Windräder in der Nordsee: Was Windparks mit dem Meer machen
Eine Studie zeigt: Offshore-Windenergie beeinflusst die Ozeandynamik. Aber Klima- und Naturschutz müssen keine Gegner sein.
Strom aus erneuerbarer Energie ist etwas Gutes; und ohne Offshore-Strom keine Energiewende. Aber die Produktionskapazität vor unseren Küsten soll bis 2045 auf 70 Gigawatt steigen; weite Teile der See sind dafür bereits verplant. Das birgt Risiken und wirft Fragen auf.
Eine davon hat ein Wissenschaftlerteam um Nils Christiansen vom Helmholtz-Zentrum Hereon am Institut für Küstensysteme in Geesthacht jetzt beantwortet. In ihrer Studie „Emergence of Large-Scale Hydrodynamic Structures Due to Atmospheric Offshore Wind Farm Wakes“, Anfang Februar veröffentlicht im Fachmagazin Frontiers in Marine Science, zeigen die Forschenden, wie Offshore-Windparks die Ozeandynamik beeinflussen.
Draußen auf See, bei den stählernen Riesen, von denen manche so hoch sind wie ein 80-stöckiges Haus, war Nils Christiansen noch nicht. „Unser Job war eine Computersimulation“, erklärt der Doktorand der Ozeanografie der taz. „Aber ich würde schon gerne mal hinfahren.“
Der Ozean hat weniger Schub
Die Studie zeigt, was passiert, wenn Wind auf die Türme trifft. Er wird nicht nur verwirbelt. Er wird auch gebremst: Die Turbinen entziehen ihm kinetische Energie. Auf der windabgewandten Seite entstehen Wirbelschleppen, bis zu 70 Kilometer weit. Der Effekt: Der Ozean hat weniger Schub; die Strömung verliert an Geschwindigkeit, wird umgelenkt. Je weniger Strömung, desto weniger Wasserdurchmischung. Je weniger Durchmischung, desto weniger Plankton. Auch Temperaturverteilung und Salzgehalt werden beeinflusst.
Als „dramatische Message“, wertet Professorin Corinna Schrum, Leiterin des Instituts, diese „strukturellen Veränderungen im System“ nicht. Wer jetzt Gravierendes fürchte, etwa dass die Gezeiten künftig nicht mehr einlaufen wie bisher, gehe fehl. „Aber diese Anlagen sind Strukturen, die vorher nicht da waren, und natürlich hat ihr Bau Auswirkungen. Wir werten das nicht. Wir generieren Wissen.“
Schrum und Christiansen geht es darum, Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Das könnte auch die Ausgestaltung von Meeresschutzgebieten betreffen. „Weniger Plankton bedeutet eine geringere Basis für das Leben“, sagt Schrum. Das gelte es zu berücksichtigen. Dass die Daten, auf deren Grundlage Christiansen seine hydrodynamischen Simulationen entwickelt hat, von 2013 sind, beeinflusst die Evidenz nicht: „Sie erlauben generelle Rückschlüsse“, sagt Christiansen. Ein Stück Grundlagenforschung, das praktische Relevanz hat.
Was Christiansen zeigt, ist nicht neu. Aber er gibt dem Geschehen ein Gesicht. Und er weitet den Fokus: „Bisher sind diese Phänomene ja eher lokal betrachtet worden“, sagt er. „Wir haben das großräumiger modelliert, für die gesamte südliche Nordsee.“ Jetzt geht es um Resonanz: „Wir sind international im Gespräch“, sagt Schrum.
Internationalität fordert auch Meeresbiologe Thilo Maack von Greenpeace Deutschland. Sinnvoll für die Offshore-Windenergie in der Nordsee sei ein Gesamtkonzept aller Anrainer: „Wir sollten das zusammen mit Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden tun. Das wäre ein wichtiger Schritt nach vorn.“
Der Zustand der Nordsee ist schlecht
Maack ist sich der Probleme, die von Offshore-Windenergieanlagen ausgehen, sehr bewusst: „Natürlich hat das massive Auswirkungen auf die Meeresnatur.“ Aber er warnt davor, Klima- und Naturschutz gegeneinander auszuspielen. „Es geht nicht darum, das eine oder das andere zu tun, das eine statt des anderen. Es geht darum, beides miteinander zu verbinden.“ Das sei notwendig und auch möglich. „Schlimm wäre, wenn es am Ende wieder heißt: ‚Mist, jetzt kommen diese blöden Naturschützer und bremsen alles aus!‘ Das tun wir nämlich nicht.“
„Besorgniserregend schlecht“ sei der Zustand der deutschen Nordsee, mahnt Maack. Beim Ausbau der Windenergie müsse gelten: „Hände weg von den Schutzgebieten! Und das müssen no take areas sein: Keine Fischerei, keine Förderung von Bodenschätzen! Stattdessen kann man ja Schifffahrtsrouten verkleinern, um mehr Platz zu schaffen.“ Ein Drittel der deutschen Nordsee werde für Windparks gebraucht, schätzt Maack, wenn die Kapazität auf 70 Gigawatt steigt. „Aber dazu muss es ein unabhängiges Begleitmonitoring geben, das es auch zulässt, Ausbauziele anzupassen.“
Dazu dient auch Christiansens Studie. Offshore-Windenergieanlagen zeigt sie als „Hindernisse für Wasser und Luft“; und kein Hindernis bleibt je ohne Folgen. Wer zukünftig Offshore-Windparks plant, tut gut daran, seine Analyse und Visualisierung zu berücksichtigen.
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