piwik no script img

Warnungen vor Aus für DeutschlandkarteStendal streicht 49-Euro-Ticket

Der Landkreis Stendal fürchtet Zusatzkosten und steigt aus dem Abo aus. Kun­d:in­nen sind verunsichert. Verbände warnen vor den Folgen.

Gilt nicht mehr in Stendals Bussen: Das Deutschlandticket Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin taz | „Vorverkauf für das Deutschlandticket gestartet“, steht auf der Startseite von Stendalbus, dem Nahverkehrsbetrieb im Landkreis Stendal – mit Ausrufezeichen. Eine alte Meldung, denn: Vergangenen Donnerstag hat der Kreistag in Stendal entschieden, dass das 49-Euro-Ticket nicht mehr in den Bussen vor Ort gelten soll. Verbände warnen nun davor, dass die Entscheidung des Landkreises Schule macht und die deutschlandweit gültige Fahrkarte ins Wanken bringt.

Es wäre „auf jeden Fall der Tod des Deutschlandtickets“, wenn mehrere Kommunen aus dem Abo aussteigen, sagte Detlef Neuß, der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, im MDR-Fernsehen. Stendal ist bundesweit der erste Kreis, der sich aus dem Deutschlandticket herauszieht. „Wir müssen unbedingt einen Dominoeffekt verhindern“, sagte auch Dirk Flege, Geschäftsführer des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, der Deutschen Presse-Agentur.

Im Landkreis Stendal wohnen rund 112.000 Menschen, er liegt im Nordosten Sachsen-Anhalts. Warum nun sollen die Busse dort nicht mehr mit dem 49-Euro-Ticket nutzbar sein? Um die Mehrkosten zu decken, die Stendalbus durch das Deutschlandticket, höhere Energie- und Personalkosten entstehen, will das Unternehmen die Tarife um 14,8 Prozent erhöhen. Im Rahmen des Deutschlandtickets ist jedoch geregelt, dass die Preise für Fahrgäste nur um 8 Prozent steigen dürfen – die Differenz wäre am Landkreis hängen geblieben, der Kreistag hat für die ersten vier Monate im Jahr 2024 mit Zusatzkosten von rund 40.000 Euro gerechnet.

Im Kreistag sei nicht wirklich debattiert worden, kritisiert Mario Blasche, Linken-Vorsitzender in Stendal.

Die Übernahme ebendieser Zusatzkosten haben 14 Abgeordnete, vor allem aus CDU, FDP und der Wählergemeinschaft Pro Altmark abgelehnt. 13 Abgeordnete stimmten mit Ja, mehrere enthielten sich – oder waren, wie die beiden Grünen-Vertreter:innen, nicht anwesend.

Stendalbus will schnell Alternativen bieten

„Diejenigen, die den Beschluss abgelehnt haben, hatten dafür kaum Argumente“, im Kreistag sei nicht wirklich debattiert worden, kritisiert Mario Blasche, Linken-Vorsitzender in Stendal. Ihn erreichten nun tagtäglich Anfragen von Pendler:innen, die nicht wissen, was die Entscheidung für sie bedeutet – vor allem, weil die Kündigungsfrist für das Deutschlandticket für Januar 2024 bereits am 10. Dezember verstrichen ist.

Laut Stendalbus gilt es nun, schnell Alternativen zu finden und den Abon­nen­t:in­nen lokale Fahrkarten zu bieten. Am Donnerstag entscheidet das Land Sachsen-Anhalt über den Haushalt, der auch Gelder für den ÖPNV in Landkreisen vorsieht. Möglich, dass das zunächst verhindert, dass andere dem Beispiel Stendals folgen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Einfach mal den Haushalt anschauen: 130T € für den Flugplatz! Da sieht man, wo die Prioritäten liegen.

  • Zitat Wikipedia: "Im Zukunftsatlas 2016 belegte der Landkreis Stendal den letzten Platz unter 402 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland und zählt damit zu den Regionen mit „sehr hohen Zukunftsrisiken“. Der Zukunftsatlas 2019 zeigt den Landkreis ebenfalls auf dem letzten Platz. Der eher strukturschwache Landkreis ist von Landwirtschaft geprägt."

    Jetzt im Alleingang das Deutschlandticket abzusägen macht die Sache wohl nicht besser.

    • @Der dreckich Katz:

      Aber es zeigt auch, woher der Wind weht. Dieser Landkreis kann sich offenkundig die Mehrkosten nicht leisten. Und das Signal auf die höheren Ebenen ist es durchaus wert auch mal zu sagen, dann eben nicht.

  • Also die ÖPNV-Gesellschaft kann im Rahmen des Tickets nicht kostendeckend arbeiten. Ehrlich gesagt sehe ich den Landkreis auch nicht in der Pflicht ein Bundespolitisches Projekt auf eigene Kosten zu retten. Da müssen jene hervortreten, welche das angeleiert haben und den entsprechenden, auch finanziellen, Rahmen schaffen.

  • Geht das rechtlich überhaupt? Ich hoffe es hagelt Klagen!

  • Ahh- der Stolz ein Ossi zu sein. Ich freue mich auf das Werbeplakat:"Auf nach Stendal- wir sind anders als der Rest der Welt"

  • Ich bin ja dafür, dass es für Politiker sowas gibt wie die PISA-Studie für das Bildungssystem ...

  • Kann mir mal bitte jemand erklären, warum jetzt einfach so ein Landkreis/Verkehrsverbund aus dem Deutschlandticket aussteigen kann und dies einfach so hingenommen wird? Ist das D-Ticket nicht bundesweit seitens der Bundesregierung eingeführt worden, und nun für alle Nahverkehrsmittel bindend? Was soll der M***?

    • @hechtmaus:

      Wer Freibier ruft, muss auch die Zeche zahlen.

      Bei der Einführung des 49€ Tickets wurde zugesichert, dass die Verkehrsbetriebe angemessen entschädigt werden. Ganz offensichtlich ist das aber nicht der Fall und viele Verkehrsbetriebe machen wegen dem 49€ Ticket mehr Defizit. Ich habe schon von mehreren Verkehrsbetrieben gelesen, dass sie auch austreten wollen, sollte die Förderung auch weiterhin defizitär sein.



      Für den Fahrgast ärgerlich, für die Verkehrsbetriebe wirtschaftlich verständlich.



      Wenn Bund und Land große töne spuckt, dass müssen sie auch die Rechnung begleichen.

    • @hechtmaus:

      Das kann keiner erklären.



      Die Einführung des Tickets hat ja auch nicht erst jeder Kreis abnicken müssen. Und als Inhaber eines Abos, das ich nicht mehr kündigen kann würde ich darauf bestehen, dass der Bus mich mitnimmt.



      Ich hoffe da sind genug Leute mit Rechtsschutzversicherung, die es sich leisten können, gegen diese nachträgliche Leistungsänderung im Abo zu klagen.

      • @Herma Huhn:

        Na eben, die einzelnen Landkreise und Verkehrsverbünde mussten ja nicht zustimmen, da es in Abstimmung zwischen Bund und Ländern schlicht und ergreifend zentral festgelegt wurde. Ich habe den Eindruck, dass einige Abgeordnete des Kreises Stendal entweder nicht Willens sind oder einfach keinen Arsch in der Hose haben, aud die Landesregierung ordentlich Druck auszuüben, dass an der Finanzierung des D-Tickets nachgebessert wird.

  • In Stendal im Norden von Sachsen-Anhalt kann man mit dem Deutschlandticket bald nicht mehr Bus fahren?

    ---

    Wieder mal nicht zu ENDE gedacht!

    Zu dieser Entscheidung gehört mMn. auch eine Umbenennung des Bundeslandes!

    Bis zum 31.12.2023 "Sachsen-Anhalt" ab 01.01.2024 "Sachsen per Anhalter"!

    So viel Konsequenz muss doch sein! Immer diese halben Sachen! :-)

  • Wetten, wenn in Stendal irgendein Unternehmen kurz vor dem Bankrott steht, dann hat man plötzlich die Millionen von Euros?