Werben mit virtuellen Influencern: Sind die bitte echt?
Erste digitale Models und Influencer*innen sind bereits erfolgreich. Aber wie nahbar können KI-generierte und virtuelle Schönheiten sein?
Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.
Die Bilder sind noch nicht perfekt. Hier und da tauschen auch beim besten KI-Modell mal die Füße das Bein. Aber sehr bald schon werden diese Bilder nicht mehr durch bloße Betrachtung unterscheidbar sein. „Bereits heute fällt das nicht mehr leicht“, sagt Niels Pinkwart vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Zurzeit sei die Qualität der Bilder aber noch abhängig vom eingesetzten Aufwand – und damit vom Geld.
Im Influencermarketing, das nach Schätzungen des Technologieanbieters kolsquare allein in Deutschland 1,4 Milliarden US-Dollar wert sein soll, steckt genau das. Zwischen 250 und 5.000 Dollar sei Marken ein einzelner Post wert. Virtuelle Influencer*innen sind laut Jeanette Okwu vom Bundesverband Influencermarketing deswegen schon jetzt ein wachsender Trend. Die Figuren brächten den Marken größere Kontrolle – und auch die Möglichkeit, „kuratierte Influencer-Persönlichkeiten für jedes Zielsegment“ zu erschaffen.
Erste Versuche gibt es: Sie heißen Emily Pellegrini, Aitana Lopez oder Sika Moon und sehen seltsam glatt und charakterlos aus. Ausnahmslos sind sie weiblich, haben übermenschliche Körper und oft ziemlich wenig an. Vielleicht blieben deshalb die großen Marken-Deals bisher aus. Nutzer*innen kommentieren die Bilder trotzdem: „Manche sind einfach gesegnet“, oder „Du bist wunderschön“ steht darunter.
Lässig posieren die animierten Models
Deutlich erfolgreicher ist da Lil Miquela, 2,6 Millionen Follower, die auf dem Bild mit „ihrem“ neuen Elektroauto einen Kussmund in Richtung Betrachter*in wirft, lässig für eine globale Modemarke modelt oder mit ihrem real existierenden Friseur posiert. Miquela ist kein KI-Produkt, sondern aufwendig digital animiert. Genau wie Shudu.gram, 240 Tausend Follower*innen – laut der dahinterstehenden Agentur das „weltweit erste digitale Supermodel“.
Auf Shudus Instagram-Kanal sind fotorealistische Bilder wie vom Cover eines Hochglanzmagazins zu sehen: eindrucksvolle Kleider, harte Schlagschatten, gezielt eingesetzte Farben, die perfekte Haut – und Proportionen wie von einer Barbiepuppe. Der ist sie laut ihrem Schöpfer Cameron-James Wilson auch nachempfunden. „Das schreit Luxus“, kommentiert jemand unter einem Werbebild für ein High-Fashion-Label. „Der schönste Mensch, den ich je gesehen habe. Die Haut und alles, das gibt so viel!“.
Daneben ein vermeintlicher Schnappschuss: Shudu beim Kaffeetrinken mit ihrem Kollegen, auch der makellos schön. Die sorgsam kuratierte Bildunterschrift sagt, Shudu hätte ein total inspirierendes Buch gelesen. „Sind die beiden echt? Die Haut leuchtet. Ich liebe es! Sind die bitte echt?“ fragt eine Nutzerin.
Für den gewünschten Effekt müssen Influencer*innen nicht nur schön sein, sondern auch nahbar. Damit haben die KIs zurzeit aber noch ihre Probleme. Denn so wie ChatGPT Regelmäßigkeiten in der Sprache erkennt und damit am Ende wahrscheinliche Wörter errechnet, produzieren KIs wahrscheinliche Bilder.
KI-Influencer*innen zu glattpoliert
Anhand einer kurzen Texteingabe, dem Prompt, schälen die als Diffusoren bezeichneten Bildgeneratoren aus einem Bildrauschen, wie man es von alten Röhrenfernsehern kennt, in vielen kleinen Schritten immer wieder das nächstwahrscheinliche Bild heraus. Aus riesigen Datenmengen haben sie zuvor wahrscheinliche Muster gelernt. Oft ist das Ergebnis recht schön, selten überraschend, häufig stereotyp und meistens ziemlich glatt poliert. Ob Midjourney, Stable Diffusion oder Dall-E – das eint die Modelle alle: Irgendetwas fehlt.
Lange wird das allerdings nicht so bleiben. Während die KI-Modelle zunehmend besser werden, experimentieren Nutzer*innen in Foren mit Prompts und Zusatzprogrammen, mit Kontrollnetzwerken und Anpassungsmodellen. Sie haben ein großes gemeinsames Ziel: Aufwendig bügeln sie Unregelmäßigkeiten in die digital-glatte Haut hinein – für ein bisschen Charakter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken