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Warntag ist immerWann das Handy warnt. Und wann nicht

Unser Autor schreckte auf, als am Bundes-Warntag sein Handy brummte. Doch Entwarnung kann er nicht geben. Denn: Klima-Alarm ist eigentlich immer.

Eigentlich ist immer Warntag Foto: dpa

E s ist 10.59 Uhr, als ich zusammenzucke. Ich sitze am Schreibtisch, als neben mir plötzlich das Handy kreischt und brummt. Meine Güte, hat mich das Ding erschreckt. Warum? Ah, sieh an: eine SMS zum „bundesweiten Warntag“.

Interessant. Ich dachte, das sei gestern gewesen. Als mir diese Nature-Studie erklärte, das Absterben des Amazonasregenwalds brächte nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Katastrophe. Das fand ich schon ganz schön alarmierend.

Oder war bundesweiter Warntag am 20. November? Als die COP27 in Scharm al-Scheich mit einem neuen Fonds für Klimaschäden endete – aber nicht mit einem Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, um diese Schäden zu stoppen. Ich saß im Konferenzbunker und habe daher das Ausrücken von Feuer­wehr, Polizei. THW und Bundeswehr verpasst.

Dafür schrillten doch aber am 27. Oktober alle Sirenen, oder? Da brachte die UN ihren „Emissions Gap Report“ für 2022 heraus, der uns zeigte: Die Chance, 1,5 Grad zu halten, schwindet schnell. Wir stoßen immer noch Milliarden von Tonnen CO2 zu viel aus.

2,5 Grad Erhitzung

Und erinnern Sie sich an diesen unglaublichen Aufstand einen Tag zuvor? Überall weinende Menschen, schreiende Kinder, Generalstreik, alle Züge standen still. Was war geschehen? Die UNO legte ihre Bilanz vor, wie viele Staaten neue Klimapläne vorgelegt hatten (24 von 195) und wohin uns das bringt – auf 2,5 Grad Erhitzung nämlich.

Und dann läuteten an diesem 26. Oktober gleich noch mal die Glocken Sturm, vor allem in Genf: Da erklärte die Meterologenorganisation WMO, in der Atmosphäre seien jetzt der neue Rekordwert von 415,7 ppm Kohlendioxid und unerklärlich hohe Methananteile gemessen worden.

Oder verwechsele ich da was? Hörte ich nicht das große Heulen und Zähneklappern am 28. Juli? Da war Welt-Überlastungstag, wo wir alles aufgebraucht hatten, was sich hier so in einem Jahr regeneriert an Holz, sauberem Wasser, fruchtbarem Boden. Oder war der Tag der großen Massenpanik der 13. Mai, als der finale 6. Sachstandsbericht des Klimarats IPCC vorgelegt wurde? Oder nein, dieser globale Aufschrei im Mai 2019, als die Artenschutzexperten des IPBES warnten, wir rotteten gerade 1 Million von insgesamt wohl 8 Millionen Tier- und Pflanzenarten aus. Mein Handy hörte an dem Tag gar nicht mehr auf zu brummen, zu vibrieren, zu schreien und zu jammern.

Es kann allerdings auch sein, dass ich mir das alles nur einbilde. Ein Blick aufs Handy beruhigt mich auch gleich wieder. „Es besteht keine Gefahr für die Bevölkerung“, meldet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Es war ja auch erst eine Minute vor elf.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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