiger Energie und Russlands wachsender Abhängigkeit. Manche Pekinger Strategen hatten gehofft, dass Washington den Hegemonialkonflikt mit China jetzt ähnlich vernachlässigen würde wie einst bei den Kriegen in Afghanistan und Irak.

Europa hat aufgerüstet

Der russische Krieg ist jedoch nicht nur für Washington, sondern auch für Europa zum Weckruf samt Zeitenwende geworden: Putin hat die Nato wiederbelebt. Europa rüstet massiv auf und blickt mit seinen bei Putin gemachten Erfahrungen jetzt auch viel kritischer auf China. Und selbst im Indopazifik gibt es jetzt mit Aukus ein neues gegen China gerichtetes Militärbündnis.

Peking steckt in einem Ukraine-Dilemma, und das zeigt seine Politik wie sein am Status quo orien­tier­ter Friedensplan. Im Hegemonialkonflikt mit den USA hält China aus Eigeninteresse an Putin fest, empfiehlt sich gleichwohl dem Rest der Welt als friedliches Gegenmodell zur militärischen Unterstützung des Westens für Kiew. Herausgekommen ist ein einseitiger Friedensplan mit chinesischen Charakterzügen, den Xi beim ersten möglichen Praxistest aber selbst nicht ernsthaft weiterverfolgt hat. Bei allen Schwächen des Plans hat Xi eine Chance vertan, so klein sie auch gewesen sein mag.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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