Was bringt Technologischer Fortschritt?: Gemeinnützige Forschung statt Profit
Wissenschaft war lange auf Fortschritt aus. Das muss sich ändern, sagt Forscherin Schaper Rinkel – vor allem wegen Klimakrise und Digitalisierung.
Technologien haben seit Jahrhunderten wirtschaftlichen Wohlstand und gesellschaftlichen Fortschritt angetrieben. Aber dieses Modell kommt im Zeitalter des Anthropozäns, des erschöpften Planeten, zu einem Ende. Für eine nachhaltige Zukunft wird es nötig sein, die Wissenschaft auf ihre Basics zurückzuführen und große algorithmische Plattformen in öffentlicher Regie aufzubauen, sodass sie Prinzipien der Gemeinnützigkeit und nicht des Profits folgen.
Diese Argumentation von Petra Schaper Rinkel, Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung des digitalen Wandels an der Universität Graz, steht im Mittelpunkt des neuen Jahrbuchs des Austrian Institute of Technology (AIT). Das Buch wurde jetzt zur europäischen Wissenschaftskonferenz „European Forum Alpbach“ (EFA) im beschaulichen Tirol vorgestellt.
Schaper Rinkel nimmt die Herausforderungen und Defizite der doppelten Transformation durch digitalen und ökologischen Wandel in Blick, die beide sowohl Krisenphänomen als auch Rettungsansatz verkörpern. Interessant ist die Sichtweise der österreichischen Forscherin, das Theoretische mit dem Praktischen zu verbinden. Sie sieht die Wissenschaft weltweit, vor allem aber in den Industriestaaten, auf einem fatalen Irrweg der Nutzenorientierung. „Insgesamt ist das aktuelle Wissenschaftsverständnis eine absurde Engführung auf das unmittelbar Erreichbare“, kritisiert Schaper Rinkel.
Viel Arbeit zur Umsteuerung also in den Elfenbeintürmen. Aber richtig hart wird es bei der digitalen Transformation, die über die Wirtschaft hinaus auch das private Leben und die demokratisch-politischen Verhältnisse beeinflusst. Schon die Forschung ist falsch gelagert, wie Schaper Rinkel am Beispiel der großen EU-Flagship-Projekte darstellt, die jeweils mit einer Milliarde Euro die Themen Graphene, Quantentechnologie und Human Brain Computing untersuchen.
Neue Wege in die digitale Zukunft
„Es fehlen Initiativen, die algorithmische Systeme – Künstliche Intelligenz – als zentrale Technologie der Gegenwart adressieren“, sagt Schaper Rinkel. Kein Projekt widme sich in dieser Größenordnung „dem Aufbau eines offenen und öffentlichen Innovationssystems algorithmischer Plattformen“, obwohl gerade hier die höchste Wertschöpfung erzielt werde. Hinzu komme die infrastrukturelle Bedeutung.
Hier müssten völlig neue Wege in die digitale Zukunft vorgedacht und vorbereitet werden, betont die Grazer Innovationsforscherin. Statt Regulierung der privaten US-Plattformen gehe es um den „Aufbau offener, öffentlicher Plattformtechnologien für eine europäische Öffentlichkeit“. Die Welt, die Demokratie und das Klima werden aus Sicht von Schaper Rinkel „nur gerettet werden können, wenn KI eine öffentliche Infrastruktur wird, die aus den Wissenschaften und aus den Künsten heraus entwickelt und aktiv genützt wird“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch