Weniger Umweltregeln bei Agrarsubvention: Deutschland sagt wohl nicht Nein
Die Regierung wird sich wahrscheinlich bei der EU-Abstimmung über den Stopp der „Pflichtbrache“ für Bauern enthalten. Damit rechnet Minister Özdemir.

Die EU-Staaten müssen demnächst darüber entscheiden, ob Empfänger der wichtigsten Agrarsubventionen, der Direktzahlungen, jetzt doch nicht mindestens 4 Prozent ihrer Ackerfläche etwa für Brachen und „Landschaftselemente“ wie Hecken oder Baumreihen reservieren müssen. Das Europäische Parlament hat bereits sein Okay gegeben und damit auch auf die Bauernproteste der vergangenen Monate reagiert.
Dabei war die „Pflichtbrache“ für Naturschützer einer der wenigen Fortschritte bei der vergangenen Reform der EU-Agrarsubventionen, die pro Jahr rund 55 Milliarden Euro und etwa in Deutschland die Hälfte des Einkommens des Durchschnittshofs betragen. Der Naturschutzbund beispielsweise fordert, dass die Bundesregierung gegen die Aufhebung der Pflichtbrache stimmt. Denn die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.
Özdemir verteidigte die voraussichtliche Enthaltung der Regierung auch damit, dass die anderen 26 EU-Länder zustimmen würden. Wenn er sich enthalte oder mit Nein votiere, ändere das nichts. Umweltschützer argumentieren dagegen, dass sich an Deutschland andere EU-Staaten orientierten und so möglicherweise doch eine Sperrminorität zustande käme. Die FDP hatte jedoch bereits im Februar „den generellen Verzicht auf die Flächenstilllegung“ gefordert.
Mehr Geld für Ökoregelungen statt für Direktzahlungen
Özdemir will die Debatte aber nun nutzen, um mit mehr EU-Agrarsubventionen Leistungen von Bauern für die Umwelt zu honorieren. „Ich nehme einen bestimmten Teil der Direktzahlungen, und das mache ich zum Beispiel in den Dauergrünlandprämien. … oder ich mache Biotopvernetzung“, sagte der Minister. So könnten Landwirte „attraktive Öko-Prämien“ dafür bekommen, dass sie die Artenvielfalt fördern. Özdemir räumte ein, dass die Prämien für neue Ökoregelungen erst einige Zeit nach dem Wegfall der Pflichtbrache kommen würden.
Die Direktzahlungen werden vor allem pro Fläche ausgeschüttet, weitgehend egal, wie umweltfreundlich darauf gewirtschaftet wird. Über die genaue Verteilung entscheidet jeder Mitgliedstaat im Rahmen der EU-Verordnungen für sich. Dauergrünland wie Acker und Weiden bietet Lebensraum für besonders zahlreiche Pflanzen- sowie Tierarten und speichert viel Treibhausgas. Diskutiert wird zum Beispiel, dass Bauern extra Geld erhalten, wenn sie Grünland höchstens zwei mal pro Jahr mähen.
Die Landwirtschaft verursacht inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der deutschen Treibhausgase.
Sebastian Lakner, Agrarökonom der Universität Rostock, begrüßte, dass der Minister mehr Direktzahlungsgeld für Öko-Regelungen nutzen will: „Das ist eine Empfehlung der Wissenschaft, aus der Özdemir jetzt relativ spät Konsequenzen zieht.“ Aber es bleibe abzuwarten, ob die neuen Prämien genauso stark der Artenvielfalt dienen werden, wie es die Pflichtbrache getan hätte. „Es kommt darauf an, dass die Anforderungen der einzelnen Öko-Regelungen hoch genug sind, um einen ökologischen Mehrwert zu erzielen“, sagte Lakner der taz.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier