Wasserstoff statt Kohle in Moorburg: Auferstehung der Investitionsruine
Auf dem Gelände des abgeschalteten Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg wollen vier Firmen im großen Stil Wasserstoff aus Ökostrom erzeugen.
Würden diese Pläne Wirklichkeit, gäbe das der Energiewende-Politik des rot-grünen Senats einen Schub. „Hier liegt ein großer Hebel zur Erreichung unserer Klimaziele“, sagt Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Damit werde ein großer Schritt hin zu einer langfristigen Dekarbonisierung des Hafens sowie einer wettbewerbsfähigen Wasserstoffwirtschaft getan, ergänzt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (SPD).
Auch der Naturschutzbund (Nabu) hält das Vorhaben für eine „sinnvolle Folgenutzung des brachliegenden Areals“. Er warnte aber, der Senat dürfe sich die entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten nicht durch seine Pläne für die Autobahn A26 quer durch den Hafen verbauen.
Wasserstoff soll nach dem Willen der Bundesregierung ein zentraler Baustein der Energiewende hin zu einer Wirtschaft ohne Kohlendioxidemissionen werden. Das flüchtige Gas soll fossile Brennstoffe wie Erdgas und Erdöl ersetzen und zugleich eines der großen Probleme der Energiewende lösen helfen: die unstete Verfügbarkeit von Energie aus Wind und Sonne.
Windkraft-Überschuss soll genutzt werden
Bei einem Überschuss an erneuerbarer Energie könnte diese mit Hilfe des geplanten Elektrolyseurs in Wasserstoff umgewandelt und somit gespeichert werden. 100 Megawatt Leistung soll diese Erzeugungsanlage zunächst haben, mit der Möglichkeit, weiter zu wachsen. „In Hamburg gibt es keine bessere Lage für einen skalierbaren Elektrolyseur dieser Größenordnung“, sagt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann.
Das liegt daran, dass es an diesem Ort wegen des Kohlekraftwerks an das Hochspannungs- also Fernübertragungsstromnetz angeschlossen ist. „Über die Verbindung zu Brunsbüttel haben wir direkten Zugriff auf die Versorgung mit grünem Strom aus der Windkraft – und damit die Möglichkeit, tatsächlich grünen Wasserstoff in relevanten Mengen zu produzieren“, sagt Westhagemann. Über Brunsbüttel kommt der Windstrom aus Schleswig-Holstein und von der Nordsee.
Doch den Konsortialpartnern schwebt wesentlich mehr vor als nur eine Anlage, die Wasser mit Hilfe von Strom in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Durch seine Lage könne Moorburg zu „einem potenziellen Startpunkt für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft“ werden, mehr noch: zu einem „green energy hub“, einem zentralen Umschlagpunkt für erneuerbare Energie.
Das heutige Kraftwerksgelände liegt am seeschifftiefen Wasser, sodass Wasserstoff auch per Schiff angeliefert werden könnte. Das gilt aber auch für Biomasse, mit der sich ein neues Kraftwerk für Strom und Wärme an dieser Stelle betreiben lassen könnte, wofür wiederum bereits der Mittelspannungsanschluss in die Stadt vorhanden ist.
Endlich Fernwärme aus Moorburg
Die Wärme eines solchen Kraftwerks und die Abwärme des Elektrolyseurs könnten in das städtische Fernwärmenetz eingespeist werden, weshalb auch die Wärme Hamburg mit von der Partie ist. Zugleich bereitet die ebenfalls städtische Gasnetz Hamburg ein Wasserstoff-Verteilnetz im Hafen vor, das „Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz“, kurz: HH-WIN. Das Netz mit zunächst 45 Kilometern Länge südlich der Elbe soll bis spätestens 2030 einen Großteil der Industrieunternehmen mit grünem, also klimaneutralem Wasserstoff versorgen.
Eine gewisse Unsicherheit für die hochfliegenden Pläne ergibt sich allerdings daraus, dass noch offen ist, ob das Kohlekraftwerk Moorburg tatsächlich abgerissen wird. Noch prüft der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, ob das große Kraftwerk nicht für extreme Lagen in Reserve gehalten werden müsste, um einen Zusammenbruch des Stromnetzes zu verhindern.
„Die Planungen würden weiter vorangehen“, versichert Jan Dube von der Umweltbehörde. Schließlich sei das Areal ja groß. Sollte das Kraftwerk als Reserve reklamiert werden, reiche möglicherweise einer der beiden Blöcke und das ja auch nur für eine Übergangszeit. „Genaueres wissen wir erst im März“, sagt der Behördensprecher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin