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Wut auf EU-Parlamentspräsident SchulzCeta im Eilverfahren

Die EU-Abgeordneten sollten bei Ceta das letzte Wort haben, nun wird die Entscheidung durchgepeitscht. Die Ausschüsse sollen nicht mitreden.

Will Schulz den Ceta-Kritikern mit seinem schnellen Vorgehen einen Maulkorb verpassen? Foto: dpa

Brüssel taz | Rund vier Wochen nach dem Aufstand der Wallonen gibt es erneut Streit um das Ceta-Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Grüne und Linke im Europaparlament beschuldigen Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), das Abkommen im Eilverfahren durch die Straßburger Kammer peitschen zu wollen und sich dabei über Fachausschüsse und Experten hinwegzusetzen.

„Ich fühle mich um meine Rechte als Abgeordneter betrogen“, klagt der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. „Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn die Trumps und Le Pens Erfolge feiern und die Wut auf die EU wächst“, schimpft Fabio De Masi von der Linken.

Grund ihres Ärgers: Schulz hatte gemeinsam mit den Fraktionschefs die Parlaments-Agenda für die nächsten Wochen festgezurrt und dabei wichtige Vorentscheidungen getroffen. So sollen die Abgeordneten bereits Mitte Dezember abschließend über Ceta im Plenum abstimmen. Stellungnahmen aus den Fachausschüssen werden nicht eingeholt.

Am Montag legten die Parlamentsgranden – neben SPD-Mann Schulz gehört dazu auch der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber – zudem fest, dass es keine gesonderte Aussprache über den unter Ceta geplanten Investitionsgerichtshof geben soll. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ceta-Kritiker werten es als Signal, dass Schulz den Abgeordneten einen Maulkorb verpassen will.

„Keine ernsthafte Parlamentsbeteiligung“

„Die konservativ-liberale Mehrheit will nicht einmal in einer Debatte im Plenum über die erheblichen rechtlichen Zweifel diskutieren, die auch der Deutsche Richterbund bei Ceta hat“, beschwert sich De Masi. Der Richterbund hatte das Investitionsgericht kritisiert und die EU-Kompetenz angezweifelt. Linke und Grüne wollten das nun diskutieren – und sind gescheitert.

„Das ist keine ernsthafte Parlamentsbeteiligung mehr“, schimpft auch Giegold. Ihm geht es vor allem um die Wirtschafts- und Finanzmarktkapitel, die das 2.200 Seiten dicke Ceta-Abkommen enthält. Wenn der Wirtschaftsausschuss nicht beteiligt werde, könnten die Abgeordneten diese Kapitel nicht ordentlich überprüfen und keine Änderungen mehr einbringen, so Giegold.

Die Abgeordneten sollen bereits Mitte Dezember über Ceta abstimmen

Auch die 38 Erklärungen und das sogenannte „begleitende Instrument“ – eine Art Interpretationshilfe für das oft schwammige und schwer verständliche Abkommen – könnten nun nicht mehr vernünftig gegengecheckt werden. Dabei hatte sich Schulz auf dem Höhepunkt der Krise in Wallonien persönlich als Vermittler zwischen der EU und Kanada eingeschaltet.

Damals versprach der SPD-Politiker, dass nicht nur regionale und nationale Parlamente angehört würden. Nein, die Ceta-Kritiker aus Wallonien, Berlin oder Wien könnten auch auf das Europaparlament zählen, das wie bei jedem Handelsabkommen das letzte Wort haben werde.

Ausschüsse haben sich nicht gemeldet

Nur der vom CDU-Politiker Elmar Brok geführte Auswärtige Ausschuss soll noch gehört werden, teilte die Pressestelle des Parlaments auf Nachfrage der taz mit. So habe es das Präsidium am 18. November beschlossen. Etwas anders stellt es Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses, dar. Alle Ausschüsse seien um Stellungnahmen zu Ceta gebeten worden, doch kaum jemand habe sich gemeldet.

Dennoch werde nun, wie versprochen, die Stunde des Parlaments schlagen, so der SPD-Politiker Lange. Änderungen seien noch möglich. Es werde auch noch eine Resolution des Parlaments geben, in der die Anforderungen an Ceta festgeschrieben werden sollen.

Die Kritiker bezweifeln das – und auch, dass Ceta mit EU-Recht vereinbar ist. Sie wollen dazu ein Gutachten des obersten EU-Gerichts in Luxemburg einholen. Bei der für Mittwoch geplanten Abstimmung dürfte es dafür keine Mehrheit geben.

Die große Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten steht; Schulz und Weber haben sie organisiert. Die „Kampagne“ von Ceta-Kritikern gehe dennoch an der Realität vorbei, so Lange. Selbstverständlich werde Ceta noch einmal von den Rechtsexperten des Parlaments überprüft.

Und natürlich werde man sich auch die nötige Zeit nehmen. „Der Zeitplan ist nicht in Stein gemeißelt“, betont Lange gegenüber der taz. Das Parlament in Kanada wolle schließlich auch erst im Februar 2017 entscheiden.

„Als sturmerprobter Friese lasse ich mich nicht unter Druck setzen“, betont Lange. Allerdings hätten da ja auch noch andere mitzureden. „Am Ende ist es eine demokratische Entscheidung.“

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14 Kommentare

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  • CETA scheint, laut vieler Aussagen, der große Wurf unter den Freihandelsabkommen

    zu sein. Weshalb wird dann seit Beginn der Ratifizierung ein solches Tempo mit Umgehung der Fachgremien an den Tag gelegt?

    Herr Schulz und Herr Weber benehmen sich wie Getrieben, welches jedwedes Verständnis der europäischen Einwohner entbehrt.

    Haben die Politiker immer noch nicht mitbekommen, dass dieses Verhalten von den Menschen nicht mehr toleriert wird?

    Nach der Entscheidung der Wallonen sich erst mal gegen CETA zu stellen, bis für sie auch die letzten Fragen plausibel geklärt werden konnten, sollte den Politikern doch klar gemacht haben, wenn sie weiterhin ohne die Demokratischen Gremien zu berücksichtigen handeln, wird es mit ziemlicher -Sicherheit wieder jemanden geben, der sein Vetorecht in alles letzter Sekunde einbringt, weil es noch an Klärung fehlt!

     

    Wenn sich Politiker zu einer wirklichen Allianz mit den richtigen Institutionen und dem europäischem Volk auf demokratischer Ebene ein Handelsabkommen zusammen erarbeiten würden, können Handelsabkommen an sich eine „Gute Sache“ sein, wenn die Gewinner in der Bevölkerung anteilmäßig zur Industrie auch einen Gewinn erzielen würden.

    Leider sind die Bedingungen, egal wie gut das Abkommen ausgehandelt wurde, immer so angelegt, das Industrie und Handel die Gewinne abschöpft, die Verluste aber an die Steuerzahler durchgereicht werden!

    Bei einem gerechten Freihandelsabkommen müssten die Löhne und Gewinne so aufgeteilt und festgeschrieben werden, dass jeder Bewohner der Vertragsländer auch wirklich mit profitiert, aber das ist wohl leider Wunschdenken!!!

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Es gibt immer ein schlagendes Argument pro CETA (auch TTIP?) - ein Abkommen unter den Partnern auf sozusagen Augenhöhe kann ja gar nicht schaden. Un dazu - sieht euch doch diese KandierInnen an!

    http://www.taz.de/Superhelden-bei-Marvel-Comics/!5318029/

    http://www.taz.de/Kanadas-Handelsministerin-Freeland/!5349660/

     

    Prinzipiell wird gar nicht mehr über irgendwelche Vorteile (jedenfalls in Europa) gesprochen - es ist halt der Lauf der Dinge, die Globalisierung, die dann irgendwann mal, 3 Zeitungsausgaben später als eine unkontrollierbare Naturkraft dargestellt wird, der wir uns anpassen müssen.

     

    Im Angesichts von Brexit/Trump ist anscheined Eile angesagt, da läßt man auch die pseudodemokratische Maske fallen.

  • Dekadent statt Parlament. In der EU geht es zu wie schon immer. Und Schulz ist nunmal einer der typischsten Dekadenzpräsidenten; wusste man doch auch schon immer. SPD- Kader eben.

  • "Hinkendes Parlament" -

     

    Ist wohl ein dreister Ephemismus - wa!

    SCHULZ!

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Nun ich bin zwar generell eher ein Freund des Freihandels aber aus demokratischer Perspektive ist das, wenn vielleicht auch rechtens, nicht richtig.

     

    Das kann auch für Herr Schulz gut zum Boomerang werden, wenn er sich gerne zum Kanzlerkandidaten machen lassen möchte. Zur Wahl steht: Erfüllungsgehilfe Schulz

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Zitat: "Nun ich bin zwar generell eher ein Freund des Freihandels[...]"

       

      Dann müssten Sie konsequenterweise eigentlich ein Mitglied der Hochfinanz sein - oder Großindustrieller...

       

      Ansonsten hat m.E. keiner einen Nutzen vom Freihandel!

       

      FÜR "KLEINE LEUTE" IST DAS BESCHISS!

       

      Es ist ja gerade DER ABLEISTUNG VON ZOLLGEBÜHREN, die Gewinne, die auf dem real-existierenden Wertgefälle zwischen Staaten beruhen, umlenkt; und zwar aus der Tasche von Unternehmen AN DIE ALLGEMEINHEIT!

       

      Im Freihandel entfällt dieser Zoll!

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Jürgen Decker:

        „Dann müssten Sie konsequenterweise eigentlich ein Mitglied der Hochfinanz sein - oder Großindustrieller...“

         

        Nein. Muss ich nicht. Wenn ich von wirtschaftlichem Wachstum profitieren will dann kann ich mir einfach ein paar Aktien oder ETF kaufen. Fertig.

         

        "Ansonsten hat m.E. keiner einen Nutzen vom Freihandel!"

         

        Doch der Freihandel nützt vielen Menschen. Im Falle von Europa ist die Linke nicht müd geworden in jedem Artikel über Griechenland zu erwähnen wie sehr Deutschland vom Freihandel profitiert hat. Na also: Was denn nun? profitiert Deutschland oder nicht?

         

        "FÜR "KLEINE LEUTE" IST DAS BESCHISS!"

         

        Eben haben Sie noch geschrieben nur die Hochfinanz und Großindustrielle profitieren davon. Ist jetzt jeder der nicht dazu gehört zu der Gruppe "Kleine Leute" zugehörig? Ich rate mal so ins Dunkel: Sie haben sich vor Wut in Ihrer Argumentation völlig verrannt?!

         

        "Es ist ja gerade DER ABLEISTUNG VON ZOLLGEBÜHREN, ... und zwar aus der Tasche von Unternehmen AN DIE ALLGEMEINHEIT!""

         

        Siehe weiter oben. Ihre Behauptung Freihandel würde niemandem außer der Finanzbranche und Großindustriellen etwas bringen steht im klaren Widerspruch zu anderen Aussagen aus dem linken lager. Entscheiden Sie sich erstmal was nun wahr ist. Dann kann man weiter reden.

      • @Jürgen Decker:

        "Ansonsten hat m.E. keiner einen Nutzen vom Freihandel!"

         

        Ihre Meinung in Ehren, aber es gibt kaum etwas in den Wirtschaftswissenschaften, das derart unbestritten ist, wie der komparative Kostenvorteil des Freihandels.

  • Niemand dürfte sich mehr über das von Donald Trump angekündigte Aus für das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP freuen als die Führung in Peking. Denn TPP war gegen die wachsende Macht Chinas gerichtet. Jetzt könnte Peking die Regie übernehmen.

  • Kommentar zum CETA-Eilverfahren:

    Mein Brief an den EU Abgeordneten der SPD:

    Hallo, Bernd Lange,

     vor der Europawahl haben wir uns auf dem Wochenmarkt auf der Lister Meile in Hannover unterhalten. 

    Ich habe mehrere E-Mails an Sie direkt geschickt.

    Auch habe ich Ihnen mitgeteilt, dass ich mit Ihrem Namensvetter in Leipzig, Bernd Lutz Lange schon vor den 80er Jahren befreundet war, dem akademixer . . .

    Die neue SPD Politik habe ich kritisiert und einen Kommentar bei CAMPACT und auf meine facebook-Seite geschrieben, wo Sie es nachlesen können.

    Ihr

    Johannes Spark

     Anlage:

     Liebes Campact Team,

    seit nun mehr als zwei Jahre setze ich mich für die Campagnen von CAMPACT in der Öffentlichkeit ein. Den EU Abgeordneten Bernd Lange aus Hannover kenne ich persönlich. Auch Helmut Schmidt und Loki Schmidt seit den 80er Jahren. Ich bin in der Geschichte der SPD ausgebildet und habe mit Bernd Lange über die Verhängnisse von Wirtschaftsabkommen und Währungs-Spekulationen diskutiert. 

     Ausserdem hat mein Vater - der hannoversche Unternehmer Dr.Ing.Johannes Perthen - vor seinem Tod 30 Jahre in Schiedsgerichtsverfahren um seine hochtechnologische Elektonik-Firma um sein Unternehmen kämpfen müssen, was aber nicht die Verlagerung nach Göttingen verhindert hat. Darum bin ich für bessere Gesetze. Schiedsgerichtsverfahren sind für Staaten, die eine allgemeine Rechtsprechung haben, schlecht. Das CETA gehört vor den europäischen Gerichtshof in der jetzigen Form. Die SPD macht sich ihre eigene Zukunft als demokratische Partei kaputt. Siehe 1914, 1919 und 1929. 2016 ist es EUROPA. 

  • Schulz ist wirklich eine der verlogensten Figuren, die in Brüssel rumrennen. Ständig ist er vorne weg, wenn es drum geht, andere auf (vermeintliche) Demokratiedefizite hinzuweisen aber selbst behindert er Aussprachen im Parlament. Wenn er so weiter macht, verhindert er damit CETA, weil ein Vertragspartner aufhört zu existieren. Kanada wird bestimmt noch lange existieren...

     

    So viel politische Dummheit macht einfach fassungslos.

  • "Etwas anders stellt es Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses, dar. Alle Ausschüsse seien um Stellungnahmen zu Ceta gebeten worden, doch kaum jemand habe sich gemeldet."

     

    Ist das wahr?

    • @Eichet:

      Mit Sicherheit nicht. Eine Lüge kann man ihm aber auch nicht nachweisen, denn alles hängt davon ab, was man unter "kaum jemand" versteht. Im Vergleich mit den Millionen EU-Bewohnern ist die Zahl der Stellungnahmen von Ausschüssen eben doch sehr übersichtlich.