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„Wir haben es satt!“ fordert AgrarwendeBunter Protest vor dem Kanzleramt

Für eine nachhaltigere Agrarpolitik demonstrierten Tausende am Samstag in Berlin. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir gestand zuvor Fehler ein.

„Rechte Rüben unterpflügen“ steht auf einem Traktor bei der „Wir haben es satt“-Auftaktkundgebung am Willy-Brandt-Haus in Berlin Foto: Alexander Puell / WHES

BERLIN taz | Tausende Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin friedlich und laut für eine nachhaltigere Landwirtschaftspolitik. Ein Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Land­wir­t*in­nen hatte zum 14. Mal zum „Wir haben es satt!“-Protest aufgerufen. Unter dem Motto „Gutes Essen braucht Zukunft – für eine gentechnikfreie, bäuerliche und umweltverträgliche Landwirtschaft!“ zogen die zwischen 7.000 und 8.000 Teilnehmenden unter bunten Fahnen vom Willy-Brandt-Haus in Berlin bis vor das Bundeskanzleramt.

Das Bündnis aus knapp 60 Organisationen, darunter Natur-, Umwelt- und Klimaschutzorganisationen sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), fordert eine „sozial gerechte Agrarwende“, die insbesondere kleinere Landwirtschaftsbetriebe schützt. Es spricht sich gegen Gentechnik aus, für fairere Preise, für Klima- und Umweltschutz und gegen den großflächigen Aufkauf von Agrarland. Die geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel lehnt das Bündnis nicht kategorisch ab, kritisiert aber deren kurzfristige Umsetzung.

Demonstrierende hatten ihre Forderungen schon am Vormittag an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben: Eine Gruppe Land­wir­t*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen war dafür in einem Protestzug von etwa 50 Traktoren vor das Messezentrum in Berlin gezogen, wo seit Freitag die Agrarmesse „Grüne Woche“ stattfindet. Ihre „bäuerliche Protestnote“ hatten zuvor laut eigenen Angaben über 60.000 Menschen unterschrieben.

Trotz aller Kritik blieb die Stimmung vor der Messe ruhig: „Sie sind zum Ankündigungsminister geworden“, warf Inka Lange, Sprecherin des Bündnisses, Özdemir vor. Nur 17 Prozent der im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben seien bisher umgesetzt. Auf der aktuellen Protestwelle müssten jetzt die schon lange bekannten Forderungen umgesetzt werden, ergänzte Anastasia Kühn von der jungen AbL. Es müssten „endlich die Bedingungen für eine Zukunft junger Land­wir­t*in­nen und eine Vielfalt der Höfe geschaffen werden.“

Geteilte Kritik an FDP und SPD

Özdemir bekräftigte bei seiner Rede die Chancen des Moments, warnte zugleich aber vor der Gefahr eines Rechtsrucks: Vom CDU-nahen Deutschen Bauernverband (DBV) und von der Regierung enttäuschte Land­wir­t*in­nen würden „nicht nach links, sondern nach rechts ziehen“. Diese Entwicklung gelte es gemeinsam zu bekämpfen. Er sei zuletzt auf Protesten gewesen, wo der Ton „ein ganz anderer“ gewesen sei, so Özdemir.

Im Zusammenhang mit Subventionskürzungen gestand er stellvertretend für die Ampel-Regierung Fehler ein: „Wenn man was ausgefressen hat, so wie wir in der Regierung, dann muss man Proteste abkönnen“. Langsame Fortschritte im Agrarbereich schob er allerdings auf zähe Verhandlungen in der Koalition: „Was die FDP will, das wissen wir alle. Was die SPD will, da bin ich mir selbst noch nicht so sicher.“

Sozial gerechte Landwirtschaftspolitik

Auf der Wir-haben-es-satt-Demonstration adressierten Red­ne­r*in­nen mehrmals Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch die Protestroute von der SPD-Parteizentrale bis vor das Kanzleramt wurde nicht zufällig gewählt, bestätigte Sprecherin Inka Lange der taz: „Die SPD hat vergessen, was sozial gerechte Politik ist“ – dem Höfesterben sehe der Bundeskanzler einfach zu.

Für die kommende Woche sind weitere Proteste angekündigt, allerdings vom Deutschen Bauernverband, dessen Forderungen mit jenen des „Wir haben es satt“-Bündnisses teilweise unvereinbar sind. Sollten die Sparpläne der Bundesregierung im Agrarbereich nicht vollständig zurückgenommen werden, würden „Nadelstiche, die wehtun“ folgen, so Verbandspräsident Joachim Rukwied. Die aktuellen Proteste seien „nur ein Vorbeben“, bald folge „die Eruption“.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • So wie der Artikel beschrieben ist, richtete sich der Protest nicht gegen die Landwirtschaftspolitik der Regierung (Grüne) sondern gegen all die andere Politik im Kanzleramt (SPD, FDP)

    Die Kritik konkret an der Landwirtschaftspolitik der Regierung ist nicht nachvollziehbar.

  • Die Proteste der Bauern sind berechtigt, auch wenn es letztlich, Dank der FDP und dem CDU-nahen DBV, die Großbauern davon profitieren werden. Dennoch sollte die Ampel ein offenes Ohr für die Sorgen der Kleinbauern haben. Wir können es uns nicht erlauben die Bauernschaft in die Arme der Rattenfänger von AFD zu treiben.



    Im Grunde sind die Kleinbauern die natürlichen Verbündeten der Grünen und ein potenzielles Klientel. Denn beide sind mit der Natur verbunden und beiden liegt es am Tierwohl und Umweltschutz. Das zeigt auch die Bewegung "Wir haben es satt" und bei der Gründung der Grünen waren auch Landwirte beteiligt.



    Jedoch kommen auf dem Lande die Ziele der Öko Bewegung nicht an. Denn es wird nicht die Sprache der Landbevölkerung gesprochen. Statt sich mit unsinnigen Dingen wie das Genderzeichen, was ein Anliegen großstädtiger Intelligenz ist, zu beschäftigen, sollten Öko-Aktivisten ihre Aktivität auf dem Lande verstärken.

    • @Ein-Leser:

      Man muss wohl konstatieren, dass die Grünen sich schon länger von den Kleinbauern und generell von ländlichen Anliegen wegbewegt haben. Und Özdemir wirkt leider oft wie ein Schauspieler und Polittaktiker, anders als damals Renate Künast. Obwohl er die "richtigen" Sachen sagt. taz.de/Interview-m...Oezdemir/!5842467/

  • Kleine Bauern wählten immer die größten Schlitzohren als ihre Vertreter. Jetzt sind die Böden belastet, die Artenvielfalt totgespritzt und kleine Betriebe dicht am Ruin. Damit das auch so weiter geht, muss die Ampel jetzt weg. Bravo!

  • Was erwarten wir von der SPD, einer Industrie geleiteten Partei. Sicher nicht Unterstützung für die Kleinbauern, gleichwohl dies die größte Unterstützung brauchen.