Wege zur Befreiung der Hamas-Geiseln: Deutschland macht sich klein
Wenn Deutschland die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln wichtig ist, muss es sich für einen Waffenstillstand einsetzen.
N och sind über 130 Geiseln in der Gewalt der Hamas, und das schon seit über 100 Tagen. Verzweifelt drängen deren Angehörige und Freunde darauf, dass ihr Schicksal nicht in Vergessenheit gerät. Es ist gut, dass in Deutschland daran erinnert wird, zumal unter den Geiseln auch deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger sind. Aufgabe einer kritischen Öffentlichkeit wäre es aber auch, die Bundesregierung hier stärker in die Pflicht zu nehmen.
Denn die Bundesregierung könnte mehr tun, um auf eine Freilassung der Geiseln hinzuwirken. Sie könnte sich zum Beispiel für einen Waffenstillstand und Verhandlungen starkmachen. Schließlich kamen im November rund 100 Geiseln frei, nachdem Israel mit der Hamas darüber verhandelt hatte. Dazu brauchte es eine Feuerpause. Und die bräuchte es jetzt wieder.
Selbst wenn man 24.000 getötete Palästinenserinnen und Palästinenser als „Kollateralschaden“ betrachtet, wie es manche tun – allein um das Leben der Geiseln zu retten, müssen die Waffen schweigen. Seit Israels Regierung ihren Krieg wieder mit unverminderter Härte weiterführt, sind mehrere Geiseln gestorben, drei wurden irrtümlich von israelischen Soldaten erschossen. Mit jedem Tag, den der Krieg weitergeht, schwindet die Hoffnung, dass die übrigen Geiseln ihn überleben. Außerdem könnte Deutschland mehr Druck auf Katar machen, um die Hamas zum Einlenken zu bewegen. Der umstrittene Gasdeal mit dem Emirat könnte dafür ein Hebel sein.
Außenministerin Annalena Baerbock fordert von Israel, mehr humanitäre Hilfe nach Gaza zu lassen und mehr für den Schutz der Zivilistinnen und Zivilisten zu tun. Sie hat ihren Ton verschärft, aber was hat sie in der Hand? Das bleibt unklar. Um die humanitäre Krise im Gazastreifen zu lindern, muss die Bundesregierung den Druck auf Israel erhöhen und mit Konsequenzen drohen, falls nichts passiert.
Stattdessen belässt es die Außenministerin bei wohlfeilen Appellen. Damit macht sich Deutschland kleiner, als es ist. Denn ohne Druckmittel, über die Deutschland zweifellos verfügt, gehen alle Forderungen ins Leere. Dann bleibt jede Empörung folgenlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit