Comeback der Böhsen Onkelz: Antifa – ihr könnt mich mal!

Die Böhsen Onkelz sind zurück und spielen zwei Konzerte. Beide waren sofort ausverkauft. Naziband oder nicht? Ein Besuch bei einem Fan.

„Man wurde blöd angemacht, wenn man ein Onkelz-Shirt trug“, erinnert sich David. Bild: Imago/Kai Horstmann

Seine Lieblingssongzeile der Böhsen Onkelz hat David auf die schmächtige Brust tätowiert. „Nur die besten sterben jung“, steht da in ziemlich ausgebleichter Schnörkelschrift. Darüber ein flammendes Herz mit Dornenkranz und Flügeln und die Todestage seiner Eltern: 12. 6. 94 und 17. 4. 02.

„Meine Eltern waren Junkies“, sagt David, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Peng. Ein Satz wie ein Schuss, der einem um die Ohren saust. Vermutlich hat David ihn schon ziemlich oft gesagt. Es ist seine Geschichte und David steht dazu.

Mit den Böhsen Onkelz verhält es sich ganz ähnlich. Seit er vierzehn Jahre alt ist, ist David Fan der Band. Auch dazu steht er. „Warum auch nicht?“, sagt er. An der Band sei schließlich – vielen anderslautenden Meinungen zum Trotz – nichts verkehrt.

Früher bedeuteten ihm die Böhsen Onkelz weitaus mehr als heute. „Die waren ja auch neun Jahre weg vom Fenster“, sagt David auf einer Parkbank in Frankfurt am Main.

Jetzt sind sie wieder da: Am 31. Januar hat die Band auf ihrer Homepage ein Comeback angekündigt, neun Jahren nach ihrem Abschiedskonzert auf dem Lausitzring bei Cottbus vor 120.000 Menschen. David war damals nicht dabei. „Damals dachte ich, das Abitur wäre wichtiger, obwohl es nur noch um eine mündliche Prüfung ging.“ Heute würde er anders entscheiden. Die Auflösung der Band schien damals endgültig zu sein. „Diese Nachricht hat mich ganz schön mitgenommen“, sagt David. Eigentlich hätte er gemeinsam mit den anderen Fans am Lausitzring niederknien und trauern wollen.

„Wir ham noch lange nicht genug“

„Nichts ist für die Ewigkeit“, hieß es dann plötzlich Anfang des Jahres auf Videos, die auf dem Youtube-Kanal der Band zu sehen waren. Und: „Wir ham noch lange nicht genug.“ Die beiden Konzerte, die die Böhsen Onkelz am Freitag und am Samstag auf dem Hockenheimring bei Mannheim spielen, waren in weniger als einer Stunde ausverkauft. Auch für das Public Viewing im Frankfurter Stadion gibt es seit Wochen keine Karten mehr. Seither ist allenthalben wieder von der „umstrittenen“ Band zu lesen, die lange als Rechtsrock-Band galt, von ausländerfeindlichen Songs und von deren Nazi-Fans.

Besonders ein Lied hat den Böhsen Onkelz ihren Ruf beschert. Es stammt aus dem Jahr 1981 und war der vierte Song, den die damals noch junge – und zunächst im Punk angesiedelte und damit antipolitisch eingestellte – Band aus dem unterfränkischen Hösbach auf einem Demo veröffentlichte. „Türken raus“ lautet der Titel, und der Text lässt sich kaum beschönigen: „Türken raus, Türken raus, Türken raus aus unserem Land / Geht zurück nach Ankara / Denn ihr macht mich krank.“ Das erste Studioalbum mit dem Titelsong „Der nette Mann“, das die Band 1984 herausbrachte, wurde 1986 indiziert. Vermutlich ist es gerade dieses üble Image, das die Band so beliebt gemacht hat.

„Es gibt kaum etwas Verkaufsfördernderes, als eine Band zu indizieren“, sagt Klaus Farin vom Archiv für Jugendkulturen in Berlin, der Anfang der nuller Jahre ein fundiertes Buch über die Bandgeschichte und die Fans der Böhsen Onkelz veröffentlichte. Anlässlich der Wiedervereinigung wurde es nun wiederaufgelegt. „Wenn ständig in der Zeitung steht, dass das eine rechte Band ist, dann weiß natürlich jeder Dorftrottel, der gerne zu den harten Jungs gehören möchte, welche Band er gut finden muss.“

Wahr ist aber auch, dass sich die Band in den Jahren 1984 und 1985 zunehmend von der mehr und mehr nach rechts abdriftenden Skinhead-Szene distanzierte. Für Farin ist dieser Ausstieg glaubwürdig und keineswegs kommerziellen Interesse geschuldet. „Danach war die Band vier, fünf Jahre erst mal verschwunden“, sagt er. Zwei Jahre lang gab es keine Auftritte, die Heavy-Metall-Alben, die auf den Markt kamen, waren wenig erfolgreich. „Als sie dann das erste Mal wieder auf der Bühne standen, hatten sie alle lange Haare bis zum Arsch, haben Flyer mit der Aufschrift ’Nazis raus‘ verteilt und die Security angewiesen, jeden ,der falsche T-Shirts trägt oder den rechten Arm hebt, rauszuprügeln.“

„Das Bedürfnis, Schuldige zu finden“

Jahrelang, so Farin, trat die Band nicht in den neuen Bundesländern auf, weil sie nicht vor rechten Fans spielen wollten, organisierten Touren gegen rechts und schrieb anti-rechte Songs. Viele Journalisten – auch und vor allem solche aus der taz – hielt das nicht davon ab, die Band weiterhin in der rechten Ecke zu verorten. „Nach der großen rechten Gewaltwelle in den 1990er Jahren mit Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen gab es das Bedürfnis, Schuldige zu finden“, sagt Farin. „Die Böhsen Onkelz waren die einzige Band, die als ehemals rechte Band bekannt waren – nur das ’ehemals‘ hat man auf der Suche nach Feindbildern ignoriert.“

David, der erst 1998 – also lange nach dem Ausstieg der Band aus der Skinheadszene – begann, die Böhsen Onkelz zu hören, bekam diese pauschalen Verurteilungen zu spüren. „Man wurde blöd angemacht, wenn man ein Onkelz-Shirt trug“, erinnert er sich. „Sogar in der Schule haben sie überlegt, ob sie das Tragen der Shirts verbieten sollen.“ Daraufhin brachte David seinem Vertrauenslehrer die offizielle Biografie der Band zum Lesen mit. Danach war das Thema vom Tisch. Bei David aber blieb der Trotz: „Warum soll ich etwas ablegen, nur weil mich andere Leute, die offensichtlich keine Ahnung haben, dafür dissen?“

Vor den Böhsen Onkelz hat David Die Ärzte und Die Toten Hosen gehört. „Als die Onkelz ins Spiel kamen, hab ich gemerkt, das man solche Musik auch machen kann, ohne permanent lustig sein zu wollen.“ Nach dem Tod seiner Mutter, die an HIV gestorben war, als er neun Jahre alt war, wuchs David bei seiner Tante in Durmersheim auf, einem 12.000-Einwohner-Ort nahe Karlsruhe.

Dieses Sich-nicht-einordnen-lassen-Wollen

Die Ernsthaftigkeit und die Aggressivität, mit der Sänger Kevin Russell seine Wut gegen die Welt hinausschrie und sich dabei von nichts und niemand vereinnahmen lassen wollte, gefielen dem damals 14-Jährigen. Diese Rotzigkeit, dieses Sich-nicht-einordnen-lassen-Wollen, schon gar nicht von der Obrigkeit, das Gefühl, ein Rebell zu sein, der auf die Anerkennung durch die Mehrheitsgesellschaft pfeift.

„Durchhalteparolen für geschlagene Heimkinder“, beschrieb der Musikjournalist Martin Büsser die Songs der Band, und vermutlich ist daran viel Wahres – auch wenn es in Deutschland, gemessen am Erfolg der Band, dann ziemlich viele geschlagenen Heimkinder geben muss.

Auch David hatte mal eine „rechte Phase“, wie er sagt. „Die dauerte vielleicht ein halbes Jahr.“ Er wollte provozieren. Typen, die ausländerfeindliche Sprüche abgelassen haben, das sei so üblich gewesen, damals auf dem Dorf, sagt er, „Stammtischgebabbel“ ohne politischen Aktionismus. „Je ländlicher es wird, umso kleiner wird der Horizont.“ Danach wechselte er zur Antifa, blieb aber nur kurz. „Erst hab ich Hakenkreuze gemalt, dann habe ich durchgestrichene Hakenkreuze gemalt“, sagt er und muss selbst darüber lachen.

Just die Böhsen Onkelz seien es gewesen, die ihn damals zum Nachdenken brachten. Zum Beweis zieht David sein Mobiltelefon aus der Tasche und spielt einen weiteren Song vor, der ihm gut gefällt: „Antifa – ihr könnt mich mal / Ich lache über euch / Und ihr merkt es nicht mal / Ihr kämpft gegen mich / Wie lächerlich / Denn euren wahren Feind / Den seht ihr nicht“, brüllt Sänger Kevin Russell in „Ohne mich“ mit rauchiger Stimme zu treibenden Gitarrenriffs.

„Leckt uns am Arsch / Sonst gibt’s auf die Fresse“

„Ohne mich / Mich kriegt ihr nicht / Ich bin frei wie der Wind / Kapiert ihr das nicht“, lautet der Refrain. „Das beschreibt meine politische Einstellung ganz gut“, sagt David und drückt wieder auf Play. „Und hier ein paar Worte / An die ’rechte‘ Adresse“, grölt Russell aus dem Smartphone, „Leckt uns am Arsch / Sonst gibt’s auf die Fresse.“

Zitate wie diese gibt es viele von der Band. David spielt Konzertmitschnitte der Band auf Youtube vor. Darauf drohen die Bandmitglieder rechten Fans, die die Hand zum Hitlergruß heben, Prügel an. „Früher haben mich die Verurteilungen schon getroffen“, sagt er. „Heute ist es mir egal, was die Leute über mich denken: Wenn jemand die Band und deswegen auch mich scheiße findet, soll er doch …“

Mit den Jahren ist Davids Liebe zu der Band abgeflaut. Andere Dinge waren wichtiger. Er machte Abitur, zog nach Frankfurt am Main, weg aus dem engstirnigen Dorf, wie er sagt, und studierte sechs Semester lang Soziale Arbeit – bis ihm ein bezahlter Job im Callcenter attraktiver erschien. Nun, nach der Kündigung, hat er sich erneut für die Zulassung zum Studium beworben. Bei der jüngsten Wahl zum Europaparlament hat er die Linkspartei gewählt, „weil die die Einzigen sind, die ganz klar gegen das Freihandelsabkommen sind.“

Zum Konzert am Freitagabend will er trotzdem gehen. „Ich hab mir zwar keine Karte gekauft“, sagt er. „Aber ein Kumpel bringt uns wohl über die Gästeliste rein.“ David ist ein bisschen skeptisch. „Ich habe Angst, dass es vielleicht so wird wie mit der ersten großen Liebe, die man nach Jahren wiedertrifft: Man versucht es noch mal, aber man weiß eigentlich, dass es nicht mehr klappt.“ Dann hält er kurz inne: „Aber wer weiß“, sagt er noch, „wenn ich dort bin, freue ich mich bestimmt wie ein kleines Kind, und vielleicht bin ich nach dem Konzert auch wieder infiziert.“

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