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Weil er sein Rad mitnehmen wollteS-Bahn-Wache misshandelt Fahrgast

In Hamburg wurde Oktay C. von DB-Sicherheitsmännern mit Gewalt zu Boden gebracht. Die Bahn weist den Vorwurf des Rassismus zurück.

Manchmal auch eine Gefahr für die Fahrgäste: Hamburger-S-Bahnwache Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Oktay C. wird von Sicherheitsleuten aus dem Zug gezogen und ruft aufgebracht: „Fass mich nicht an!“. Er wird gegen eine Wand gedrückt, auf den Kopf geschlagen und mit Gewalt zu Boden gebracht. Mehrere Sicherheitsmänner knien auf ihm. Diese Szene ereignete sich vor kanpp einer Woche auf dem Bahnsteig des Hamburger S-Bahnhofes Stellingen und wurde per Video von einer Passagierin festgehalten.

Der 50-jährige Schauspieler war mit seiner Lebensgefährtin auf dem Rückweg von einer Trauerfeier. Mit ihren Fahrrädern wollten sie in die S-Bahn einsteigen. „Zunächst wurden wir von einem freundlichen Wachmann in den hinteren Teil des Gleises geschickt“, sagt Oktay C.. Dort sei ihnen der Zutritt von einem anderen Wachmann verweigert worden, als die S-Bahn einfuhr. Der Zug solle erstmal voll werden.

Wie sich Oktay C. erinnert, war in dem Waggon zunächst niemand, genau wie im unmittelbaren Wartebereich. Aus Angst seine Kinder nicht rechtzeitig abholen zu können und die S-Bahn davonfahren zu sehen, stieg das Paar ein, woran es nicht gehindert worden sein soll. „Dann wurden wir aufgefordert, wieder auszusteigen“, sagt C.. „Auf meine Nachfrage warum, wurde nur ‚Weil ich es sage‘ erwidert.“

Er nehme oft sein Rad in der Bahn mit und wisse, wie er es ordnungsgemäß abzustellen habe. „Unsere Räder hätten keine Passagiere am Ein- und Aussteigen gehindert“, versichert Oktay C. In dem Video steht ein Rad im Eingangsbereich, es sieht aber so aus, als ob man noch links und rechts daran vorbeigehen könnte. Schließlich sei er von dem Wachmann „Taugenichts“ genannt worden, sagt C..

Gegen den Oberkörper getreten

Daraufhin wurde er von mehreren Sicherheitskräften aus der Bahn gezerrt und es kam zu der Situation auf dem Bahnsteig. Als Oktay C. Auf dem Boden lag, soll er nur schwer Luft bekommen haben. Er habe ein Herzproblem und es wurde von beiden Seiten gegen seinen Körper gedrückt. Die Sicherheitsmänner sollen außerdem mit ihren Knien gegen seinen Oberkörper getreten haben, ihm den Arm verdreht und Handschellen angelegt haben.

Von der Polizei fühlt er sich alleine gelassen. Statt ihm zu helfen, habe sie bei der Fixierung am Boden geholfen. Dass er gesagt habe, bloß mit dem Rad eingestiegen zu sein und den Vorfall erklären zu wollen, sei nicht beachtet worden. Schließlich sei er auf Anweisung eines Polizisten wieder losgelassen worden.

Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, will sich die Bundespolizei nicht äußern. Es müssten erst die Kameras auf dem Bahnsteig und in der S-Bahn ausgewertet werden.

Eine Sprecherin der Deutschen Bahn (DB) weist darauf hin, dass es an dem Sonntag im Volksparkstadion ein Fußballspiel gegeben habe, sodass der S-Bahnsteig in Stellingen sehr voll und die Züge ausgelastet gewesen seien. Eine Fahrradmitnahme habe daher nicht gewährleistet werden können.

Anzeige nicht aufgenommen

Außerdem hätten die Personen im Zug ihre Fahrräder in die Türbereiche gestellt, sodass der Wagen nicht mehr für weitere Fahrgäste begehbar gewesen sei. Den Vorwurf des Rassismus weist die Sprecherin zurück. Die Sicherheitskräfte der S-Bahnwache hätten Anzeigen wegen Beleidigung und Körperverletzung gestellt. Wenn Sicherheitskräfte Personen am Boden festhielten, geschehe das zu ihrem eigenen Schutz, also wenn von einer Person eine akute Gefahr ausgehe.

Oktay C. sagt, seine Anzeige gegen die Sicherheitsmänner habe die Polizei aufgrund der stressigen Situation nicht aufnehmen wollen. Auch wenn er dies verstehen könne, fragt sich C., „warum sie dann eine Anzeige des Sicherheitsmannes wegen Körperverletzung gegen mich aufnehmen konnte“.

Ob die Staatsanwaltschaft gegen die Wachmänner bereits ermittelt, wurde bis Redaktionsschluss auf Anfrage nicht beantwortet. Oktay C. will zeitnah eine Anzeige wegen Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung stellen.

Oktay C. sieht in dem Vorfall zwar ein rassistisches Motiv, möchte aber lieber von Machtmissbrauch sprechen. Derartige Vorfälle träfen immer die Schwächeren der Gesellschaft. Deshalb hat er eine Petition mit dem Titel „Ich bin kein Einzelfall! Brutaler Angriff der Hamburger S-Bahn-Wache muss Folgen haben!“ gestartet, die bis jetzt von mehr als 5.000 Menschen unterschrieben wurde. Er fordert darin unter anderem die pädagogische Schulung von Sicherheitspersonal.

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20 Kommentare

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  • Der Fall dürfte doch ziemlich klar sein. S-Bahn-Wächter sind keine Polizisten und dürfen in so einem Fall keine Gewalt anwenden.

    • @Karin Möller:

      Stimmt! Deshalb auch "staatliches Gewaltmonopol", exklusiv für behördliche Amts-/ Hoheitsträger (Polizei, Ordnungsämter) vorgesehen.



      Eine private (uniformierte) Sicherheitstruppe, wie die DB-Sicherheit, kann sich nicht(!) darauf berufen. Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste haben nicht mehr Rechte als andere Bürgerinnen und Bürger auch.



      Ein reines Ordnungsproblem (vorliegender Fall, Fahrgast m. Fahrrad im öfftl. Verkehrsmittel) rechtfertigt nicht die Anwendung einfacher körperlicher Gewalt durch privates Sicherheitspersonal!

  • Die Hamburger S-Bahnwache dreht immer wieder durch. Freunde von mir wurden wegen Kuscheln aus der Bahn geworfen und die Polizei ist gekommen um einseitig Anzeige aufzunehmen. Zweimal habe ich den selben Sicherheitsfuzzi ausrasten gesehen - beide Male war es blutig.



    Einmal bin ich selbst angegangen worden. Mein Handy wurde mir abgenommen und ich wurde auf den Boden geworfen.



    Ich habe dann gut zwei Stunden in der Wache gesessen, bis meine Anzeige doch irgendwann aufgenommen wurde.



    Immerhin wurden die beiden tatsächlich ermittelt und einer hat eine haarsträubende Lügengeschichte zu Protokoll gegeben. Die wurde mir zusammen mit der Verfahrenseinstellung im selben Umschlag zugestellt.

  • Wenn da jeder käme und ein Rad hätte -



    Innenministerinnen wie Reul, Beuth und Herrmann puschen in die falsche Richtung und verwirrenmit ihrem falschen Sicherheitsbedürfnis die Sicherheitskräfte.

    Gefährder der Demokratie ist gerade bei Polizeigewalt auch ein psychologoisches und manchmal psychiatrisches Problem, da können Innenminister*innen nicht helfen, sondern schaden. Das ist einfach nicht ihr Thema, die können das nicht.



    Die Überforderung der Innenminsterinnen ist vergessenes, aber ein wichtiges Thema für die Politik.



    Es ist sehr schwer mit der Gewalt durch Psychosen umzugehen angesichts der Gewaltakte durch kranke Menschen und es ist einfach irrsinnig, wenn manche Angestellte bei Sicherheitsdiensten oder Polizei glauben, sie müßten durchgreifen, weil sie durch Minister verunsichert sind undnicht mehr wissen wie sie handeln sollen.



    Es war wohl die Fußballfangewalt ein Thema an dem Tag ...

  • Das einzige was Herrn Oktay von einer normalen Kartoffel unterscheidet ist sein Name. Und der taucht erst hier auf.



    Im Video ist ein gut aussehender "weißer" sportlicher Mann zu sehen.

    Was bleibt ist allenfalls Machtmissbrauch und Körperverletzung. Nicht aber Rassismus.

  • "Weil er sein Rad mitnehmen wollte"



    Wohl eher: "Weil die "Sicherheits"-Typen rassistisch sind"



    - welch Ironie/Zynismus im Namen

  • Besoffenen, grölenden, lauten Fussbalfans zuliebe, die regelmäßig in Bahnen eine immense Belästigung für andere Fahrgäste darstellen, sollen Leute die Leistung, die sie auch bezahlt haben (Fahrradticket), nicht in Anspruch nehmen dürfen, genau!



    Und außerdem, wenn Radfahrer ihre Fahrräder nicht ordnungsgemäß in der Bahn befördern können, nämlich in dem eigens dafür vorgesehenen einzigen Fahhradwaggon, dann deswegen, weil diese zusätzlich zu allen anderen Waggons ohne Fahrradstellplätze, auch regelmäßig von Fahrgästen ohne Fahrrad besetzt sind, u. A. eben von den bereits genannten testosterongesteuerten Fussbalfans.



    Das weiß ich alles leider zu gut aus eigener Erfahrung als regelmäßige Bahnfahrerin! Genauso sieht es übrigens auch mit den für Rollstühle und Kinderwagen vorgesehenen Plätzen aus, immer belagert und nicht die Radfahrer, Behinderte oder Mütter /Väter haben dann wenigstens auf den für sie vorgesehenen Plätze Vorrang, da deren Kontingent eh schon höchst beschränkt ist im Gegensatz zu Sitzplätzen, sondern da werden sie dann auch nicht zugelassen, wenn die Bahn zu voll ist, anstatt dass dann halt eben andere Fahrgäste ohne besonderen Bedarf oder Räder nicht mitfahren können.

    Von daher eine absurde Argumentationsführung der DB. Wenn der zug zu voll ust, sollen doch bitte die Fussbalfans aif den nächsten Zug warten müssen!

  • 9G
    90946 (Profil gelöscht)

    Da scheint viel zusammen gekommen zu sein: Stress wegen erwartetem Gedränge, autoritäres Gebaren seitens des Wachmannes, Zeitdruck des Passagiers (Kinder abholen), Vorbehalte gegen das Mitnehmen sperriger Räder, womöglich Ressentiments ...



    So überzureagieren und den Mann zu mehreren mit Körpergewalt niederzubringen wirkt doch sehr überzogen! Wenn man wirklich will, dass die Leute auf ÖPNV umsteigen, darf sowas nicht passieren, das schreckt doch heftig ab.

  • "Weil ich es sage“. Blödes autoritäres Verhalten. In Frage stellen wird mit körperlicher Gewalt beantwortet. Hilfspolizisten im Machtrausch.

    • @Andreas J:

      Habe ich heute auch so erlebt.



      Wie sagt Marc-Uwe Kling so treffend:



      "Ein Idiot in Uniform ist immer noch ein Idiot...!"

  • Gegen das übergriffige Personal und gegen die ermittlungsunfähigen Beamten muss mit unbarmherziger Härte ermittelt werden und das Strafmaß muss bis zum Äußersten ausgereizt werden.

    Denn hier geht es einmal mehr um mutmaßliche Straftaten durch Sicherheitsorgane.

    Und was Das angeht haben wir ja in Deutschland hinlänglich Erfahrungen der dunkelsten Sorte machen müssen.

    Hier muss der Staat in aller Deutlichkeit zeigen dass das Legalitätsprinzip überall gilt - auch und gerade bei den Sicherheitsorganen.

    BTW: Was gibt es eigendlich Neues zu dem bei einem Polizeieinsatz zu Tode gekommenden Jugendlichen aus Dortmund?



    taz.de/Polizei-toe...Dortmund/!5870594/

  • Das sind ja schon fast amerikanische Verhältnisse in Hamburg. Ich leide an Herzschwäche, heißt das, es ist jetzt zu gefährlich für mich, in Hamburg mein Fahrrad in der Bahn mitzunehmen, falls sich dort solche Unsicherheitskräfte herumtreiben?



    Mal ganz abgesehen davon, was für eine Message das in Zeiten der Klimakatastrophe an Radfahrer sendet. Und wieder einmal ist schon vorher klar, was bei den Ermittlungen herauskommt (siehe unten).

  • Das verlinkte Video ist ein wichtiges Beweismittel für den Staatsanwalt, wie auch die Zeugen in der S-Bahn. Eine Frau zeigt in der S-Bahn Zivilcourage und protestiert laut, will sogar die Notbremse ziehen, weil Oktay C. nichts getan habe, aber das nützt nichts, er wird von Mitarbeitern der DB-Sicherheit mit Gewalt aus der S-Bahn gezerrt und auf dem Bahnsteig zu Fall gebracht.



    Warum wurde von den DB-Mitarbeitern mit Oktay C. auf dem Bahnsteig nicht ruhig deeskalierend gesprochen, obwohl das zur Ausbildung der DB-Sicherheit gehört? Warum trugen die Mitarbeiter der DB-Sicherheit keine Body-Cams, obwohl der Hamburger DB-Sicherheitsdienst damit in einer Anzeige für eine Umschulung wirbt?

    deutsche-bahn.heyj...okBDobL%2BRQ%3D%3D

    • @Lindenberg:

      Das verlinkte Video ist wirklich ein wichtiges Beweismittel, weil es eben auch den Grund des unmittelbaren Zwangs zeigt.

      Gerade weil Oktay C. nichts tut. nämlich nicht aussteigt, wird er zwangsweise rausgezogen.

      Das Gerichtsverfahren wird spannend.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Man kennt die Wahrheit nicht und kann den Vorfall deshalb nicht abschließend beurteilen.



    Was aber mehr als dubios erscheint, ist das Verhalten der Polizei gegenüber den Beteiligten bei den Anzeigen.



    Die eine Anzeige, die der "Kollegen" wird selbstverständlich aufgenommen (obwohl denen körperlich nichts passiert ist) - die andere, die des Bürgers, kann wegen der "Stresssituation" nicht aufgenommen werden.



    So und ähnlich läuft das immer und immer wieder.



    Und die Politik weigert sich nach wie vor, unabhängige Ermittlungsstellen gegen Polizeigewalt (die hier noch nicht bewiesen, aber immerhin von einem Bürger behautpet wird, der nur sein Rad transportiern wollte) und -rechtsverstöße einzurichten.



    Warum wohl?



    Fragt sich der "mündige Bürger".

  • Ich hoffe, dass sich alle Augenzeugen dieses Vorfalles bei dem Betroffenen melden.



    Ich selbst habe bereits zwei völlig unbegründete Übergriffe erlebt.



    Im ersten Fall habe ich geklagt. Mangels zeugen wurde später das Verfahren mangels "öffentlichem Interesse" eingestellt.



    Den zweiten Fall habe ich "weggeatmet" - Hauptsache ich bin Zuhause in Sicherheit und nicht im Krankenhaus gewesen.



    Manches Personal tritt aggressiv auf.

  • taz-Zitat: "(...) Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, will sich die Bundespolizei nicht äußern. (...)"



    Die Bundespolizei (ehem. BGS) ist seit mehr als 20 Jahren in einen Kooperationsvertrag mit der DB-Sicherheit/ Hamburger S-Bahn Wache eingebunden. Im Mai 2001 unterzeichneten der damalige Bundesinnenminister Otto Schily und Ex-DB-Chef Hartmut Mehdorn ein entsprechendes Papier. Bis heute wird der mangelnde Datenschutz innerhalb dieser "police private partnership" kritisiert.



    Nun soll die Bundespolizei gegen ihren "Joniorpartner", die DB-Sicherheit - neutral - ermitteln. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

    taz.de/!1174905/

    • @Thomas Brunst:

      Danke - anschließe mich

    • @Thomas Brunst:

      Vielen Dank für diesen wichtigen Hinweis! Ich freue mich immer, wenn Kommentare zusätzliche Fakten oder neue Informationen zu einem Artikel liefern anstatt irgendwelcher hingeschnodderten Meinungen ohne Grundlagen.

  • Eine Anzeige nicht aufnehmen geht gar nicht. Dafür muss Zeit sein.



    Gab es denn Beschwerden von Mitreisenden, die nicht einsteigen konnten. Ich vermute nein. Das regelt sich von selbst, ganz ohne Polizei und Sicherheitsdienst. Wenn so auf Sicherheit geachtet werden soll, dann bitte überall. Auch dort wo Reisende mit zwei großen Rollkoffern die Gänge in Zügen versperren, sollte dann hart durchgegriffen werden. Dann müssen aber mehr Sicherheitsleute eingestellt werden. Für Personenbeförderung ist das bestimmt sehr förderlich……..