Wenig Nachfrage nach grünem Wasserstoff: EU-Wasserstoff-Ziele auf der Kippe
Erneuerbarer Wasserstoff soll der Industrie helfen, die Klimaziele zu erreichen. Der EU-Rechnungshof bemängelt: Das Vorhaben läuft nicht nach Plan.
![EU-Flaggen vor der Europäischen Kommission EU-Flaggen vor der Europäischen Kommission](/picture/7124765/624/35533712-1.jpeg)
Die EU-Kommission wird ihre Ziele zur Erzeugung und zum Import von grünem Wasserstoff voraussichtlich nicht erreichen Foto: dpa
LUXEMBURG dpa | – Die von der EU-Kommission ausgegebenen Ziele zur Erzeugung und zum Import von grünem Wasserstoff werden laut EU-Rechnungshof voraussichtlich nicht erreicht. Zwar habe die Kommission richtige Schritte unternommen auf dem Weg zu einem gerade erst entstehenden Markt für erneuerbaren Wasserstoff, heißt es in einem Bericht der EU-Prüfer mit Sitz in Luxemburg.
Allerdings gebe es entlang der gesamten Wertschöpfungskette noch Probleme. „Es drohen der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neue strategische Abhängigkeiten“, warnen die Prüfer. Sie fordern die Kommission nun auf, ihre Wasserstoffstrategie zu aktualisieren. Die Brüsseler Behörde müsse sicherstellen, dass die Ziele sich verwirklichen ließen.
Grüner Wasserstoff – also solcher, der mit erneuerbaren Energien hergestellt wird – gilt als Hoffnungsträger der Energiewende. Grundsätzlich kann Wasserstoff als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen, um etwa in Industrie und Verkehr Kohle, Öl und Erdgas abzulösen. Seine Herstellung ist aber sehr energieintensiv und derzeit noch deutlich teurer im Vergleich zu fossilen Energieträgern.
Die Europäische Kommission sei bei der Festlegung der Ziele für die Nachfrage von erneuerbarem Wasserstoff zu ehrgeizig gewesen, monieren die Prüfer. Bis 2030 sollen 10 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt und 10 Millionen Tonnen importiert werden. Diese Ziele hätten aber nicht auf einer soliden Analyse beruht, sondern seien von politischem Willen geleitet gewesen, heißt es in der Mitteilung des Rechnungshofs. In seiner Analyse geht der Hof davon aus, dass bis Ende des Jahrzehnts nicht einmal 10 Millionen Tonnen nachgefragt werden.
Investitionsentscheidungen verschoben
Ebenso bemängeln die Prüfer, dass die Einigung darüber zu lange dauerte, was genau unter erneuerbarem Wasserstoff zu verstehen ist und welche Vorschriften für ihn gelten. Viele Investitionsentscheidungen seien dadurch verschoben worden. Auch Projektentwickler schöben Investitionsentscheidungen auf, da das Angebot von der Nachfrage abhänge und umgekehrt.
In einer Reaktion auf den Bericht versicherte die Europäische Kommission, die Nutzung und die Akzeptanz von erneuerbarem und kohlenstoffarmem Wasserstoff in Europa zu beschleunigen und weiterzuentwickeln.
„Die Kommission wird weiterhin mit den Interessengruppen zusammenarbeiten, um unsere Ambitionen in die Tat umzusetzen“, teilte ein Sprecher mit. Es sei klar, dass sich das Wasserstoff-Ökosystem schrittweise entwickeln werde. Wie schnell, sei von Sektor zu Sektor unterschiedlich – ebenso möglicherweise auch von Region zu Region.
Leser*innenkommentare
EIN MANN
„Es drohen der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neue strategische Abhängigkeiten“
Oh, immerhin scheint man ja so etwas schon zu ahnen, dass das passieren könnte.
Solche Dinge zu hinterfragen war doch sonst nur Schwurblern und Klimaleugnern vorbehalten.
Lustig, dass solche Sachen dann immer einige Zeit nach den Beschlüssen der Verantwortungsträger in ihren Wolkenkuckucksheimen oder Elfenbeintürmen von den Leuten bemerkt werden, die berufsbedingt rechnen können müssen.
Aber keine Sorge, die Elfenbeintürmler haben bestimmt schon den Nachfragebooster für die grünen wasserstoffbasierten Sachen im Köcher: Da war doch was, mit Vorschreiben, dass die Autobauer mindestens 40 % mit Wasserstoff produzierten Stahl einzusetzen haben in ihren Elektroautos. Und da fällt denen bestimmt noch viel mehr ein, was man noch regulieren könnte.
Und am Ende: Huch, das kommt jetzt alles aus China (Indien, Korea, oder sogar vom Erbfeind Russland)? Und das Geld für all die schönen Projekte ist auch dort?
H2Wirtschaft
Dieser Artikel in der taz erklärt das grundsätzliche Problem:
"Wasserstoffprojekt abgebrochen: Elektrolyseur ist einfach zu teuer "
taz.de/Wasserstoff...ebrochen/!5974569/
Michas World
Sozialistische Planwirtschaft ist überall gescheitert. Warum sollte diese ausgerechnet in der EU funktionieren?
Octarine
Wasserstoff als Energieträger ist dann akzeptabel, wenn es sehr viel Überschuss an Strom aus alternativer Erzeugung gibt, und nur dann. Doch davon sind wir noch sehr weit entfernt.
Alles andere ist nur das Abgreifen von Subventionen und damit von Geldern, die anderer Stelle, in dieser Gesellschaft dringend gebraucht werden. Und wenn sie hier nicht gebraucht würden, könnten sie in anderen Teilen der Welt, für sauberes Wasser und Schulen sorgen.
insLot
Leider ist es super schwer transparente, nicht durch Abgaben und Auflagen verzerrte Preise pro kWh Wasserstoff (grau, blau, grün) zu erlangen. Laut Statista sollen sich die Preise pro kWh Wasserstoff ziemlich angenähert haben. Ob das so unreflektiert übernommen werden kann, oder der wahre Preis für grünen Wasserstoff nicht an anderer Stelle gezahlt wird, kann sich ja mal jeder selbst überlegen. Im Juni 2024 lag der Preis pro Megawattstunde Strom an der Strombörse bei 70 €/MWh (=7 ct/kWh). Wenn man nun bedenkt, dass pro kWh Wasserstoff etwa 1,66 kWh Strom benötigt werden, kann sich ja jeder selber mal überlegen, wie da ab 2035 ein Preis zwischen 12 und 15 ct zusammengehen soll.
Meine Mutmaßung ist aber, dass große Verbraucher, bevor sie auf grünen Wasserstoff umrüsten, sich wahrscheinlich eher für andere klimaschonende Optionen entscheiden und ggf. auch ihre Produktionsorte dahin verlagern, wo Energie kostengünstig ist oder kostengünstig regenerativ erzeugt werden kann.
Grüner Wasserstoff würde, soweit man diesen Blödsinn wirklich praktizieren möchte, auch für e-Fuels benötigt.