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Wasserkrise und Rassismus in den USABraune Tropfen aus dem Wasserhahn

Starkregen hat die Wasserversorgung der Stadt Jackson zusammenbrechen lassen. Klimaaktivisten sprechen von „umweltpolitischen Rassismus“.

In Jackson, Mississippi, gab es Wasser viele Tage lang nur noch abgepackt Foto: Carlos Barria / Reuters

New York taz | Aus den meisten Hähnen in Jackson tropft seit Sonntag wieder Wasser. Was heraus kommt, ist zwar braun und muss vor der Benutzung abgekocht werden. Aber es ist eine Verbesserung gegenüber der vorausgegangenen Woche, als Zigtausende Bewohner der 150.000 Einwohner-Stadt überhaupt kein Leitungswasser hatten.

Nach einer Überschwemmung der Wasserwerke war die Wasserversorgung der Hauptstadt von Mississippi zusammen gebrochen. Wasser für alles – Zähneputzen, Duschen, Kochen und Toilettenspülungen – musste von außen geliefert werden, Betriebe machten zu, die Universität Jackson State University schickte ihre gerade erst für das neue Semester angereisten Studenten wieder nach Hause, und auch der Feuerwehr fehlte das Wasser, um Brände zu löschen. Auch nach ersten Reparaturen warnt die Chefin der US-Katastrophenschutzbehörde FIMA, Deanne Criswell, vor Optimismus. Nach einem Besuch vor Ort sagte sie, es sei „zu früh, von einer Rückkehr zur Normalität zu sprechen“.

Jacksons Bürgermeister Chokwe Antar Lumumba hatte die Katastrophe kommen sehen. Schon vor mehr als einem Jahr prognostizierte er: „Unsere Wasserversorgung wird zusammenbrechen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es passiert.“

Wie seine Amtsvorgänger hat er sowohl bei der Spitze des Bundesstaates als auch bei der Bundesregierung vergeblich um finanzielle Hilfe für die Infrastruktur von Jackson ersucht. Den Zustand seiner Stadt nennt er eine Folge „absichtlicher Vernachlässigung“.

„Systemischer, umweltpolitischer Rassismus“

Im zurückliegenden Juli konnten die maroden Wasserwerke den sintflutartigen Regenfällen, die in Zeiten der Klimakrise häufiger werden, nicht standhalten. Als der Pearl Fluss über die Ufer trat, wurde die „O.B. Curtis Water Treatment Plant“ überschwemmt. Wenig später versagten die Pumpen. Das Leitungswasser in Jackson versiegte.

Zusätzlich zu der veralteten Infrastruktur und zu der Klimakrise erschweren in Jackson politische und rassistische Ressentiments die Situation. Klimaaktivisten sprechen von „systemischem, umweltpolitischem Rassismus“. Mehr als 80 Prozent der Einwohner von Jackson sind Afroamerikaner. Und mehr als 25 Prozent von ihnen leben in Armut. Mit der „White Flight“ von der Mitte des letzten Jahrhunderts floh die weiße Mittelschicht, unterstützt vom Bau von Interstate Highways und von Wohnungsbauförderungen, von denen Afroamerikaner ausgeschlossen waren. Das hat die demographische Situation der Stadt radikal verändert.

Seither sinken die Steuereinnahmen. Und seither wachsen die Feindseligkeiten zwischen der weißen, republikanischen Führung des Bundesstaates und der schwarzen, demokratischen Spitze der Stadt.

Bürgermeister Lumumba nennt sich einen Sozialisten. Gouverneur Tate Reeves ist ein Republikaner vom rechten Flügel und stemmt sich gegen sämtliche demokratischen Reformen: von der Gesundheitspolitik bis zum Recht auf Abtreibungen und auf Verhütungsmethoden (sic!). Als Lumumba im Jahr 2017 zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt wurde, versprach er, seine Stadt werde die „radikalste des Planeten“.

Linker Bürgermeister gegen rechten Gouverneur

Der Sozialist im Rathaus und der Gouverneur tun sich schwer miteinander. Ihre Pressekonferenzen in der Wasserkrise halten sie getrennt ab. Bei dem Besuch der Fima-Chefin bei den Wasserwerken gehen sie in mehreren Schritten Abstand voneinander.

Für die Wasserkrise machen sie sich gegenseitig verantwortlich. Der Gouverneur wirft der Stadt „schlechtes Management“ vor. Der Bürgermeister klagt nicht nur über den Rassismus, sondern auch darüber, dass Mississippi trotz dringend nötiger Infrastrukturmaßnahmen die Steuern gesenkt hat.

„Wir sind unterversorgt. Die ärmsten Teile der Stadt bekommen gerade genug, um zu überleben“, sagt Imani Olugbala Aziz von der Bürgerinitiative „Cooperation Jackson“, die seit letzter Woche landesweit Geld für Wasser für Jackson sammelt. Ihr Kollege Kali Akuno vergleicht die Situation von Jackson mit der anderer mehrheitlich schwarzer Städte wie Flint in Michigan und Newark in New Jersey, in denen jahrzehntelange Vernachlässigung ebenfalls zu Wasserkatastrophen geführt hat. Wie an den anderen Orten hatte auch Jacksons Leitungswasser schon Jahre vor der aktuellen Krise eine miserable Qualität. Fast jeden Monat erhielten die Verbraucher die Mahnung: vor Gebrauch muss das Wasser abgekocht werden. Die 300 Dollar teuren Filter konnten sich nur wenige leisten.

Hilfe für Jackson ist in den letzten Tagen von zwei benachbarten Großstädten gekommen, die ebenfalls Erfahrungen mit Wasserkatastrophen haben. Houston, Texas, und New Orleans, Louisiana, haben Laster voller Wasser nach Jackson gebracht. Der Gouverneur von Mississippi hat eine Hilfe von drei Millionen Dollar bewilligt. Zusätzlich will die US-Umweltbehörde 75 Millionen Dollar in die Renovierung der bleihaltigen Rohre investieren. Beides sind Tropfen auf ein marodes System. Um es nachhaltig zu reparieren, sind nach Angaben von Bürgermeister Lumumba fast eine Milliarde Dollar nötig.

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1 Kommentar

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  • Mit wenigen Ausnahmen haben die USA ein schreckliches Wassermanagement. Schuld daran ist aber nicht Rassismus, sondern die Neigung der Amerikaner gigantische Suburbs zu bauen, für welche ein vernünftiges Wassermanagement schlicht und einfach nicht zu stemmen ist. Verdichtung und Entsiegelung sind die Schlagworte. Schade, dass das im Artikel nicht vorkommt.