Warum der Welttoilettentag wichtig ist: Unmöglicher Alltag
Der Mangel an sicheren Klos in etlichen Ländern ist ein Desaster – vor allem für Frauen. Für sie ist er ein Entwicklungshindernis.
W elttoilettentag klingt ja immer ein bisschen lustig – nach Lokus- und Pipi-Witz, nach dem etlichsten Awareness-Day, vielleicht sogar nach überflüssig? Schön wäre es. Leider aber haben immer noch 4,2 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu sauberer, sicherer Sanitärversorgung – sie können nicht einfach zur Toilette spurten und sich danach die Hände waschen, um sich und andere vor Corona und anderen Infektionen zu schützen.
Tatsächlich ist der Mangel an sicheren, sauberen Klos in etlichen Ländern ein Desaster – für alle Menschen, aber auf besondere Art und Weise für Menschen mit Gebärmutter. Ein generell kleineres Blasenvolumen, das Wechseln von Menstruationsprodukten, Blasenschwäche nach einer Schwangerschaft sind nur drei der Gründe, warum Frauen schlicht häufiger die Toilette aufsuchen müssen. Verwehrt man ihnen nun anständige Sanitäranlagen, wird ihre Bewegungsfreiheit im Alltag stark eingeschränkt. Der Mangel wird auch zum Entwicklungshindernis, wenn dies zum Beispiel Mädchen daran hindert, mangels ausreichender Hygieneeinrichtungen zur Schule zu gehen. Die NGO Water Aid hat 2017 errechnet, dass Frauen und Mädchen ohne Toiletten jedes Jahr 97 Milliarden Stunden damit verbringen, einen sicheren Ort für ihr Geschäft zu suchen. Was für ein entwürdigender Zustand.
Für die Alltäglichkeit des Toilettengangs gehen Frauen und Mädchen zudem ein hohes Risiko ein: Sie seien in und um Wasser- sowie Sanitäranlagen und Toiletten sogar am stärksten gefährdet „für geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich Vergewaltigung“, erinnern über 20 UN-Berichterstatter*innen in einem Statement zum Welttoilettentag. Wenn Frauen im Dunkeln weite Wege auf sich nehmen müssen, um sich zu entleeren, gehen sie halt nicht. In manchen Flüchtlingslagern hört man etwa von der Praxis, ab nachmittags keine Getränke mehr zu sich zu nehmen, um nachts nicht in Verlegenheit zu kommen. Verkneifen und nix trinken – es braucht keine Ärztin, um darin ein Gesundheitsrisiko zu erkennen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version war der Artikel mit dem Begriff „Menschen mit Gebärmutter“ angeteasert – im Text wird der Begriff ein einziges Mal im anatomischen Kontext verwendet. Da dies im Teaser aber eine unpassende Verkürzung darstellt, haben wir es in „Frauen“ geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden