Wohngeldreform der Regierung: Notwendig, aber nicht nachhaltig
Die Wohngeldreform liefert für viele Menschen eine dringend notwendige Entlastung. Das Problem dahinter, Spekulationen am Wohnungsmarkt, packt sie nicht an.

F angen wir mit dem Status quo an: Eingerollte Decken unter Brücken, Zelte hinter Bahnhöfen. Dass alle Menschen in Deutschland angemessen wohnen, glauben nur noch die, deren Zaun hoch genug ist, um die Misere in den Städten auszublenden. Schon seit Jahren explodieren die Mieten in Deutschland. Im Jahr 2021 gaben 12 Prozent der Mieterhaushalte mehr als 40 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens fürs Wohnen aus. Sprich: Die Situation war schon vor dem russischen Angriffskrieg und den explodierenden Energiepreisen miserabel.
Die Bundesregierung brüstet sich nun mit der größten Wohngeldreform seit 57 Jahren. Und in der Tat: Es ist eine dringend benötigte Reform, die vielen Menschen in der akuten Situation mehr Entlastung verspricht. Neu ist ein dauerhafter Heizkostenzuschlag und es wird erstmals eine Klimakomponente eingeführt, um Mieterhöhungen nach energetischen Sanierungen zu berücksichtigen. Letzteres hat der Deutsche Mieterbund schon seit Jahren gefordert.
Durchschnittlich soll die Reform zu einer Verdoppelung des Wohngeldes führen – das ist nicht nichts. Zwei Millionen Haushalte sollen künftig Wohngeld beziehen können, bislang sind es rund 600.000 Haushalte. Ob alle Wohngeldberechtigten das auch in Anspruch nehmen, steht allerdings auf einem anderen Blatt: Bislang ist das Wohngeld als Bürokratiemonster bekannt.
Bei allen Verbesserungen, die die Reform mit sich bringt: Sie erreicht bei Weitem nicht alle Menschen, die derzeit mit Wohnkosten überlastet sind, dafür ist die Ausgangslage viel zu prekär.
Zudem hat diese Reform noch ein weiteres Manko: Das Wohngeld ist eine staatliche Hilfsmaßnahme, die in der Not zwar konkret hilft, aber nicht das Problem an der Wurzel packt. Wer Mieter*innen dauerhaft entlasten will, muss für bezahlbaren Wohnraum sorgen und den irrsinnigen Mietenanstieg begrenzen. Wenn die Bundesregierung das nicht tut, subventioniert sie letztlich profitorientierte Immobilienbesitzer*innen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen