Waldpartnerschaften: Holznutzung kontra Urwald
Forstämter versuchen mit Unternehmenspartnerschaften ihre Flächen nachhaltig zu bewirtschaften und trotzdem Geld zu verdienen.
Geld lässt sich nämlich bislang mit Wäldern auf drei Arten verdienen: mit der Verpachtung von Jagdrechten und Flächen für Windräder und vor allem mit dem Verkauf von Holz. Die Preise für Holz, etwa mit einem FCS-Siegel, liegen dabei nicht über denen konventionell wirtschaftender Betriebe. Wer mit seinem Wald Geld verdienen will, muss also viel Holz verkaufen. Nachhaltigkeit – die etwa durch mehr ungenutzte Flächen, mehr Totholz im Wald oder weniger Wege für den Abtransport des Holzes erreicht wird – lässt sich nicht in höhere Gewinne umsetzen.
Gemeinsam mit dem FSC suchte der Leiter des Forstamts Boppard Lösungen für diese beiden Probleme. Die Antwort lautet: „Waldpartnerschaften“. Mit dem neuen Instrument knüpfen sie an eine Debatte an, die in den Forst- und Umweltwissenschaften schon seit Jahrzehnten geführt wird: Wie lassen sich die Ökosystemleistungen des Waldes in Geld umrechnen? Durch das neue Waldsterben hat sie neue politische Brisanz gewonnen, weil Holzverkäufe in vielen Gegenden als Einkommensquelle ausfallen. Außerdem führt die Frage mitten hinein in die Debatte darüber, welcher Wald am besten für Klima- und Artenschutz geeignet ist.
Ökosystemleistungen sind Leistungen, die der Wald aus sich heraus vollbringt: Er stabilisiert den Wasserhaushalt und kühlt seine Umgebung. Er ist Lebensraum für Tiere und Pflanzen und Erholungsort für Menschen. Zudem ist er ein riesiger CO2-Speicher.
Die Leistungen sind unbestritten – sie in Geld umzurechnen, ist aber kompliziert. Elmar Seizinger, Mitglied der Geschäftsleitung beim FSC, hat das Konzept der Waldpartnerschaften mit entwickelt. „Lange haben die Forstwissenschaftler überlegt, wo sie ansetzen“, sagt er. Sollte man etwa die Kosten für Lawinenschutzanlagen aus Stahl und Beton in den Alpen berechnen und diesen Wert dem Wald als Ökosystemleistung anrechnen? Was kostet Erosion? Was ist Erholung wert? „So richtig konnten wir damit nichts anfangen“, sagt Seizinger. „In dem Moment, als man CO2 einen Preis gegeben hat, wurde es interessant“, sagt er. Die Fähigkeit, CO2 zu speichern, lässt sich messen, also auch monetarisieren.
Douglasien für den Klimaschutz?
Einfach ist auch das nicht: Schnell wachsende Bäume speichern viel CO2 – das spräche für neue Fichten- oder Douglasienplantagen. Im Sinne des Waldumbaus hin zu einem widerstandsfähigen, artenreichen Laubmischwald wäre das nicht. Abgesehen davon: Der Wald als CO2-Speicher ist in der offiziellen deutschen Kohlenstoffbilanz, die das Umweltbundesamt führt, schon eingepreist. Ein Waldbesitzer, der CO2-Zertifkate ausgeben würde, würde seinen Wald also doppelt anrechnen.
Das Konzept der Waldpartnerschaft funktioniert jedoch auch anders: Die Waldbesitzer müssen mit einem FSC-Siegel nachweisen, dass sie nachhaltig wirtschaften; das Siegel dient dann einer erweiterten Prüfung von konkreten Ökosystemleistungen, etwa der Fähigkeit, CO2 zu speichern oder Wasser in der Region zu halten. Dafür zahlt der Unternehmenspartner und kann so sein Image verbessern. „Das Interesse der Unternehmen, in Waldprojekte vor Ort zu investieren, und nicht weit weg im Globalen Süden, ist groß“, sagt Seizinger.
Auf Waldschutz vor der Haustür setzen auch andere Projekte. Beispielsweise das Start-up Woodify aus Bonn. Ebenfalls im Gebiet des Forstamts Boppard vermittelt Woodify Patenschaften für eine Waldfläche, zwischen der Rhein-Nahe-Verbandsgemeinde und Unternehmen, die in Klima- und Artenschutz investieren wollen. Die Waldfläche der Verbandsgemeinde wird allerdings künftig nicht mehr nachhaltig bewirtschaftet, sondern gar nicht mehr.
„Wir nehmen den Wald für 30 Jahre aus der holzwirtschaftlichen Nutzung“, erklärt Anselm Schneider, einer der Woodify-Gründer. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Pierre Ibisch vom Centre for Econics and Ecosystem Management der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde. „Auf diesen Flächen können Bäume, die nach Stürmen und Insektenbefall absterben, verbleiben“, sagt Ibisch. Unter ihrem Schutz könnte sich neuer, an neue klimatische Bedingungen angepasster Wald entwickeln, mit unterschiedlichen Baumarten und einer großen biologischen Vielfalt. Unternehmen können in dieses „Urwaldprojekt“ investieren.
Der Forstwissenschaftler Roland Irslinger hält von solchen Verurwaldungsprojekten wenig. „Wenn Wälder nachhaltig genutzt werden, entsteht in Form der Holzprodukte ein zusätzlicher Speicher, der sich in Deutschland auf ein Äquivalent von etwa 1,2 Milliarden Tonnen CO2 beläuft“, sagt er, „wenn Holz für Holzprodukte wie Holzhäuser verwendet wird, wird zur Herstellung dieser Holzprodukte außerdem weit weniger fossile Energie benötigt als bei Verwendung von Beton, Stahl, Alu oder Glas.“ Diese Speicher- und Substitutionsfunktion habe ein Wald, der sich selbst überlassen werde, nicht.
Was also ist ein guter Klimaschutzwald – ein nachhaltig bewirtschafteter oder ein Urwald? Für Christopher Reyer, Forstwissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, sind für eine Antwort noch zu viele Fragen offen. „Wir wissen, dass Wälder weltweit unter Klimastress kommen, aber wir wissen noch nicht genau genug, welche Rolle Störungen für die CO2-Speicherfähigkeit spielen“, sagt er, „Modellierungen, die die Fähigkeit des Waldes berechnen wollen, CO2 zu speichern, rechnen in der Regel ohne Waldbrände, Stürme oder Insektenbefall.“
In der Regel gehen solche Modelle davon aus, dass Wälder pro Jahr und Hektar um etwa drei bis vier Kubikmeter wachsen und dabei ein Kubikmeter Holz eine Tonne CO2 speichert. Doch wie ändert sich diese Bilanz, wenn 400 Hektar Wald abbrennen, wie gerade in Brandenburg? Wie wirken Stürme, Hitze und Insekten zusammen? „Dafür brauchen wir komplexere Modelle als bislang“, sagt Reyer.
Außerdem müsse die Forstwissenschaft ihren Blick „über die Systemgrenze Wald hinaus weiten“: Was wollen wir in einer künftigen Bioökonomie alles aus Waldbiomasse produzieren? Medikamente, Häuser, Kleidung, Energie? Welche fossilen Rohstoffe lassen sich nur durch Holz ersetzen? All das seien offene Forschungsfragen, sagt Reyer. „Zudem brauchen wir haltbare Aussagen darüber, was tatsächlich möglich ist.“
So gebe es zahlreiche Studien darüber, dass Laubbäume sehr gut als Baumaterial nutzbar seien. „Die meisten Sägewerke können aber heute nur Nadelholz verarbeiten, sie sind hoch spezialisiert auf diese Bäume, Faserstärken, et cetera“, so Reyer. Wichtig sei also, die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen und zu bewerten, unter welchen Umständen Bauprodukte aus Laubholz wirklich generiert werden könnten.
Hauptsache, kein Greenwashing
Die derzeitige polarisierte Debatte in der Forstwissenschaft darüber, was ein „guter Klimaschutz-Wald“ sei, sei nicht hilfreich, um diese Fragen zu klären, so Reyer. Nur eins sei in Bezug auf beide Konzepte für Waldpartnerschaften jetzt schon klar: „Wenn Unternehmen sie übernehmen, um Greenwashing zu betreiben, und ihr eigenes Geschäftsmodell nicht nachhaltig gestalten, dann ist für den Wald nichts gewonnen.“
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