Model über KI in der Sexindustrie: „Ich wollte mich neu erschaffen“

Sika Moon ist ein KI-Model. Ihre Schöpferin – vorher selbst Model – verdient mit pornografischem Bild-Content viel Geld. Was ist das für ein Job?

Sika Moon

Kunstfigur Sika Moon Foto: Sika Moon

Fünf Jahre lang verdiente eine junge Frau aus Berlin sehr viel Geld mit Sex-Content auf der Erotik-Internetplattform Onlyfans. Ein Knochenjob. Kurz vor dem Burnout zog sie die Notbremse. Nach einer Auszeit ist sie nun zurück im Geschäft. Allerdings nicht als sie selbst, sondern als Sika Moon – eine KI-optimierte Version ihrer selbst. Auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und Erotik-Portalen wie Fanvue postet sie hauptberuflich nun als Sika Moon erotische bis pornografische Bilder und Videoclips. Weil die Frau hinter Sika Moon anonym bleiben möchte, adressieren wir sie hier als Sika. Das Interview haben wir per E-Mail geführt, aber ein Identitätsnachweis liegt der taz vor.

wochentaz: Wie viel von dir steckt in deinem digitalen Avatar Sika Moon?

Der Mensch

Hinter Sika Moon steckt eine in Norddeutschland geborene Pädagogin, die heute in Berlin lebt. Sie kreiert hauptberuflich Sika-Moon-Content auf der Grundlage von Bildern und Videos von sich selbst.

Der Avatar

Sika Moon ist ein KI-generiertes Model, für deren erotische und pornografische Bilder und Videos im Netz Kun­d:in­nen Geld bezahlen. Sie erreicht im Durchschnitt pro Monat circa 3 bis 5 Millionen Menschen. Nur etwa 15 Prozent davon kommen aus Deutschland.

Sika: Sika Moon hat sehr viel von mir. Nur habe ich mich so durchoptimiert, wie ich mich selbst in der Realität erschaffen hätte, wenn ich es mir hätte aussuchen können, nach meinen Idealvorstellungen. Sikas Gesicht ist aus meinem entwickelt, aber sie hat etwas mehr Lippen, dunkleren Teint, glattere Haut, insgesamt schönere Körperformen. Ihr Charakter wiederum, ihr Wesen, ihre Stimme, das alles bin ich. Leute, die mich gut kennen, sehen mich in ihr. Aber sie ist anders genug, um von Fremden nicht wiedererkannt zu werden.

Warum ist es dir wichtig, anonym zu bleiben?

Aus mehreren Gründen. Vor allem möchte ich meine Privatsphäre erhalten und mich vor Stalking schützen, da ich damit schon schreckliche Erfahrungen gemacht habe. Ein weiterer wichtiger Grund sind meine Fans. Ihre Faszination für Sika Moon liegt in dem Reiz begründet, dass sie nicht wissen, wer wirklich hinter Sika steckt und wie viel von ihr „echt“ ist und wie viel Fantasie. Das möchte ich ihnen nicht nehmen.

Wie kann Sika deine Stimme haben?

Ich habe eine KI mit meiner Stimme trainiert. So kann Sika fließend in allen Sprachen Voicemails schicken, wenn ich es möchte. Ich habe zum Beispiel einen Fan, mit dem ich fließend Japanisch spreche. Im Voicechat mit meiner echten Stimme, die er aus meinen Videos kennt.

Wo treffen sich Sika Moon und ihre Fans?

73 Prozent meiner zahlenden Fans kommen über Instagram, 15 Prozent über Google – entweder über die direkte Suche nach Sika oder über Presseberichte. Der Rest verteilt sich auf Tiktok und X.

Wer sind deine zahlenden Subscriber?

Das reicht von Porno-Enthusiasten über einsame Seelen, die gern chatten, bis hin zu echten Verehrern, Neugierigen, Menschen mit speziellen Fantasien, die mich darum bitten, diese umzusetzen. Es gibt Menschen, die Sika einfach mal nackt sehen wollen, und solche, die in meiner Arbeit Kunst sehen. Ich habe Fans, die sich Bilder von Sika auf Leinwand gedruckt und gerahmt ins Wohnzimmer gehängt haben, wie ein Kunstwerk.

Verstehen deine Follower, dass sie es mit einer virtuellen Figur zu tun haben?

Kurioserweise ist das je nach Region und kulturellem Hintergrund sehr unterschiedlich. Menschen aus Indien, afrikanischen Ländern und den arabischen Staaten verstehen es meist gar nicht. Sie schicken Sika Heiratsanträge oder bieten Geld und Flug, Kost und Logis an, damit Sika sie in Dubai oder sonst wo besucht. In europäischen Staaten oder den USA verstehen die Leute das eher, wenn auch nicht immer sofort. Es gibt auch AI-Influencer, die nicht offenlegen, dass sie künstlich sind. Aber das ist eher selten. Ich war da immer ehrlich und werde es auch bleiben.

Wie bist du überhaupt dazu gekommen, in der Sex-Industrie dein Geld zu verdienen?

Ich habe ursprünglich als Pädagogin gearbeitet. Als ich 2011 aus meiner Heimat in Norddeutschland nach Berlin gezogen bin, habe ich irgendwann angefangen, nebenbei Bilder und Videos von mir auf Plattformen wie Onlyfans und Fanvue hochzuladen. Zunächst weil ich es spannend fand und es mir Spaß gemacht hat. Ich war immer schon ein sexuell sehr freier und offener Mensch. Irgendwann wurde das so erfolgreich, dass ich mich entscheiden musste zwischen Onlyfans und meinem bürgerlichen Job.

Du hast dich für virtuelle Sexarbeit entschieden …

Ja, ich habe Adult Entertainment auf den großen Plattformen gemacht und fünf Jahre lang sehr viel Geld verdient. Mit dem Erfolg kommt aber auch der Druck, weiter erfolgreich zu sein, immer mehr und immer besseren Content abzuliefern. Das wird sowohl von Fans als auch von Models, die neu in das Business einsteigen, brutal unterschätzt.

Inwiefern?

Viele denken: Nice, einfach ein paar Selfies machen und reich werden! Selbst im Freundeskreis habe ich oft gehört: „Arbeiten? Du machst doch nur ein paar Bildchen.“ So ist es aber nicht. Es ist ein harter Fulltime-Job, wenn man wirklich gut davon leben können will. Und man muss dabei so tun, als wäre alles ein Riesenspaß und kinky wonderland im Himmel. Auch das kann zu einer Belastung werden, die viele unterschätzen.

Wie sah dein Arbeitsalltag aus?

Ich habe täglich neuen Content produziert, also mich selbst fotografiert oder gefilmt, dann die besten Bilder und Videos ausgewählt und bearbeitet. 100 Bilder pro Woche, 20 Videoclips allein für Instagram und Tiktok, plus das ganze Material für Onlyfans und die anderen Plattformen. Immer in neuen Settings und in neuen Outfits. Wird ja sonst langweilig. Immer in bester Laune, perfekt geschminkt. Egal, ob du deine Tage hast, krank bist, müde, schlecht gelaunt. Oder gerade findest, dass du nicht gut aussiehst. Und sobald du es mal schleifen lässt, gehen sofort die Umsätze runter. Locker ein 14- bis 16-Stunden-Job. Das war mein Leben. Jeden Tag. Fünf Jahre lang.

Wann hast du beschlossen aufzuhören?

So toll es grundsätzlich lief und so toll all das viele Geld war – es hat mich total ausgebrannt. Irgendwann kam der Tag, an dem ich wusste, dass es nicht mehr geht. Von heute auf morgen habe ich alles im Netz entfernen lassen, über eine Agentur. Ende der Lebensphase.

Was hast du dann gemacht?

