Willkommensklassen für Geflüchtete: Jetzt bloß nicht sparen
Berlins Schulen müssen jetzt schnell Strukturen für die Integration ukrainischer Kinder schaffen – auch wenn Vieles unklar ist. Ein Wochenkommentar.
A n dem Konzept der Willkommensklassen, die anderswo als in Berlin etwas weniger euphemistisch Integrationsklassen heißen, scheiden sich die Geister. Die einen finden, damit integriere man geflüchtete Kinder nicht, sondern grenze sie aus. Die anderen, darunter Berlins Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), finden: Jeder „Hauch von Normalität“ ist besser als nichts. Sprich, besser vormittags in die Schule als den ganzen Tag in der Notunterkunft.
Das ist, wenn man mal vom Kind aus denkt, durchaus ein Punkt, in dem Busse Recht haben könnte. Jede Art von Schule ist erstmal besser als keine Schule – weil jede „Normalität“ gut ist, wenn eigentlich gerade gar nichts „normal“ ist. Fürs Fußballspielen auf dem Schulhof muss man noch nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. Kinder integrieren sich sowieso selbstständig, ob nun trotz oder wegen der Existenz von Integrationsklassen.
Die Hauptsache ist deshalb, dass Berlin jetzt weder spart noch zögert beim Aufbau der Willkommensstrukturen in den Schulen. Gerade weil es leicht ist zu sagen: Wir wissen ja gar nicht, wie viele Kinder tatsächlich kommen.
Busses Staatssekretär Alexander Slotty gab am Donnerstag 15.000 Kinder und Jugendliche als Schätzgröße aus; das würde einen Anstieg der gesamten Schüler*innenzahlen um 4,5 Prozent bedeuten. Angesichts des ohnehin schon eklatanten Raum- und vor allem Personalmangels in den Schulen ist das eine Herausforderung – die man sich aber eben nicht ersparen darf. Als Gastgeber, als Einwanderungsland, hat man eine Verantwortung für die Gäste.
Die grüne Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz fordert nun, Berlin müsse wie schon in der Flüchtlingskrise 2015/16 einen „Masterplan Integration und Sicherheit“ neu auflegen: Es brauche zusätzliche Haushaltsmitte für die Schulen – für mehr Schulpsychologie, für Sozialarbeit, für Lehrerfortbildungen zum Ukraine-Krieg. Das könnten die Schulen nicht aus den Geldern stemmen, die sie dafür regulär zur Verfügung haben.
Das Bündnis „Schule muss anders“ aus Lehrkräften, Eltern und Schüler*innen ruft am Samstag zu einer Demo gegen befürchtete Budgetkürzungen in den Schulen. Die Bildungsverwaltung hatte die Schulen Anfang März darüber informiert, dass sie für 2022 lediglich 3.000 Euro im sogenannten Verfügungsfonds haben, und damit ein Vielfaches weniger als bisher. Der Verfügungsfonds ist quasi das „Taschengeld“ der Schulen, das ihnen zur freien Verfügung steht und mithilfe dessen sie etwa Fortbildungen und Schulprojekte unbürokratisch finanzieren können. Derzeit laufen in Berlin die Haushaltsverhandlungen für den Doppelhaushalt 2022/23.
Start ist um 14 Uhr auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Die Abschlusskundgebung ist um 15.15 Uhr vor der Finanzverwaltung in der Klosterstraße in Mitte geplant. (taz)
Tatsächlich stehen aber bei den laufenden Haushaltsverhandlungen gerade für solche Maßnahmen Budgetkürzungen im Raum. Das geht aus einem Schreiben der Senatsbildungsverwaltung an die Schulleitungen von Anfang März hervor.
Mehr Initiative ist gefragt
Nun ist es eine ganz andere Frage, ob die Schulen, so sie denn Geld haben, das auch sinnvoll in Personal investieren können, das im besten Fall Ukrainisch spricht und Deutsch als Zweitsprache unterrichten kann. Vielleicht muss die Bildungsverwaltung sich da auch sehr schnell noch etwas mehr Initiativen überlegen als den Hinweis an geflüchtete ukrainischer Lehrkräfte, man möge sich doch bitte bei der zuständigen Personalstelle in der Verwaltung melden.
Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka hatte in der zurückliegenden Woche für Diskussionen gesorgt, weil sie erklärt hatte, Integrationsklassen seien nicht das Richtige. Salopp gesprochen sagte Tybinka dieses: Da lernen die Kinder nix, und außerdem bleiben sie eh nicht lange in Deutschland, wenn der Krieg vorbei ist.
Mit letzterem könnte sie Unrecht haben, mit ersterem vielleicht gar nicht so sehr. Nun ist es nicht so, dass sich die Bildungspolitik mit dem Hinweis aus der Verantwortung entlassen könnte, irgendwie Schule ist besser als gar keine Schule. Es ist aber auch nicht so schlimm, wenn die Willkommensklassenlehrerin das kyrillische Alphabet nicht beherrscht – so man die Integrationsklassen als einen Zwischenschritt begreift in ein Schulsystem, das deutlich besser ausgestattet werden muss, wenn man es wirklich ernst meint mit der Integration der ukrainischen Flüchtlingskinder.
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