Xi Jinping in Moskau: Treffen sich zwei Diktatoren
Bei seinem Besuch in Russland stärkt der chinesische Staatschef dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Rücken – und gibt sich als Friedensstifter.
In Moskau trifft sich einer, der als mutmaßlicher Kriegsverbrecher per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird, mit einem, dem ein Bericht der Vereinten Nationen mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit bescheinigt. Zusammen feiern sich Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping als „Vorbild neuer Zusammenarbeit“ zwischen den Ländern in der Welt.
Nach Xis Besuch in Moskau dürfte Putin in diesem Jahr nach Peking reisen, die Einladung dafür hat Xi persönlich überbracht. Allein das informelle Treffen der beiden Herrscher am Montag hatte mehr als vier Stunden gedauert, am Dienstag stolzierten sie nach den Nationalhymnen über den roten Teppich im Georgssaal des Großen Kremlpalasts. „Seht her“, ist die Haltung Moskaus, Putin ist weder unberührbar noch isoliert.
Die Symbolik des Großereignisses soll dem von beiden Staaten verhassten Westen zeigen, dass die russisch-chinesische Allianz gefestigt ist. Dem verleiht auch die Zusammensetzung der Delegationen einiges an Gewicht. Auf russischer Seite waren in der großen Gesprächsrunde die Außen-, Verteidigungs- und Finanzminister mit von der Partie, auch die Zentralbankchefin Elwira Nabiullina nahm teil. Dadurch zeigte sie, dass der Yuan in Währungsfragen für Russland immer wichtiger wird. Auch Rüstungszusammenarbeit und Kooperationen in der Raumfahrt standen auf dem Programm.
Mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit
Der Ministerpräsident Michail Mischustin hatte zuvor beim Treffen mit Xi im Weißen Haus, Russlands Regierungssitz an der Moskwa, den Wert bilateraler Investitionsprojekte auf umgerechnet mehr als 154 Milliarden Euro beziffert. Zudem sprach er sich für einen Landkorridor für Getreide und andere Landwirtschaftsgüter aus Russland nach China aus.
Zum Abschluss des langen Tages unterzeichneten Russland und China zwei Dokumente: eines über die Vertiefung der umfassenden Partnerschaft und eines über die Entwicklung der Wirtschaftszusammenarbeit bis 2030. Was genau in den Papieren steht, war zunächst unklar. Die Abhängigkeit beider Länder wird damit untermauert. China kauft günstig Öl und Gas aus Russland, da Moskau dieses nicht mehr in Europa loswird. Russland braucht von den Chinesen Technologie- und Konsumgüter, die es nicht mehr aus Europa beziehen kann.
Putin und Xi stützen und brauchen einander. Xi gefällt sich nach seinem Erfolg zwischen Saudi-Arabien und Iran zudem auch in der „Ukraine-Frage“, wie China den Krieg in der Ukraine bezeichnet, als „objektiver und unvoreingenommener Vermittler“. Er mimt den Friedensengel, der auf Waffenstillstand pocht, auch wenn mit einem Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt die Position Russlands in der Ukraine untermauert wäre.
China hat den Angriffskrieg Russlands bisher nicht einmal verurteilt. Die Führung in Peking nennt diesen schlicht „Krise“, angestachelt von den USA und der Nato. Damit trägt und verbreitet sie die russische Position. Ohnehin lehnen beide Staaten die vom Westen geprägte liberale Weltordnung ab und plädieren für eine neue, multipolare Weltordnung mit den Vereinten Nationen als Kern. Deshalb fällt es Xi nicht schwer, Putin die Hand zu reichen, auch wenn die Waffengewalt der Russen in der Ukraine den Chinesen nicht passen dürfte. Er will in Ruhe gute Geschäfte machen und sucht als vermeintlich neutraler Vermittler nun auch politisch nach Wegen.
Der chinesische „Friedensplan“ hilft vor allem den Chinesen. China präsentiert sich dabei als unermüdlicher Friedensstifter und kann gleichzeitig die USA anklagen. In den Augen Pekings (wie auch Russlands) ist es Washington, das den Krieg in der Ukraine anheizt und keinen Frieden will. In Moskau hieß es, an einem Plan werde weitergearbeitet, Konkretes war nicht zu vernehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin