Weltwirtschaftsforum in Davos: Zwei Klimaextreme
Das Weltwirtschaftsforum 2020 steht im Zeichen des Klimas. Auch dank Greta Thunberg. US-Präsident Donald Trump ist das egal.
Dienstagmorgen, 8 Uhr 30, Das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos hat gerade begonnen, da ist Greta Thunberg schon auf der Bühne. Der Chefredakteur des US-Magazins Time spricht die Klimaaktivistin und Erfinderin der Fridays-for-Future-Bewegung als erste an. Ja, sagt Thunberg, im vergangenen Jahr habe sie viel Aufmerksamkeit bekommen. Tatsächliche Fortschritte gebe es aber trotzdem nicht. „Die Kohlendioxid-Emissionen steigen weiter.“
Thunberg macht nicht viele Worte, spricht leise und zurückhaltend. Dann lässt sie den anderen jungen Umweltaktivist*innen auf dem Podium den Vortritt. Am Vortag hat sie eine Pressekonferenz in Davos wegen Fiebers abgesagt. Sie sieht blass und abgekämpft aus in ihrer grauen Jogginghose und dem rosa Hoody, vielleicht wäre sie lieber im Bett geblieben.
In diesem fensterlosen Saal des Kongresszentrums findet am ersten Tag traditionell diejenige Veranstaltung statt, die den Ton des gesamten Forums setzt. Diesmal wurden nicht irgendwelche Konzernvorstände hier platziert, sondern die 17-jährige Schülerin aus Schweden.
Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforums (WEF), scheint zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. Kameras schwenken an Kränen über die Köpfe des Auditoriums. Die gut 300 Plätze sind komplett besetzt.
Zwei mögliche Entwicklungsrichtungen
Einige Stunden nach Thunberg soll auch US-Präsident Donald Trump in Davos auftreten. Als Regierungschef des mächtigsten Staates der Erde wird er den größten Saal bekommen, der vielleicht 1.500 Leute fasst. Diese beiden Auftritte bilden den Kern des diesjährigen WEF.
Die beiden Personen sind Antipoden, sie stehen für Entwicklungsrichtungen, die die Politik in den kommenden Jahren nehmen kann.
Trump demontiert die Globalisierung der vergangenen 40 Jahre. Dabei drohen auch Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) zu Bruch zu gehen, die für Kooperation zwischen den Staaten sorgte. Thunberg und ihre Leute setzen dagegen auf verstärkte Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und Initiativen verschiedener Länder.
Während Trump außerdem die Erwärmung der Erdatmosphäre ignoriert, fordert Thunberg, das fossile Wirtschaftsmodell innerhalb weniger Jahre zu beenden. Fossiler Nationalismus steht gegen nachhaltigen Internationalismus.
Smalltalk ist nichts für Greta
Auf dem Podium will der Time-Journalist nun von Thunberg wissen, wie sie mit Trollen im Internet umgehe.
Sie schaut irritiert, holt einen Zettel aus der Hosentasche, sagt, sie möchte jetzt mal zum Punkt kommen, und liest vor: „Im Bericht des Panels der Vereinten Nationen zum Klimawandel von 2018, Kapitel 2, Seite 108, steht, wenn man eine 67-prozentige Chance haben will, den Temperaturanstieg unter 1,5 Grad zu halten, dürfen weltweit nur noch 420 Gigatonnen Kohlendioxid ausgestoßen werden.“
Dieses Budget sei 2026 aufgebraucht.
Greta Thunberg hat keine Zeit zu verlieren. Smalltalk macht sie ungeduldig. Ihr geht es darum, die Botschaft rüberzubringen. „Wir verlangen“, schrieb sie kürzlich, dass alle Teilnehmer des WEF „unverzüglich und vollständig“ ihre Investitionen in fossile Brennstoffe beenden. Diese eindeutige Forderung richtet sich hier in Davos in erster Linie an die Unternehmen.
Deutsche Konzerne verstoßen gegen Klimaabkommen
Dabei beziehen sich die Klima-Aktivist*innen unter anderem auf die Studie „Was, wenn“ der in Frankfurt am Main beheimateten Beratungsfirma Right. Die untersuchte kürzlich die Klimapolitik großer deutscher Konzerne, die das WEF als sogenannte strategische Partner unterstützen.
Frage: Um wie viel Grad würde sich die Erdatmosphäre bis 2050 erwärmen, wenn sich alle Unternehmen so verhielten wie etwa die Deutsche Bank, Siemens oder Volkswagen? Im Falle der Deutschen Bank errechnete Right 2,8 Grad Erwärmung, bei Siemens 4,3 Grad und bei Volkswagen 3,3 Grad.
Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos
Diese Firmen verstießen damit gegen das Pariser Klimaabkommen, so Right. Auf Anfrage zogen die Deutsche Bank und Siemens die Berechnungen von Right nicht in Zweifel, wiesen aber auf eigene Anstrengungen hin, ihren CO2-Ausstoß zu verringern. VW antwortete, „Ziel sei die vollständige Dekarbonisierung des Konzerns bis 2050“.
Nach ihrer Veranstaltung kommt Thunberg zunächst nicht vom Fleck. Mikrofone, Gedrängel. Aber sie hat noch ein paar andere Termine, zum Beispiel muss sie gleich Oliver Bäte, den Chef der Allianz-Versicherung, treffen. Zwischendurch ist aber erst mal der US-Präsident dran. Die Schlangen der Anstehenden verlagern sich vor die Türen der großen Halle.
Trump lobt Trump
11 Uhr 50: In blauem Anzug und rotem Schlips betritt Donald Trump die Bühne. Nach kurzer Einleitung durch Schwab, beginnt er seine halbstündige Rede von den beiden Telepromptern rechts und links des Redepults abzulesen.
Es ist eine Lobeshymne auf die eigene Politik, den guten Zustand der US-Ökonomie und eine glorreiche Zukunft. Seine Regierung habe 7 Millionen neue Jobs geschaffen und die Arbeitslosigkeit auf 3,5 Prozent gesenkt – „so niedrig wie in keiner anderen Präsidentschaft“. Trump: „Wir haben 10 Millionen Leute aus der Sozialhilfe herausgeholt.“ 12.000 neue Fabriken seien während seiner Amtszeit entstanden.
Der Wirtschaftsaufschwung sei ein „inklusiver“, er komme den Arbeitern, ihren Familien, der Mittelklasse, den Frauen, afroamerikanischen und hispanischen Bürger*innen der USA zugute.
Ausgelöst habe er all das, sagt Trump, durch Steuersenkungen, die Abschaffung hinderlicher Gesetze, durch Sanktionsdrohungen und Strafzölle gegen Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Dadurch hätte seine Regierung neue, für die USA vorteilhafte Handelsabkommen mit China, Mexiko und Kanada durchgesetzt. Der Präsident empfiehlt der Welt, dem Beispiel der USA zu folgen.
„Er ist der Gegner“
Die Wörter „Erderwärmung“, „Kohlendioxid“ und „Klima“ kommen in Trumps Rede nicht vor. Stattdessen erklärt er, dank Fracking seien die USA nun der größte Produzent von Erdöl und Erdgas weltweit. Darin liege die Zukunft, wie auch in „sauberer Kohle“. Die Angst der 1990er Jahre, das Erdöl könne mal zu Ende gehen, habe sich zum Glück als falsch erwiesen. Trotzdem könnten sich seine Landsleute über „saubere Luft und sauberes Wasser“ freuen.
Immerhin verspricht der US-Präsident, sich an Schwabs Initiative zu beteiligen, weltweit „eine Billion“ neuer Bäume zu pflanzen. Dafür erhält Trump den einzigen Zwischenbeifall. Am Ende seiner Rede klatscht das Auditorium wenige Sekunden. Es sei, sagt Grünen-Co-Chef Robert Habeck dem ZDF danach entrüstet, „die schlechteste Rede, die ich in meinem Leben gehört habe“ gewesen. Trump habe bewiesen: „Er ist der Gegner. Er steht für all die Probleme, die wir haben.“
Trump und Thunberg – das sind zwei Planeten. Der US-Präsident erwähnt die Aktivistin nicht, sie ihn aber ebenso wenig. Ein Gespräch zwischen den Antipoden kommt nicht zustande. Das müssen die Besucherinnen und Besucher des Forums untereinander und mit sich selbst ausmachen. Das Aneinandervorbei der Schlüsselfiguren sagt auch einiges über das Weltwirtschaftsforum. Mitunter wollen die Veranstalter etwas anderes als ihre Gäste. Diese wiederum haben oft kein Interesse an den hehren Zielen, die das WEF formuliert.
Beim Klima jedenfalls ist das Forum eindeutig weiter als Trump – und näher bei Thunberg. In einem Brief forderte Schwab alle teilnehmenden Firmenchefs auf, für ihre Unternehmen die Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen auf null bis spätestens 2050 anzupeilen. Der Klimawandel sei ein „Schlüsselthema“ des diesjährigen WEF, so Schwab. In einer Studie bemängelte das Forum, dass nur ein paar Hundert Unternehmen weltweit bisher ihren Klimagasausstoß planmäßig reduzierten.
Nicht naiv, sondern notwendig
13 Uhr: Thunberg hält nun eine Rede beim Panel „Die Klima-Apokalypse vermeiden“. Einer der vier Gäste auf dem Podium ist Allianz-Chef Bäte. Thunberg wiederholt ihre Forderung an die WEF-Unternehmen, sofort alle Investitionen in fossile Energien zu stoppen. Sind wir naiv?, fragt sie dann. „Nein“, antwortet sie selbst, „es ist einfach nötig.“
Bäte hat gerade zusammen mit den Vereinten Nationen und ein paar anderen Großinvestoren die „Netto-Null-Allianz“ gegründet. Bis 2050 wollen die Unternehmen ihre Kapitalanlagen in Höhe von rund 4 Billionen Euro so umstrukturieren, dass sie keinen Kohlendioxidausstoß mehr verursachen.
Damit ist Bäte ganz weit vorne. Er sucht Mitstreiter. Trotzdem ist 2050 nicht sofort. Warum es nicht schneller geht, fragt die Moderatorin. Er müsse auch die Interessen seines Unternehmens berücksichtigen, sagt Bäte. Das kann man so verstehen: Wenn er alles sofort auf den Markt schmeißt, ist der Gewinn weg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen