Weizenkrise und Ukraine-Krieg: Hunger als Waffe
Mit seinem Angriffskrieg hat Putin nicht nur die Ernährungslage in der Ukraine verschlechtert, sondern auf der ganzen Welt.
D as letzte Schiff, das Lamprakis Lazos mit Weizen beladen ließ, legte vor sechs Wochen in Mykolajyw ab. Als der Frachter von der Hafenstadt zwischen der Krim und Odessa ins Schwarze Meer aufbrach, schlugen in Kiew schon Putins Raketen ein.
Lazos ist Geschäftsführer bei einem der größten Getreideexporteure in der Ukraine. Seit den neunziger Jahren ist er im Geschäft, und das nicht schlecht. Sein Whatsapp-Profilfoto zeigt ihn mit schwarzem Hemd und Sonnenbrille auf einer Brücke über dem Canale Grande in Venedig. In Friedenszeiten verkauft seine Firma etwa 2,5 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide nach China, Ägypten, Saudi-Arabien und anderswo.
Doch der Frieden ist vorbei. „Wir können fast nichts mehr exportieren“, klagt Lazos am Telefon. Die Russen haben die Häfen blockiert. Ein paar Ladungen kann Lazos mit Zügen über Rumänien ausführen. Doch deren Transportkapazität reicht nur für insgesamt gut 340.000 Tonnen Getreide im Monat – ein Bruchteil dessen, was die Ukraine üblicherweise per Schiff verlässt.
„Das Getreide liegt jetzt in den Silos im Inland und in den Hafenterminals“, sagt Lazos. So wie er nichts exportieren kann, können Bauern nichts mehr verkaufen. Der Winter war lang, erst in den kommenden Tagen könnten sie die neue Saat ausbringen. Doch der dafür benötigte Kraftstoff sei für viele Bauern nicht mehr zu finanzieren. Sein Unternehmen zahle die Löhne momentan noch weiter, sagt Lazos. „Aber keiner weiß, wie lange das so bleibt.“
33 Millionen Tonnen Weizen hat die Ukraine 2020 produziert, Russland weitere 75 Millionen Tonnen – zusammen fast ein Siebtel der Weltproduktion. Am Welthandel hatte die Ukraine zuletzt einen Anteil von mehr als 10 Prozent, Russland von mehr als 16 Prozent. Mehr als jeder vierte Sack Weizen, der vor dem Krieg auf dem Weltmarkt zu kaufen war, stammte aus einem dieser beiden Länder.
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Die Hunger-Frühwarn-NGO Fewsnet hatte deshalb schon vor Kriegsausbruch Alarm geschlagen. Schon ein auf den Donbass begrenzter russischer Angriff würde „erhebliche und langanhaltende Auswirkungen auf die internationalen Getreidemärkte und -preise“ haben, schrieb Fewsnet vier Tage vor Putins Überfall. Die Folgen seien umso schwerwiegender, da Weizen auf dem Weltmarkt bereits Ende November 2021 aufgrund von Dürren und Corona so teuer war wie noch nie.
Bekanntermaßen beschränkte sich der russische Angriff nicht auf den Donbass. Und so fiel der Preisschock noch heftiger aus, als die Fewsnet-Analysten erwartet hatten. Zwischen dem 23. Februar und dem 7. März schoss der Weizenpreis an der europäischen Getreidebörse Matif in Paris um weitere 58 Prozent nach oben, ein historisch einmaliger Sprung auf 422,50 Euro je Tonne. Derzeit liegt er bei etwa 364 Euro – unbezahlbar für viele arme Länder in der Welt.
Nicht nur die ukrainischen Exporte, sondern auch die aus Russland fallen nun weitgehend aus. Westliche Reedereien, Zwischenhändler und Weiterverarbeiter haben – freiwillig oder aus Angst vor Sanktionen – das Geschäft mit Russland eingestellt. Mitte März verbot Putin zudem den Export von Weizen in Ex-Sowjetrepubliken. Auch die Ukraine hatte Mitte März den Export von Weizen verboten, um die Ernährung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen.
UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einem „Wirbelsturm des Hungers“. Die internationale Gemeinschaft müsse handeln, um einen „Zusammenbruch des globalen Nahrungssystems“ zu verhindern. Der Krieg in der Ukraine sei „auch ein Angriff auf die am meisten gefährdeten Menschen und Länder der Welt“, sagte Guterres.
Der Krieg hätte zu kaum einem schlechteren Zeitpunkt kommen können. In Ostafrika sind drei Regenzeiten in Folge ausgeblieben. Die UN sprechen von der schlimmsten Dürre seit 1981. Westafrika leidet unter Überschwemmungen und bewaffneten Konflikten. Auf dem gesamten Kontinent sind die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie spürbar.
Und so sind in Afrika bereits heute 346 Millionen Menschen – mehr als ein Viertel der Bevölkerung – mit einer „Krise der Ernährungssicherheit konfrontiert“, heißt es beim Roten Kreuz. Schon jetzt müssten Millionen von Familien jeden Tag Mahlzeiten ausfallen lassen. Es sei eine „alarmierende Hungersituation“, die sich in den kommenden Monaten zu verschärfen drohe, so das Rote Kreuz.
„Dieser Krieg wirkt sich auf die ganze Welt aus. Wir sind alle miteinander verbunden“, sagt Mykola Stryzhak, Bauer und Präsident der ukrainischen Bauernvereinigung, der taz. Nicht nur die Häfen seien von russischen Truppen blockiert. Manche Lagerbestände, etwa in der belagerten Stadt Mariupol, seien von russischen Soldaten geplündert worden, berichtet er. Wegen der belagerten Häfen komme nicht mehr genug Dünger ins Land. Die Bauern würden dennoch versuchen, wo immer es möglich sei, Saat für die nächste Ernte auszustreuen. „Aber wie das ausgeht, das ist unklar.“
Dass der Krieg dazu führt, dass viele Menschen in der Welt hungern müssen, ist Stryzhak bewusst. Doch für ihn steht im Moment vor allem sein Heimatland im Vordergrund. Der wahre Preis für diesen Krieg werde sich erst noch zeigen, sagt er. „Niemand weiß, wie viele Menschen gestorben sind.“ Landwirtschaft sei für viele Bauern in der Ukraine inzwischen keine Hauptbeschäftigung mehr. Viele kämpften als Reservisten in der sogenannten Territorialverteidigung, stünden Wache an Checkpoints oder versorgten das Militär mit Lebensmitteln.
Ein weiteres Problem sei Kraftstoff. „Alles geht an das Militär“, sagt Stryzhak. Und die Russen griffen gezielt die Öldepots der Ukraine an. Importe aus Belarus, so wie früher, seien wegen der Moskautreue von Machthaber Alexander Lukaschenko auch keine Option mehr. Bauern in Charkiw hätten ihm erzählt, dass ihre Felder vermint seien. Selbst wenn morgen wieder Frieden herrsche, könne es deshalb Jahre dauern, das Land wieder bewirtschaftbar zu machen. „Das ist keine Armee, das sind Barbaren, die stehlen und töten“, sagt Stryzhak über die Russen.
Was erwartet er für die Herbst-Ernte? „Das ist schwer zu sagen“, antwortet Stryzhak. „Das hängt alles von den Barbaren ab.“ Er weigert sich, allzu pessimistisch zu sein. „Ich hatte von Anfang an keine Angst vor den Russen. Wir werden bald mit denen fertig sein.“
Im Westen der Ukraine, wo es bisher nur vereinzelte Raketenangriffe gab und die Front weit entfernt ist, stellt man sich darauf ein, vermehrt Gemüse anzubauen, um die Verluste im Osten auszugleichen. „Dieses Jahr denkt niemand an Gewinn. Die Bauern wollen einfach nur ihrer Pflicht nachkommen, das Land mit Essen zu versorgen“, sagt Stryzhak.
Einer von ihnen ist Ruslan Khomych, ein Bauer aus Wolyn, der Region an der Grenze zu Belarus. Er beklagt im Gespräch mit der taz, dass er wegen des Kriegs nicht mehr genügend Pestizide, Dünger und Benzin beschaffen könne – auch, weil viele Bauern Schwierigkeiten hätten, Geld zu bekommen. „Auch die internationalen Banken lassen uns im Stich. Wir werden uns merken, wer uns in diesen finsteren Zeiten unterstützt hat und wer nicht“, sagt Khomych.
Kollegen im Osten hätten ihm berichtet, dass die Russen gezielt nach landwirtschaftlichem Gerät gesucht hätten, das sie zerstören könnten. „Sie wollen so Hunger in der Ukraine auslösen“, sagt Khomych. „Wir versuchen dennoch, unsere Saat auszubringen. Unter großen Schwierigkeiten, aber wir versuchen es.“ Die Körner, die sie inzwischen nicht mehr verkaufen können, würden sie selbst mahlen und daraus Nahrungsmittel produzieren. „Wir tun alles, was in unserer Macht steht, damit unser Land nicht untergeht.“
Absichtlich zerstörte Speicher und Produktionsmittel, blockierte Schiffe, Exportverbote: „Russland setzt Hunger als Waffe und Druckmittel ein“, glaubt auch Martin Rentsch, der Sprecher des UN-Welternährungsprogramms in Deutschland.
Und diese Waffe richtet sich zunehmend auch gegen andere Regionen der Welt. Denn die sind auf die Erträge der Ukraine angewiesen. Das kriegsgeplagte Jemen etwa importiert 90 Prozent seiner Grundnahrungsmittel, die Hälfte seines Weizens kam bisher aus der Ukraine und Russland. Bereits vor dem Ukraine-Krieg hatten im Jemen 17,4 Millionen Menschen nicht genug zu essen, darunter 2,2 Millionen Kinder, die akut unterernährt sind, heißt es bei der NGO Care.
Auch Care warnt vor den Folgen der Preissteigerungen für die Ärmsten der Welt. In Somalia, das den Großteil des Weizens aus Russland und der Ukraine bezieht, sind die Preise für Weizen und Öl bereits um 300 Prozent gestiegen. Die Versorgungsketten seien unterbrochen, die Vorräte bald aufgebraucht, sagt Iman Abdullahi, der Care-Landesdirektor für Somalia. Er beobachte schon jetzt eine steigende Zahl an unterernährten Frauen und Kindern.
Hilfsorganisationen haben zunehmend Schwierigkeiten, Nahrungsmittel einzukaufen. Das UN-Welternährungsprogramm etwa kauft normalerweise die Hälfte aller seiner Hilfsgüter in Russland. Jetzt reichen die finanziellen Mittel der Hilfsorganisation für immer weniger Nahrung.
Dass die Welt so sehr von Getreide aus Russland und der Ukraine abhängig ist, sei noch nicht lange der Fall, sagt Thorsten Tiedemann. Er sitzt im Vorstand der Hamburger Getreide AG. Zuvor leitete er lange den Weizenhandel bei Deutschlands Marktführer Toepfer. „Russlands Getreide-Importe endeten Mitte der neunziger Jahre“, sagt Tiedemann. Das Land habe nach dem Zerfall der Sowjetunion – ebenso wie die Ukraine – seine Landwirtschaft modernisiert, mit enormen Produktivitätsgewinnen.
„Die Ernten und die Qualität sind extrem gesteigert worden“, sagt Tiedemann. Und so wurde das Getreide aus der Region erste Wahl für viele internationale Händler. Ähnlich sei es beim Sonnenblumenöl: Auch da sei die Produktion dank hoher Hektarerträge guter Sorten stark gestiegen.
Tiedemann selbst war zuletzt im vergangenen Oktober auf der Suche nach Lieferanten in Kiew und am Schwarzen Meer. „Das ist so surreal, wenn man jetzt diese Bilder im Fernsehen sieht“, sagt er. So wie dem Kiewer Exporteur Lamprakis Lazos sei es vielen in der Branche ergangen. Als am 24. Februar der Krieg begann, hätten viele Schiffe „die Luke zugeschlagen und sind abgehauen, so schnell sie konnten“, sagt Tiedemann. „Wer dort eingekauft hatte, kann jetzt seine Käufer nicht bedienen.“
Jeder habe zwar von den Truppenbewegungen der Russen gewusst. „Aber niemand hat wirklich mit einem Krieg gerechnet“, sagt Tiedemann. „Da sind viele auf dem falschen Fuß erwischt worden. Aber solange etwas gut läuft, verabschiedet man sich ja nicht in vorauseilendem Gehorsam. Sonst ist man im Wettbewerb sofort tot.“
Der nächste Schock für die Agrarwirtschaft werde sein, dass die Frühjahrsbestellungen nicht getätigt werden könnten, glaubt er. Winterweizen, der üblicherweise im Juli geerntet wird, brauche jetzt Stickstoffdünger und Herbizide, damit das Unkraut ihn nicht überwuchere. „Aber die Landwirte haben keine Arbeitskräfte, keinen Diesel. Jetzt ist auch die Zeit der Aussaat für die Sommerkulturen: Mais, Sommerweizen, Leguminosen. Das müsste alles jetzt gesät werden.“
Und auch über die nächste Ernte hinaus sieht Tiedemann schwarz. „Russland wird auf lange Sicht sanktioniert bleiben“, sagt er. Auf das Land kämen hohe Reparationsforderungen und Strafmaßnahmen zu. Eine Folge: „Die Landwirte werden keine liquiden Mittel haben, um Bestellungen vorzunehmen. Und höchstwahrscheinlich kommen kaum noch Landmaschinen, Ersatzteile und Pflanzenschutzmittel ins Land. Die werden es nicht mehr schaffen, ihre ganzen Flächen zu bestellen.“ Es werde wieder so viele Brachen geben wie zuletzt vor 20 Jahren.
Auch beim Saatgut werde sich der Krieg bemerkbar machen. Denn der Preis für die Produktivitätsgewinne der letzten Jahre war, dass die Bauern jedes Jahr Saatgut von Hochleistungspflanzen einkauften, was jetzt nur noch eingeschränkt möglich ist. „Wie in alten Zeiten einfach ein bisschen von der letzten Ernte aufbewahren – das geht nicht mehr“, sagt Tiedemann. „Wenn man das ein paar Jahre macht, degeneriert alles und die Erträge gehen wieder runter.“ Und so seien die Produktivitätsgewinne der vergangenen 20 Jahre möglicherweise bald futsch. Bliebe Putin an der Macht und Russland politisch isoliert, „kann das 10 Jahre dauern, bis sich die Landwirtschaft erholt“, sagt Tiedemann.
Dass die Preise für Weizen und andere Grundnahrungsmittel schon jetzt so stark gestiegen sind, liegt nicht nur daran, dass es weniger gibt. Auch die Transportwege spielen eine Rolle. „Russland und die Ukraine sind über das Schwarze Meer für viele Importländer sehr frachtnah“, sagt Tiedemann. Wenn Ägypten nun aber statt in Odessa in Houston einkaufen müsse, stiegen entsprechend die Kosten. „Wir können uns das noch leisten“, sagt er. „Aber wenn Ägypten sich das nicht mehr leisten kann, dann können die eben weniger Hähnchen mästen.“
Für Tiedemann gibt es nur einen Weg aus der Misere: „Das Naheliegendste wäre, dass wir hier unsere Produktion wieder erhöhen“, sagt er. „Wir müssen effizienter werden.“ Mehr Agrarflächen, mehr Dünger, noch weiter optimiertes Saatgut – das wäre ein Ausweg, so sieht er es.
Martin Rentsch, der Sprecher des UN-Welternährungsprogramms in Deutschland, sieht es anders. „Es gibt keine Nahrungsmittelknappheit auf der Welt“, sagt er. „Es gibt global immer noch genug Nahrung, auch genug Weizen.“ Die Inflation nach der Pandemie sowie die hohen Spritkosten hätten die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben. „Der Krieg und die Tatsache, dass so viele Getreide nicht ausgeliefert werden können, führt auf den Märkten zu Unsicherheit und sorgt jetzt für den nächsten Preisschock.“
Der Ort, an dem sich diese Preise bilden, ist vor allem die Weizenbörse Matif in Paris. Sie gehört zum Euronext Börsenverbund. Praktisch jeder Getreidedeal wird hier über „Futures“ genannte Termingeschäfte abgesichert. Denn Händler wie Thorsten Tiedemann bestellen, je nach aktuellen Preisen und Auftragslage, das ganze Jahr über teils für weit in der Zukunft liegende Ernten. Bis die geliefert werden, vergehen viele Monate. In dieser Zeit können die Preise schwanken.
Die Futures sollen die Verkäufer vor Preisverfall schützen, weil der künftige Abnahmepreis ja bereits auf dem aktuellen Niveau vereinbart wurde. Käufer hingegen können sich davor absichern, bei künftiger Knappheit und deshalb steigender Preise mehr bezahlen zu müssen.
„Der physische Markt steht extrem unter Druck“, sagt Nicholas Kennedy, Leiter der Rohstoffabteilung bei Euronext. Europa und das Schwarze Meer seien in den zurückliegenden 15 Jahren die Kernregion geworden, in der der Weltmarktpreis bestimmt werde. Und der sei schon vor dem Ukraine-Krieg extrem hoch gewesen. „Jetzt erleben wir geschichtlich absolut beispiellose Marktbedingungen.“ In den Future-Preisen schlage sich das sofort nieder. Armen Käufern nützen Terminkontrakte in der jetzigen Lage deshalb nichts mehr:Wer vor dem jüngsten Preisschock nichts bestellt hatte, muss jetzt auch für Futures mehr zahlen.
Dass Spekulationen die Lage verschlimmern, weil sie auf steigende Preise wetten und diese so künstlich noch weiter hoch trieben, sei „ein Mythos“, sagt Kennedy. Der Zugang zu Matif sei stark reglementiert. Handel sei nur über Intermediäre, meist Großbanken, möglich. Neben physischen Händlern, die die Güter real liefern oder bestellen, könnten reine Finanzfirmen nur noch unter bestimmten Bedingungen dort aktiv werden.
Letztlich sei es einfach: „Angebot und Nachfrage – sonst gibt es nichts, was den Preis bestimmt“, sagt Chris Topple, der Verkaufsleiter der Euronext-Gruppe. Eine Obergrenze gebe es dabei naturgemäß nicht.
Francisco Marí, Ernährungsexperte von Brot für die Welt, will das so nicht gelten lassen. Zwar habe Frankreich als Sitz von Matif den Zugang und spekulative Leerverkäufe eingedämmt. An der Chicagoer Börse aber fehlten solche Regelungen – und die sei, global gesehen, preisbildend. „So kann sich Matif den dortigen, auch auf Spekulation beruhenden Preisen nicht entziehen“, sagt Marí.
Für Marí ist aber die Frage, ob es überhaupt erlaubt sein sollte, Grundnahrungsmittel an Börsen zu handeln. Denn auch die Matif-Preise basierten nicht einfach auf Angebot und Nachfrage zwischen Bauern und Händlern. Auch sie seien von Gewinnerwartungen in Waren-Termingeschäften getrieben, sagt er.
Wenn das Angebot aber selbst jetzt im Krieg noch groß genug ist und es weiter genügend Weizen auf der Welt gibt – warum soll dann nicht politisch Einfluss auf die Preise genommen werden, sodass arme Länder sich die nötigen Importe leisten können?
In anderen Branchen gibt es durchaus Beispiele für Eingriffe in die Preisbildung an den Börsen. Zuletzt hatte im April die London Metal Exchange nach einem zeitweisen Handelsstopp aufgrund von explodierenden Preisen ein Limit für die täglichen Preisbewegungen bei Nickel festgesetzt – ohne dass Proteste laut geworden wären.
Mit politischem Willen ließen sich so auch die seit Jahren praktizierten Stützungskäufe erleichtern, mit denen Regierungen armer Länder Preisschocks abzufedern versuchen. Nicht zuletzt würden so auch die Spielräume für Hilfsorganisationen größer, die dem wachsenden Bedarf nicht mehr gerecht werden können. Am Donnerstag bezifferten die UN den Finanzbedarf für humanitäre Hilfen weltweit auf 43 Milliarden Dollar. Das ist der höchste Bedarf, den es je gab. Bislang wurden von der internationalen Staatengemeinschaft nur 3,6 Milliarden Dollar zugesagt.
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