Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien: Im Nahen Osten bewegt sich was

Teheran und Riad nähern sich an. Die Entwicklung hat das Potenzial, etliche Konflikte zu entschärfen – und den Jemenkrieg sogar endgültig zu beenden.

Musaad bin Mohammed al-Aiban und Ali Shamkhani geben sich die Hände, zwischen ihnen steht Wang Yi.

Freitag in Peking: die Sicherheitsberater Irans und Saudi-Arabiens mit Chinas Top-Diplomat Wang Yi

KAIRO taz | Es ist ein bedeutender Deal: Der Iran und Saudi Arabien – neben der Türkei die einflussreichsten Mächte in der Nahostregion – haben am Freitag verkündet, wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Der Schritt kann weitreichende Auswirkungen haben, denn die Rivalität zwischen beiden Ländern ist die Grundlage zahlreicher Konflikte, vom Jemen über den Irak und Libanon bis zu Syrien.

Der Iran und Saudi-Arabien wollen innerhalb von zwei Monaten ihre Botschaften im jeweils anderen Land wieder eröffnen. Außerdem heißt es, dass die Handelsbeziehungen wieder aufgenommen werden. Vielleicht am wichtigsten hinsichtlich der Konflikte in der Region ist schließlich, dass es auch eine Sicherheitskooperation geben soll. Wie diese allerdings im Detail aussehen soll, ist nicht ausgeführt.

Unklar bleibt auch, welche Zugeständnisse beide Länder bei den Verhandlungen unter chinesischer Vermittlung gemacht haben, um den Deal zu ermöglichen. In vielerlei Hinsicht wirft die Ankündigung von Freitag also mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Beide Staaten hatten 2016 ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Erzrivalen um die Vorherrschaft in der Region sind sie aber schon viel länger. Die Rivalität hat die Nahostregion vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten geprägt. Durch sie sind viele Konflikte neu entstanden, andere nicht gelöst worden.

Neue Weltordnung

Auf den ersten Blick ist die Annäherung ein Schritt, der vieles entschärfen könnte. Wäre der Deal nicht unter Vermittlung von Peking, sondern in Washington oder einer europäischen Hauptstadt zustande gekommen, wären die westlichen Medien wahrscheinlich heiß gelaufen.

Ein derart wichtiges Abkommen, geschlossen im fernen Peking, ist auch ein Zeichen, dass die internationale Weltordnung sich verändert – anders als die Medien, die immer noch der alten Weltordnung verhaftet sind, in der sich bisher nur die USA und Europa als vermeintlich ehrliche Makler vermarktet haben.

Beide haben diese Rolle in der Nahostregion verloren. Aufgrund ihrer schlechten Beziehungen zum Iran und der Tatsache, dass Saudi-Arabien einer der wichtigsten Bündnispartner der USA in der Region ist, konnten die USA und Europa im iranisch-saudischen Konflikt nicht als Vermittler auftreten.

Das hat China jetzt ausgenutzt. Peking hat in seinem Streben gepunktet, seine Rolle in der Region zu vergrößern. China ist an Stabilität in der Region interessiert, vor allem, um den eigenen Öl- und Gasnachschub zu sichern.

Unglücklich über die Entwicklung dürfte man aber weder in den USA noch in Europa sein. Denn halbwegs funktionierende Beziehungen zwischen Teheran und Riad könnten sich als wichtiger Faktor für eine Stabilisierung der Nahostregion erweisen. In dieser Hinsicht ist die Schnittmenge an Interessen zwischen China, den USA und Europa groß.

Und auch die internationale Energiewirtschaft dürfte aufatmen. Noch im September 2019 hatten Angriffe auf saudische Ölanlagen mit vermutlich iranischen Drohnen die Ölökonomie in Schock versetzt. Saudi-Arabien musste über Nacht seine Ölproduktion auf die Hälfte zurückfahren. Damit hatte der globale Ölmarkt fünf Prozent der Versorgung mit dem schwarzen Gold verloren. Derartige Angriffe dürften jetzt der Vergangenheit angehören.

Exit-Strategie für den Jemen

Der erste Konflikt in der Region, der durch die Annährung entschärft und vielleicht sogar gelöst werden könnte, ist der Krieg im Jemen, der seit acht Jahren andauert. Iran unterstützt die Huthi-Rebellen, Saudi-Arabien ist aufseiten der jemenitischen Regierung direkt in den Krieg involviert.

Es gab in den letzten Jahren immer wieder Friedens- und Waffenstillstandsgespräche. Seit 2021 haben auch der Iran und Saudi-Arabien direkt miteinander verhandelt, im Irak sowie in Oman – stets ohne greifbare Ergebnisse. Es dürfte bei diesen Treffen aber Vorarbeit für den jetzigen Deal in Peking geleistet worden sein.

Vielleicht kann dieser Konflikt, den die UNO als die größte von Menschen gemachte humanitäre Katastrophe bezeichnet, endgültig beendet werden, wenn sich die beiden Hauptsponsoren dieses Krieges ernsthaft zusammensetzen. Möglicherweise haben beide Seiten verstanden, dass militärisch nichts mehr zu holen ist und beide nach einer Exit-Strategie suchen. Wie es im Jemen weitergeht, könnte bereits in einem der nicht veröffentlichten Teile des Pekinger Abkommens festgehalten sein.

Selbstbedienungsladen Irak

Das zweite Konfliktfeld ist der Irak. In Bagdad bestimmen seit Jahren schiitische Parteien das politische Geschehen, die vom Iran unterstützt werden. Aber der Unmut im Land über den iranischen Griff wird immer lauter, selbst in schiitischen Kreisen und vor allem unter jüngeren Irakern und Irakerinnen. Das Land ist zu einem Selbstbedienungsladen der schiitischen Parteien und ihrer Milizen verkommen. Politische Machtkämpfe haben es paralysiert.

Saudi-Arabien hat dagegen Einfluss auf den sunnitischen Teil des Landes. Nun muss man sehen, wie sich die iranisch-saudische Annäherung hier manifestiert und vielleicht auch für Entspannung sorgt. Für das Regime in Teheran allerdings bleibt der Einfluss im Irak zentral.

Ähnliches gilt für den Libanon, in dem die vom Iran unterstützte Hisbollah als Staat im Staate agiert, während Saudi-Arabien mit Hilfe der Sunniten des Landes und der Hariri-Polit-Dynastie immer wieder versucht hat, den iranischen Einfluss einzudämmen – bisher erfolglos.

Doch auch hier wird Teheran sich nicht einfach das Instrument Hisbollah aus der Hand nehmen lassen. Aber vielleicht könnte sich die Schiiten-Partei gegenüber anderen politischen Kräften kompromissbereiter geben, ohne seine Vormachtstellung aufzugeben.

Schließlich bleibt noch Syrien. Vor allem seit dem Erdbeben im Februar haben einige arabische Staaten versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen und ihre Beziehungen zum Regime von Baschar al-Assad zu normalisieren. Einige Staaten, wie die Vereinigten Arabischen Emirate hatten bereits zuvor ihre Botschaften in Damaskus wieder eröffnet. Die Mitgliedschaft Syriens in der Arabischen Liga bleibt jedoch suspendiert.

Der Iran zählt neben Russland zu den wichtigsten Unterstützern Assads. Aus diesem Grund hat sich Saudi-Arabien bislang jeder Normalisierung mit Damaskus entgegengestellt. Auch hier könnte es also Bewegung geben.

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