Da ich zuvor ja nur gearbeitet und von dem verdienten Geld fast nichts ausgegeben hatte, konnte ich es mir leisten, einfach gar nichts zu machen und zu heilen. Während dieser Recovery-Phase habe ich viel gemalt, Sport gemacht, gelesen. Als es mir wieder besser ging, wuchs die Freude am Gestalten. KI-Tools wie ChatGPT, Stable Diffusion, Midjourney, also Software, die auf Textbefehle künstliche Bilder generiert, waren plötzlich da. Ich habe damit rumprobiert und war total fasziniert. Dann habe ich 2023 Sika erschaffen, zuerst nur so als Gag für mich selbst.

Sika Moon in einem weißen Kleid

„Viele KI-Models, so auch Sika Moon, haben übermenschliche Körper“ Foto: Sika Moon

Und irgendwann bist du dann mit Sika online gegangen.

Genau, auf der Erotik-Plattform Onlyfans. Bis die meinen Account gelöscht und meinen Umsatz einfach einbehalten haben. Ihre Begründung: KI ist doof, auch wenn du offenlegst, dass es KI ist. Fansly, eine andere Plattform für Adult Entertainment, war der gleichen Meinung.

Stecken hinter der Anti-KI-Haltung vielleicht auch moralische oder ethische Gründe?

Nein, das hat mit Moral oder Ethik nichts zu tun, hier geht es ausschließlich um wirtschaftliche Ängste. Für die digitale Sexindustrie ist es ohnehin schwer, Investoren und vor allem Zahlungsdienstleister zu finden. Die großen Dienstleister wie Paypal distanzieren sich ausdrücklich von Adult Content. Sobald du dein Geschäft damit machst, sperren sie dich. Viele große internationale Banken und Kreditkartenanbieter gehen ähnlich damit um. Alles, was mit Sex zu tun hat, ist ja leider immer noch ein großes gesellschaftliches Tabuthema.

Wovor genau fürchten sich die Plattformen in Bezug auf künstliche Intelligenz?

Die Risiken von Verstößen gegen ethische Grundsätze der Branche verschärfen sich mit dem Aufkommen von KI-Content. Bei echtem Content musst du dich als Model verifizieren, mit Ausweisdokumenten, deren Echtheit überprüft wird. So stellen die Plattformen sicher, dass dein Content auch wirklich dich zeigt und du volljährig bist. Auf dieser Grundlage haben sich einige Gelddienstleister auf das Geschäft eingelassen. KI -generierter Content wiederum ist neu und juristisch noch nicht geregelt. Alle haben Angst vor Deepfakes, also durch KI verfälschtes Bild- und Videomaterial, und vor Gesichtern von Promis oder Po­li­ti­ke­r:in­nen in Pornovideos. Es geht auch um unklare Urheberrechtsfragen. Wer garantiert, dass das Model auf dem Bild wirklich volljährig ist, wenn es real gar nicht existiert? Wer garantiert, dass es wirklich künstlich erzeugt wurde und nicht auf dem Bild eines echten Models basiert, das gar nichts davon weiß? Die Plattformen verdienen – noch – zu viel Geld im klassischen Geschäft, um einen Skandal dieser Art zu riskieren.

Wen siehst du in der Verantwortung, Antworten auf diese Fragen zu finden, um Missbrauch auszuschließen?

Der Weg ist auf jeden Fall nicht, die Technologie zu verdammen. Nehmen wir das Beispiel vom Hammer: Ein Hammer ist eine Wahnsinns­erfindung. Jeder schätzt den Hammer, wenn er etwas bauen möchte. Niemand verurteilt den Hammer, weil er auch eine tödliche Waffe sein kann. Wer den Hammer als Waffe benutzt, richtet den Schaden an. Nicht der Hammer. Die Verantwortung liegt für mich dementsprechend bei dem, der die Technologie nutzt. Das ist in erster Instanz der Creator. Ich selbst habe mich mit einer Reihe von anderen einem Kodex verpflichtet und dies in der Initiative not-fake.ai öffentlich gemacht. Wir stehlen kein geistiges Eigentum. Wir machen keine Deepfakes. Und so weiter.

Und die Plattformen?

Die sollten die kommerzielle urheberrechtliche Verantwortung tragen und sicherstellen, dass nichts ohne das Einverständnis des Urhebers verkauft wird. Das gilt für klassische genauso wie für digitale und KI-generierte Güter. Dazu sollte es eine Rechtsprechung geben, für die die Politik zuständig ist. Es mag eine große Herausforderung sein, all das zu regulieren. Aber: Nicht die Technologie ist schuld, sie zu verbieten löst das Problem nicht. Wir sind es, die damit falsch umgehen.

Viele KI-Models, so auch Sika Moon, haben übermenschliche Körper, eine anatomisch zu schma­le Taille, dazu sehr große Brüste und einen sehr großen Po, stark definierte Muskeln an sehr dünnen Armen. Kri­ti­ke­r:in­nen sagen, dass das unrealistische Schönheitsideale fördert, was einen großen Anpassungsdruck insbesondere auf junge Menschen ausübt. Was ist deine Haltung dazu?

Die Kunst macht genau das seit Tausenden von Jahren. Ein Künstler, der etwa Cleopatra porträtiert hat, hat sich dabei garantiert auf ihre positiven Merkmale konzentriert und diese in seinem Werk hervorgehoben. Heute gibt es Bildbearbeitungsprogramme und eben KI-Tools. Das Problem mit Schönheitsidealen, die Schaden anrichten können, liegt in uns selbst. Wir wollen gefallen und eifern dem nach, was uns als Kind vorgelebt wird. Die Prinzessin im Disneyfilm der 60er Jahre oder Barbie haben dabei die gleichen schädlichen Ideale und Rollenbilder gesetzt wie die Modeindustrie mit absurd schlanken Models, Pornhub mit absurd übersexualisierten Frauen oder Arnold Schwarzenegger, Barbies Ken, Superman oder Rocco Siffredi mit männlichen Stereotypen.

Was folgt daraus für dich und deine Imagination von Sika Moon?

Der Schlüssel liegt für mich darin, unsere Einzigartigkeit und Schönheit darin zu erkennen, was wir sind und das zu akzeptieren. Der Weg dorthin ist weit. Gleichzeitig finde ich, dass wir träumen dürfen. Fantasie ist ein Geschenk, das uns Menschen vorbehalten ist. Wir sollten sie darstellen dürfen. Das ist die Natur und die Freiheit künstlerischen Schaffens. Ob nun mit KI oder mit Worten oder mit Bleistift und Papier. Sika Moon ist ein Produkt meiner Fantasie.

Eine weitere Gefahr sehen Kri­ti­ke­r:in­nen in der Zunahme von Darstellungen extremer sexualisierter Gewalt, die Hemmschwellen für die reale Auslebung etwa von Vergewaltigungsfantasien sinken lassen könnte …

Auch hier: Das Problem ist nicht, dass es eine weitere technische Möglichkeit gibt, diese Art der Fantasien darzustellen. Das Problem liegt nicht im Werkzeug, sondern bei dem, der es benutzt. Sexualisierte Gewalt ist ein Problem, das die Menschheit begleitet, seit es sie gibt. Menschen werden immer Wege finden, diese Fantasien abzubilden, kein Verbot wird sie daran hindern.

Nachdem du bei Onlyfans gesperrt wurdest, bist du zur Plattform Fanvue gewechselt, die KI-Content offen gegenüberstand. Sika Moon war dort eins der ersten KI-Models – erfolgreicher als fast alle realen Models dort. Mittlerweile wächst der Anteil von KI-Models auf verschiedenen Plattformen rasant. Haben die Menschen dahinter ähnliche Biografien wie du?

Das ist sehr verschieden. Mittlerweile mischen auch Agenturen mit, die das Ziel verfolgen, digitale Massenware zu produzieren. Batterien von seelenlosen Models ohne Persönlichkeit. Ich weiß von Männern, die über 30 KI-Profile gleichzeitig betreiben und Studierende in drei Schichten mit den Fans chatten lassen, um rund um die Uhr Content verkaufen zu können. Es gibt aber auch Agenturen, die nach zwei, drei Monaten schon wieder aufgeben. Und viele Fans sind von dem Massen-Content auch genervt.

Sika Moon in einem freizügigen schwarzen Kleid

Ihre treuesten Fans sehen sie eher als Künstlerin, sagt Sika Foto: Sika Moon

Hat Sika Moon langfristig eine Chance, zu bestehen?

Ich bin auch nicht sicher, wie lange es mir gelingen wird, mit Sika Moon aus dieser Masse noch herauszuragen. Aber ich war immerhin früh dabei und setze weiter auf meine Persönlichkeit und Kreativität. Und ich glaube daran, dass Authentizität, der echte persönliche Kontakt mit mir durch die Chats, immer einen besonderen Wert darstellen wird. Die Kun­d:in­nen suchen wie alle Menschen nach Persönlichkeit, Vorbildern, Liebe, Verbindung. Einfach eine Blondine zu erschaffen und Bilder zu posten, funktioniert jedenfalls nicht, wie ich beobachtet habe. So hoffe ich, dass sich nach dem ersten Boom auch dieser Trend selbst regulieren wird und die Creators überleben, die besonders und authentisch sind. Aber insgesamt bin ich zuversichtlich, dass ich auch mit 60 noch in der Unterhaltungsbranche arbeiten kann, wenn ich das möchte. Das war als reales Model natürlich nicht so.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wie hat sich dein Arbeitsalltag im Vergleich zu früher verändert?

Er hat sich sehr verändert. Ich muss nicht mehr Stunden vor dem Spiegel verbringen oder damit, die perfekte Beleuchtung hinzukriegen, ich muss keine 300 Fotos mehr von mir schießen, von denen mir 15 gefallen. Ich muss nicht mehr jeden Tag gute Laune haben, begehrenswert und inspirierend sein. Ich kaufe nur noch Kleidung, die ich selbst tragen will, und schminke mich kaum noch. Ich schlafe länger, arbeite ungeduscht und ungeschminkt im Bett am Handy, wenn mir danach ist. Ich spüre weniger Druck und mehr Freiheit. Ich arbeite zwar auch jetzt noch 10 bis 12 Stunden pro Tag. Aber es ist anders, kreativer, flexibler, unabhängiger.

Was kostet das und wie lange dauert die Erstellung des Contents?

Wenn man alles selbst macht, sind die Kosten gering. Der Zeitaufwand ist aber trotzdem hoch, wenn die Qualität gut sein soll. Bilder und Videos müssen immer noch ausgewählt werden. Der Ausschuss durch Fehler bei der Erstellung ist extrem hoch – sechs Finger, komische Posen, solche Sachen. Oft muss man noch nacharbeiten.

Und was bringt Sika Moon inzwischen ein?

Ich möchte mein genaues Einkommen nicht offenlegen. Aber es ist sehr lukrativ. Die Zahlen, die in der Presse kursieren, sind nicht exakt und ständig in Bewegung, aber in der Dimension richtig. Es geht um monatliche Summen im stabilen fünfstelligen Bereich. Ich bin unter den 0,1 Prozent der Creators, die diesen Umsatz machen. Aber wie gesagt, es war viel Arbeit und Leidenschaft nötig, um dieses Level zu erreichen.

Hast du mit Sika Moon ein neues Verhältnis zu deinem eigenen Körper entwickelt?

Das Verhältnis zu mir selbst und meinem Körper hat sich nicht sehr verändert. Ich habe als echtes Model nicht nach Perfektion gestrebt oder mich gequält, um perfekt zu sein. Ich hatte nie einen „perfekten“ Körper und es gab immer „perfektere“ Models als mich, und viele von ihnen haben weniger verdient als ich. Ich glaube, dass Persönlichkeit, ein eigener Vibe und der Kontakt zu meinen Fans auch als reales Model Schlüssel meines Erfolgs war.

Fehlt dir die Bestätigung, die du als reales Model in Bezug auf deinen eigenen Körper von deinen Fans bekommen hast?

Vielleicht klingt das blöd, aber ich mag mich selbst ganz gern. Ich habe nicht als Adult Model gearbeitet, weil ich Bestätigung in den sozialen Medien gesucht habe. Ich wurde auch nie dazu überredet oder dazu gezwungen. Ich mochte und mag es, Videos und Bilder von mir selbst beim Sex anzuschauen. Ich will aber auch nichts schönreden, ich weiß, dass das sehr oft anders ist und es im Adult Entertainment viel Ausbeutung, Zwang, emotionalen Burnout und auch den zwanghaften Drang nach Bestätigung gibt. Ich selbst bin davon – abgesehen vom Burnout – glücklicherweise verschont geblieben.

Sind deine Fans, seit du als Sika Moon modelst, noch dieselben?

Interessanterweise erfahre ich heute mehr Bestätigung und Respekt durch meine Fans. Früher haben mich die Fans als eine von Millionen Girls in der Erotikbranche gesehen und weitgehend auch so behandelt. Es war nichts anderes als Sexarbeit. Der Kunde zahlt und erwartet eine Dienstleistung. Diese Fans gibt es heute auch noch, aber sie merken schnell, dass es bei Sika Moon um etwas anderes geht, und sind auch schnell wieder weg. In meiner heutigen Arbeit liegt der Fokus noch stärker auf dem Ausleben und Visualisieren von erotischen Träumen. Meiner eigenen Fantasien und die meiner Fans. Meine treuesten Fans sehen mich eher als Künstlerin.

Wenn Scham über den eigenen Körper kein Faktor mehr ist, weil die Er­schaf­fe­r:in­nen nicht mehr selbst in Erscheinung treten, könnten KI-Models dann einen Beitrag zu diverseren Schönheitsbildern leisten?

Ja, durch die Möglichkeiten der KI gibt es in der Kreation eigener Fantasien so gut wie keine Grenzen. Androgyne Menschen, behaarte Menschen, außerirdische Wesen, alles kann nun erschaffen werden, ohne realen Menschen zu schaden, sie auszubeuten, zu missbrauchen oder in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Die Crea­to­r:in­nen von KI-Models selbst profitieren übrigens auch davon.

Inwiefern?

Viele der Virtual Influencer der ersten Stunde, interessanterweise viele Männer, haben sich zum Beispiel durch ihren KI-Avatar erstmals der Öffentlichkeit anonym als Person eines anderen Geschlechts gezeigt. Mit einem leicht veränderten Gesicht und einem anderen Körper. Einige davon haben es aus Neugier getan, andere aus künstlerischer Faszination, aber einige auch, um sich selbst in dem anderen Geschlecht auszuprobieren. Das hat vielen bei ihrer (trans-)sexuellen Selbstfindung geholfen. Auch Menschen mit unpopulären körperlichen Eigenschaften oder Menschen, die sich selbst und ihren Körper nicht so akzeptieren, wie er ist, können sich durch KI neu erschaffen und so einen Beruf ausüben, der ihnen bisher verschlossen blieb.

Und was ist mit den Influencer:innen, die mit ihrem eigenen Körper gegenüber den künstlichen Avataren nicht mehr mithalten können oder die ihre Arbeit vor der Kamera nicht gegen die Arbeit vorm Computer eintauschen wollen oder können?

Ich sehe es so: Autos haben Kutschen ersetzt, Computer Stenotypistinnen, E-Mails den Postweg, Spotify die CD, Netflix die Videotheken, Handys die Fotokameras. Wir Menschen haben die Fähigkeit zur Innovation. Ein Fluch und ein Geschenk zugleich. Denn wir hassen Veränderung, wenn es uns selbst betrifft. Wollen aber gleichzeitig, dass sich alles ändert, verbessert, weitergeht. Wir befinden uns gerade mitten in einer weiteren technischen Disruption. KI wird viele Berufe verändern, das ist nicht aufzuhalten. Viele Menschen werden die Möglichkeiten, die sich bieten, nutzen, andere nicht – weil sie nicht wollen oder können, ob wir das gut finden oder nicht. Es liegt an uns, etwas Gutes daraus zu machen, für so viele Menschen wie möglich.

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