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Weltwirtschaftsforum in der Schweiz„Davos sollte nicht mehr stattfinden“

NGOs wollen das Weltwirtschaftsforum in Davos abschaffen, weil es die Umverteilung von Reichtum verhindert. Oxfam fordert Abgaben für Superreiche.

De­mons­tran­t:in­nen in Davos fordern Abgaben und eine stärkere Besteuerung von Superreichen Foto: Yves Herman

Davos taz | Dieser Protest ist kein Spaziergang. Über 800 Meter Höhenunterschied kraxeln einige hundert Leute durch verschneite Wälder, um am Sonntag das Schweizer Bergstädtchen Davos zu erreichen. Auf ihrer Kundgebung kritisieren sie dort das Weltwirtschaftsforum (WEF), das am Montag beginnt: „Gewinne werden nicht investiert, um Arbeitsplätze oder Infrastruktur zu fördern, sondern um Dividenden zu zahlen oder Aktien zurückzukaufen.“

Das Weltwirtschaftsforum mit Sitz in Genf ist eine Lobbyorganisation der größten weltweit agierenden Unternehmen. Es versteht sich als Runder Tisch zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft und organisiert jedes Jahr im Januar den gleichnamigen Kongress in Davos. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält dort am Dienstag eine Rede, US-Präsident Donald Trump am Donnerstag.

Die Kri­ti­ke­r:in­nen haben sich vor Schweizer Gerichten das Recht erstritten, gut sichtbar auf großen Straßen nach Davos zu demonstrieren. In den vergangenen Jahren hatten die Behörden den Protest auf abgelegene Wege verbannt. An der Wanderung nahmen auch Leute aus Deutschland teil, zum Beispiel von der Entwicklungsorganisation Weed aus Bonn, die „die Abschaffung des Weltwirtschaftsforums“ fordert, da es die Umverteilung von Reichtum und „echten Klimaschutz“ verhindere.

Aus Anlass des WEF sind mehrere aktuelle Studien erschienen. „Demokratie ist mit der Macht von Superreichen nicht vereinbar“, heißt es im Bericht „Weltwirtschaftsforum: Macht und Einfluss der Techmilliardäre“, unter anderem der Organisation LobbyControl. Die Ver­fas­se­r:in­nen stellen dar, dass einige der wertvollsten Unternehmen der Welt – etwa Alphabet (Google), Apple, Amazon, Meta und Microsoft – sogenannte Partner des WEF sind, die den Kurs dieser Organisation mitbestimmen und sie für politische Initiativen nutzen. Nicht nur die Firmen übten damit großen Einfluss aus, sondern auch die Superreichen, denen sie gehören – Mark Zuckerberg (Meta-Facebook), Bill Gates (Microsoft), Jeff Bezos (Amazon) und weitere.

Ökonomische Macht wird zu undemokratischer Politik

Gleichzeitig gäben allein die genannten fünf Konzerne fast 100 Millionen Euro jährlich für politische Lobbyarbeit in Washington und Brüssel aus. Die Organisation legt nahe, dass die Unternehmen damit ihre jeweilige marktbeherrschende Stellung und die entsprechenden Profite absichern sowie Konkurrenten klein halten und den Wettbewerb behindern. Am Beispiel Elon Musk (Tesla, SpaceX), der kein WEF-Partner ist, lässt sich LobbyControl zufolge außerdem beobachten, wie sich große ökonomische Macht in undemokratische Politik übersetze. Musk unterstützt hart rechte Parteien unter anderem in Großbritannien und Deutschland.

Um den Einfluss der Superreichen und ihrer Unternehmen einzudämmen, fordern die Kritiker die Europäische Kommission auf, ihre Möglichkeiten zu nutzen und etwa Google zu „zerschlagen“. Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, in Deutschland eine niedrige Begrenzung von Parteispenden durch Unternehmen einzuführen. Und schließlich schreibt LobbyControl: „Das WEF sollte in seiner jetzigen Form nicht mehr stattfinden.“

Währenddessen bearbeitet die Entwicklungsorganisation Oxfam Fragen von Gerechtigkeit und Verteilung. Sie beklagt, dass 2024 jede Woche durchschnittlich vier neue Milliardäre weltweit hinzugekommen seien – was die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger zeige. Weltweit besäßen mittlerweile rund 2.800 Personen Milliardenvermögen, davon 130 in Deutschland. Das reichste eine Prozent der Bevölkerung hält hierzulande mehr als ein Drittel aller privaten Vermögen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schon vor Jahren mitteilte.

Abgaben für Superreiche

Demgegenüber ist die Zahl der extrem armen Menschen, die weltweit Hunger leiden, im vergangenen Jahr nach Oxfam-Angaben auf 733 Millionen gestiegen. „Der Vermögenszuwachs der Superreichen ist grenzenlos, während es bei der Bekämpfung der Armut kaum Fortschritte gibt und Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt“, sagte Serap Altinisik, die Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland.

Zur Abhilfe fordert Oxfam, auf internationaler und nationaler Ebene neue Abgaben für sehr reiche Privatleute einzuführen. „Das Vermögen von Mil­li­ar­dä­r:in­nen und Mul­ti­mil­lio­nä­r:in­nen sollte mit zwei Prozent besteuert werden.“ Eine entsprechende Diskussion läuft bei den Vereinten Nationen, angeregt durch die Regierung Brasiliens. In Deutschland wird seit Jahren über die Wiedereinführung der Vermögensteuer und höhere Abgaben auf große Erbschaften geredet, ohne dass es jedoch zu praktischen Ergebnissen kommt. Vor allem die Union und die FDP lehnen solche Reformen ab.

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9 Kommentare

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  • Wenn Superreiche 2% Vermögenssteuer zahlen sollen, könnten "Normalreiche" aber auch 1% zahlen. "Normalreiche" haben vor allem Grundstückseinnahmen aus Pacht und Mieten. Daher nur 1%. Damit die Mieten für die Nichtvermögendenen MieterInnen und PächterInnen nicht deutlich inflationstreibend steigen.

    Schon haben wir eine Ausnahme für die Superreichen: Ihr Anteil an Vermögen mit ausschließlich Grundstückseinnahmen in Form von Pacht und Mieten dürfte wegen dieses Vernunftprinzipes auch nur mit 1% besteuert werden.

    Beim übrigen Vermögen der Superreichen könnte nach Adam Riese ein Teil mit normaler Gewinnakkumulation, ein anderer Teil mit trendbedingter Hyperakkumulation von Gewinn und Kapital zu bewerten sein. Bei Vermögensanteilen mit gewöhnlichem Gewinnabwurf kämen 2% Vermögenssteuer in Frage, bei Hyperakkumulation von Gewinn und Kapital 3, 4, 5 Prozent?

    Es kämen also bei differenzierter Betrachtung von Vermögensanteilen der Superreichen im Schnitt 2% Vermögenssteuer hinten bei raus. Und auf das, was hinten bei raus kommt, kommt es an. Sagte jedenfalls Helmut Kohl. Mit 16 Regierungsjahren auf dem Buckel muss er davon Ahnung gehabt haben.

    Und siehe da: Es geht noch was!

  • Guten Morgen,

    bei dem heiklen Thema sollte im Blick behalten werden, dass die Reichen zum größten Teil nur Reich sind, weil sie milliardenschwere Unternehmen besitzen.



    Aus meiner Sicht ist es besser, wenn diese ihre Unternehmensanteile behalten und damit ihr Unternehmen kontrollieren können. Viele Köche verderben den Brei.



    Und ganz nebenbei, wird bei einer Umverteilung keiner Glücklich sein, wenn er z.B. 10 Aktion von einem Unternehmen erhält und diese dann für immer behalten darf. Wenn die Aktien oder Unternehmensanteile flächendeckend verkauft werden, sinken diese ziemlich schnell.



    Nebenbei wird da der Verlagerung nach Asien noch Energie zugeführt, wenn dort die Unternehmensanteile aufgekauft und dann über kurz und lang das Wissen und später die Arbeitsplätze dorthin verschoben werden.



    Eine Umverteilung sollte nachhaltig erfolgen und auch ein Ergebnis bei rauskommen.

  • "„Das WEF sollte in seiner jetzigen Form nicht mehr stattfinden.“" Diese Leute werden sich so oder so treffen. Dann erscheint es mir doch besser, sie treffen sich in aller Öffentlichkeit und so, dass alle, die dies kritisieren, das ebenfalls öffentlich und "gut sichtbar auf großen Straßen nach Davos" tun können.



    Aus dem vielen, was sehr allgemein geäußert ist, nehme ich mal, dass "Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt". Diese pauschale Aussage müsste genau Land für Land verifiziert werden. Grund für die Kürzung ist möglicherweise, dass es bestimmte Länderregierungen nicht mehr sicherstellen können oder wollen, dass bei ihnen die finanzielle Unterstützung tatsächlich bei den Bedürftigen ankommt?

  • Ich halte diese Argumentation für ziemlich populistisch. Herr Müller in Dresden ist nicht deswegen arm, weil Herr Meyer in Bremen Multimillionär ist.

    Für das Steueraufkommen ist aufgrund der Progression ein Steuerpflichtiger, der 10 Millionen versteuert, besser als 100 Steuerpflichtige, die jeweils 100.000 versteuern.

  • taz: *NGOs wollen das Weltwirtschaftsforum in Davos abschaffen, weil es die Umverteilung von Reichtum verhindert. Oxfam fordert Abgaben für Superreiche.*

    Gerhard Schröder (SPD) sagte 2005 in Davos (Weltwirtschaftsforum): "Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt."

    Und dann sind die reichen Arbeitgeber 'immer reicher und reicher und reicher' geworden. Anstatt das Ausbeutersystem ('Menschen und Natur werden weltweit immer noch für dicke Gewinne der Wirtschaft ausgebeutet') endlich mal zu hinterfragen, haben die Bürger in Deutschland lieber auf Hartz4/Bürgergeldempfänger und Flüchtlinge eingeprügelt - und sie machen es auch jetzt noch, anstatt ihr Hirn endlich mal einzuschalten. Es ist wirklich nicht mehr zu fassen, wie selbst im 21. Jahrhundert die Bürger (weltweit) immer noch am Nasenring durch die Manege der 'Reichen und Mächtigen' gezogen werden.

    • @Ricky-13:

      Wenn ich so etwas lese, hinterlässt mich das immer etwas ratlos. Ich bin in einer der möglichen realexistierenden Alternativen zum "Ausbeutersystem" aufgewachsen. Wenn alle in etwa gleich arm sind, ist das keine Lösung, weder für die Armen noch für die Gesellschaft insgesamt. Und auch die Umweltbilanz, um diesen Einzelaspekt herauszugreifen, war verheerend im Vergleich zum Kapitalismus.



      Abgesehen davon sollte schon der Souverän selbst entscheiden, wohin die Gesellschaft sich bewegt. Und bitte nicht eine kleine Gruppe Besserwisser, die meinen, alle hätten nur auf sie gewartet, und die noch immer so eine Art "Diktatur des Proletariats" im Hinterkopf haben.

  • Seit über 40 Jahren sinken Steuern und Abgaben, für euphemistisch genannte ;Reiche und SuperReiche Weltweit, kontinuierlich.



    Alles Dies wurde über kontinuierliche Lobbyverbände - Arbeit erreicht und war in vielen Fällen sogar legal. Defakto aber "Legale" Korruption.

  • Das WEF ist kein (über)staatliches Treffen, sondern ein privates Treffen, ausgerichtet von einer Schweizer Stiftung, sie können diese auch NGO oder Lobbygruppe nennen. Einer privaten Organisation ein Treffen zu verbieten, hat was von einer Diktatur. Aber eine Diktatur, mit den eigenen Leuten an der Spitze, ist der Traum so mancher NGO. Die nennen es dann nur nicht Diktatur, sondern beispielsweise Räterepublik, mit sich selbst als Räten.

  • Aus einem ähnlichen Artikel der taz (und desselben Autors) zum WEF letztes Jahr, aus dem Munde der selben Oxfam-Leute:



    "Weltweit hungern 800 Millionen"

    Nun soll die Zahl "...auf 733 Millionen gestiegen..." sein. Quelle: Oxfam.

    Damit das richtig ist, müsste die Zahl (ohnehin eine stark annahmengetriebene Schätzung) zwischenzeitlich unter 733 Millionen gelegen haben, also eine Reduktion um etwa 10%... eine positive Entwicklung, die hier zum Gegenteil verdreht wird.