Xavier Naidoo und die Volksverhetzung: Alles gar nicht so gemeint
Xavier Naidoo ist der Musterschüler des Deutschpop. Mit Kool Savas rappte er über Gewaltfantasien. Jetzt wurden sie angezeigt.
„Zuerst möchten wir all unsere Sympathie und unseren großen Respekt gegenüber allen Schwulen und Lesben weltweit bekunden“, beteuern der Mannheimer Sänger Xavier Naidoo und der Berliner Rapper Kool Savas in einer gemeinsamen Stellungnahme, die am Donnerstag auf der Homepage ihres gemeinsamen Projekts „Xavas“ erschienen ist.
Es sei ihm lediglich darum gegangen, die Aufmerksamkeit auf schreckliche Verbrechen zu lenken, die viel zu wenig beachtet würden, betont der Sangesbruder Xavier Naidoo. Und sein Kollege Kool Savas fügt hinzu: „Ich möchte klarstellen, dass es nie die Absicht unseres Liedes war, Homosexualität und Pädophilie gleichzusetzen oder zur Gewalt gegen Menschen aufzurufen.“
Diese Erklärung war nötig geworden, weil beide, der Sänger und der Rapper, jetzt Strafanzeigen der Linksjugend „Solid“ sowie des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) am Hals haben – wegen Volksverhetzung und Aufruf zur Gewalt. Zwar will die Staatsanwaltschaft Mannheim kein Ermittlungsverfahren einleiten, aber die Geister scheiden sich an dem Song „Wo sind sie jetzt“, der sich als „Hidden Track“ auf ihrem Album „Gespaltene Persönlichkeit“ findet. Denn der hat es in sich.
„Ich schneid euch jetzt mal die Arme und die Beine ab, und dann ficke ich euch in den Arsch, so wie ihr es mit den Kleinen macht“, singt Xavier Naidoo da. „Ich bin nur traurig und nicht wütend. Trotzdem würde ich euch töten“, droht er. „Ihr tötet Kinder und Föten und ich zerquetsch euch die Klöten. Ihr habt einfach keine Größe und eure kleinen Schwänze nicht im Griff“, tönt er, um dann zu fragen: „Warum liebst du keine Möse, weil jeder Mensch doch aus einer ist? Wo sind unsere Helfer, unsere starken Männer, wo sind unsere Führer, wo sind sie jetzt?“
Homophobie und Verschwörungstheorie
Solche Gewaltfantasien hätten viele dem smarten Star des deutschen Schmusesoul kaum zugetraut. „Da geht es um furchtbare Ritualmorde an Kindern, die tatsächlich ganz viel in Europa passieren, über die aber nie jemand spricht, nie jemand berichtet“, erklärte Naidoo dazu auf Nachfrage schon im September, als das Album gerade erschienen war, in einem Radiointerview. In seiner aktuellen Stellungnahme verweist er nun auf eine NDR-Doku über Menschen, die von sich glauben, als Kind das Opfer satanistischer Sekten geworden zu seien – sie hätten ihn zu seinem Song inspiriert.
Entschuldigend fügt er hinzu, dass er selbst als Kind im Alter von acht Jahren in Südafrika – von dort stammt seine Familie – von einem älteren Mann missbraucht worden sei, wie er schon vor einigen Jahren bekannt gab. Sein Ruf nach einem starken Mann gelte nur „unseren aktuellen Führern“, verteidigt er sich – also „den Verantwortlichen in Politik, Medien und bei den Ermittlungsbehörden“. „Es ist mir unverständlich, wie man das falsch interpretieren kann.“
Tja, wie nur? Eine handfeste Verschwörungstheorie, angereichert mit einer gehörigen Portion Homophobie, mit Gewaltfantasien und dem Ruf nach einem starken Führer? So etwas findet man normalerweise am rechten Rand, bei Nazis und anderen Rechtsextremen. Erst Anfang dieser Woche veröffentlichte die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie darüber, wie weit rechtsextreme Denkmuster bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein verbreitet sind. Xavier Naidoo scheint sich jetzt als ein Beispiel dafür anzubieten.
Dabei gilt Xavier Naidoo – anders als Bushido oder die Böhsen Onkelz – als Musterschüler des deutschen Pop, seit er vor vielen Jahren mit ebenso schmuseweichen wie gottesfürchtigen Balladen praktisch im Alleingang das Genre des deutschsprachigen Soul begründete. Damit stieg er nicht nur zum Lieblingssänger der deutschen Fußballnationalmannschaft auf, deren Weg er bei der Fußball-WM 2006 begleitete. Vor zwei Jahren reiste er auch zur Truppenbespaßung der Bundeswehr nach Afghanistan, seine Lieder sind auch bei evangelischen Kirchentagen sehr beliebt.
Erlösungspop und Messianismus
Dass sich in seinen biblisch inspirierten Erlösungspop immer wieder reaktionäre Botschaften mischten, störte bislang wenige. Denn der krause Messianismus von Naidoo, der seine Heimatstadt Mannheim für das „neue Jerusalem“ hält, wird in der Branche nicht so richtig ernst genommen. Auch jetzt nicht. Zumindest bei Pro7 sieht man deshalb noch keinen Grund, von Xavier Naidoo Abstand zu nehmen.
Dort sitzt er derzeit in der Jury der TV-Casting-Show „The Voice of Germany“. Vielleicht kann er sich da ja noch mal vor einem größeren Publikum erklären.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen