Wegen verschwiegener Homosexualität: Spanier muss Ex-Frau entschädigen
Ein Urteil löst in Spanien Empörung aus. Ein Mann muss 3.000 Euro zahlen, weil er seiner Ex nicht von seinen homosexuellen Beziehungen erzählt habe.
Madrid taz | Muss ein Mann seiner Frau erzählen, dass er vor der Ehe homosexuelle Beziehungen hatte? Eine Richterin in der spanischen Mittelmeerstadt Valencia meint: Ja. Sie verurteilte den Anwalt Javier Vilalta zu 3.000 Euro Entschädigungszahlung – 1.000 Euro pro Ehejahr – an seine Ex-Frau. Außerdem annullierte sie die 2011 geschiedene Ehe. Der Verurteilte, der im Verfahren durchaus angab, bisexuell zu sein, will gegen „das schreckliche Urteil“ in Berufung gehen. Er habe seine Frau nie betrogen und er habe sie aus Liebe geheiratet. „Meine Frau weiß, dass ich während der Ehe total heterosexuell war“, fügte Vilalta hinzu.
Der Richterin reicht dies nicht. Sie sieht in „der vorsätzlichen Verheimlichung“ seines Vorlebens durch den Verurteilten „Betrug“. Laut einem Gesetz aus dem Jahre 1889 sei die Ehe deshalb ungültig, erklärte sie gegen die Kriterien der Verteidiger und der Staatsanwaltschaft. Die Ehe war 2011 im gegenseitigen Einvernehmen geschieden worden. Beide seien Freunde geblieben, so der Verurteilte. Er habe seiner Ex 2016 gar einen männlichen Partner vorgestellt.
2019 schließlich zog die Frau auf Anraten ihrer Freundinnen vor Gericht, um die Ehe für „nichtig“ erklären zu lassen. In der Klage behauptete die Frau unter anderem, dass sie nach der Scheidung „große soziale Ablehnung“ erfahren habe.
Der spanische Verband der Lesben, Schwulen, Transgender und Bisexuellen (FELGTB) spricht von einem „reaktionären Urteil“. Das „moralische Gerichtsverfahren“ stelle einen „besorgniserregenden Präzedenzfall“ dar. Das Urteil richte sich gegen die verfassungsmäßigen Grundrechte. „Das Urteil ist ein Hinweis an die Gesellschaft, dass jeder, der ein Sexualleben außerhalb der Norm hat, vor Gericht kommen und verurteilt werden kann“, erklärt die FELGTB-Sprecherin Uge Sangil.
Gleichstellungsministerin verlangt, Gesetz zu prüfen
„Niemand sollte gezwungen werden, sich zu seiner sexuellen Orientierung zu äußern“, beschwert sich auch die Vizeregierungschefin und Ministerin für Gleichstellung und integrative Politik der Region Valencia, Mónica Oltra, über das Urteil. Oltra verlangt, dass der Gesetzgeber das dem Urteil zu Grunde liegende Gesetz aus dem Jahr 1889 überprüfe. Der Begriff der „Nichtigkeit“ einer Ehe stamme schließlich aus Zeiten, als eine Scheidung unmöglich war.
Fälle wie die von Vilalta kommen in der zivilen Rechtsprechung so gut wie nicht vor. Wenn Ehen für „nichtig“ erklärt werden, geschieht dies in Spanien vor kirchlichen Institutionen. Es geht dabei um Paare, die so streng religiös sind, dass sie sich nicht zivil scheiden lassen wollen, da dies eine erneute kirchliche Trauung verunmöglicht.
Leser*innenkommentare
mats
Ich gehe doch davon aus, dass die Richterin auch einer Frau 3000 Euro Entschädigung zusprechen und ihre Ehe annullieren würde, wenn sich herausstellte, dass ihre Ex-Frau ihr ihre voreheliche heterosexuelle Beziehungen verschwieg. Wenn schon archaisches Recht, dann für alle.
Linksman
Hoffentlich weigert sich der Mann standhaft, dieser raffgierigen Frau auch nur einen Cent zu zahlen. Ich an seiner Stelle würde das noch im Gerichtssaal ankündigen.
Thilo Wetzel
Liebe TAZ,
ist es denn so furchtbar schwer, das Wort "Bisexualität" zu benutzen? Der Angeklagte bezeichnete sich selber als bisexuell. Das ist ein krasser Fall der Auslöschung einer sexuellen Orientierung und es macht bisexuelle Menschen und ihre Probleme unsichtbar.
Solltet Ihr da Bildungsdefizite haben, es gibt gute Anlaufstellen diese Lücken zu stopfen.
Sven Günther
@Thilo Wetzel Die taz gibt die Begründung des Urteils wieder.
"Die zuständige Richterin hatte vor einigen Jahren bereits die Ehe der beiden für nichtig erklärt - und das mit der Homosexualität des Mannes begründet."
www.deutschlandfun...rn:news_id=1185739
Bolzkopf
Letztendlich wird auch hier wieder der EuGH tätig werden müssen ... wie so oft.
In Spanien merkt man halt doch noch hin und wieder dass die Franco-Ära noch nicht sooo lange her ist.
Hamnial
Eine furchtbare Geschichte aus der Reihe "Für mich als Danebenstehende*r ist das Stigma von Homosexualität so furchtbar; lasst es uns noch weiter erhöhen, damit es mir persönlich besser geht!"
Ich hoffe ebenfalls, dass der Mann noch die Energie und Möglichkeit hat, dass auf das Urteil nochmal draufgeguckt wird.
the real günni
bei aller liebe - manchmal hat man den eindruck, ein gewisser teil von spanien befindet sich noch im mittelalter
fvaderno
@the real günni Das stimmt. Schaut man die wahrscheinlich von der konservativen Regierung bestellten Urteile über die Mitglieder der Regionalregierung von Katalonien an, dann bestätigt dies sich hier.
Hoffentlich hat der Mann die Mittel und den Willen, sich an den Europäischen Gerichtshof zu wenden.
Sven Günther
@fvaderno Der Mann ist Rechtsanwalt, der wird wissen wie er das zu händeln hat.
hedele
Das Urteil dürfte wohl falsch sein. Nicht, weil man seine Homosexualität in der Ehe verschweigen darf, das finde ich als Schwuler auch verstörend, sondern weil das niemals für eine Nichtigkeit reichen kann, ist damit doch nicht impliziert, dass man die Ehe nicht ernst nimmt. Viele Ehen von Homosexuellen, als Beispiel nur Thomas Mann, belegen das Gegenteil.
Madeline Seel
@hedele Der Mann identifiziert sich selbst als bisexuell! Nicht als schwul. Die taz hat hier in ihrer headline, ebenso wie die Ex des Angeklagten und die Richterin, einfach mal darüber hinweggesehen, dass es Bisexualität gibt und nicht jede gleichgeschlechtliche Erfahrung = homosexuell bedeutet.
Devil's Advocate
@Madeline Seel Es geht nicht drum, dass er bisexuell ist/war, sondern homosexuelle Beziehungen hatte.
Saile
@Devil's Advocate Ja, aber in der Über-Überschrift des Taz-Artikels steht: „Wegen verschwiegener Homosexualität“...und das ist einfach falsch wenn der Angeklagte sich selbst als bisexuell bezeichnet!