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Wildtiere an SilvesterWohin mit Franz?

Auch die Rücksicht auf Wildtiere ist ein guter Grund, gegen Silvesterböllerei zu sein. Das weiß die Autorin, seit sie einen Igel als Schlafgast hat.

Ein Igel wird von einem ehrenamtlichen Helfer in der Igelstation Berlin-Hermsdorf medizinisch versorgt Foto: Claudia Buse/dpa

Natürlich bin ich schon lange gegen Silvesterböllerei, da geht es mir wie vielen. Das Geknalle die ganze Nacht, die Feinstaubbelastung, der viele Müll, die abgerissenen Gliedmaßen, die Angst der Kriegsflüchtlinge! An Tiere habe ich bislang kaum gedacht: Weder habe ich Haustiere, noch gehe ich in den Zoo, noch lebe ich in einer landwirtschaftlich genutzten Gegend.

Doch nun ist Franz da und ich mache mir große Sorgen. Franz ist ein männlicher Igel aus der Igelstation Hermsdorf und seit wenigen Tagen mein Überwinterungsgast. Sein mit Schredder ausgekleideter Pappkarton, in dem er sich „eingeigelt“ hat, steht im Tomatenhaus in meinem Garten, daneben Trockenfutter und Wasser. In der Igelstation, wo verletzte oder untergewichtige Igel liebevoll aufpäppelt werden, war er am Sonntag noch putzmunter – bei mir ist er bisher kein einziges Mal rausgekommen. Vermutlich ist er angesichts der Außentemperaturen gleich nach dem Einzug in den Winterschlaf gefallen.

Aber was mache ich an Silvester? Von dem Geknalle wird Franz sicher aufwachen! Meine Freundin, die vorigen Winter einen Igel aufgenommen hatte, berichtete an Neujahr, das Tier habe den ganzen Käfig auseinandergenommen: Überall flog Schredder rum und Kacke und Futter, „als ob eine Bombe eingeschlagen wäre“. Nun gut, meine Freundin wohnt im Prenzlauer Berg, ich am Stadtrand. Aber auch die Hermsdorfer Familienväter böllern wie verrückt und die Cantina Mexicana um die Ecke wirbt sogar mit einem Feuerwerk für ihr Silvester-Menü.

Ich könnte Franz natürlich reinholen für die Nacht, das empfehlen Igelfreunde im Internet – zumindest für Tiere, die noch nicht im Winterschlaf sind. Das ist aber genau mein Problem: In welchem Schlafstadium Franz ist, weiß ich nicht genau. Laut Tierschutzorganisation Peta ist das allerdings egal, danach können Tiere durchs Böllern auch aus dem Winterschlaf gerissen werden und womöglich in Panik weg- und unter ein Auto rennen.

Die Gefahr besteht bei Franz, gefangen in meinem Tomatenhaus, zwar nicht. Auch die Bewohner von Zoos und Tierparks haben es insofern besser als wildlebende Wildtiere. Aber der Psychostress bleibt. Darauf weist auch Zoo- und Tierpark-Direktor Andreas Knieriem hin und befürwortet aus Tierschutzgründen ein Böllerverbot in der Berliner Innenstadt. Ich möchte hinzufügen: wieso nur dort? Vergesst den Stadtrand nicht!

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