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WahlentscheidungMit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung

Man muss keine Automaten befragen um zu wissen, wen man wählen soll. Es reicht, sich die Ideen der Parteien zu Klima- und Artenschutz anzuschauen.

Wo der Algorithmus uns so hinverschlägt Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

M eine Söhne stehen um Flur und ziehen die Jacken an: „Papa, wir gehen wählen, kommst du mit?“ Wählen? Jetzt schon? Nein, ich muss noch diese Kolumne übers Wählen schreiben. „Wir haben den Wahl-O-Mat gemacht“, sagt Sohn Nummer eins, „bei mir war Die PARTEI ganz vorn“. „Und bei mir die Tierschutzpartei“, sagt Sohn Nummer zwei. Oh mein Gott, denke ich. Bis ich das Grinsen auf ihren Gesichtern sehe.

Der Wahl-O-Mat. Kann man machen. Wir delegieren ja auch sonst oft die Entscheidung, wohin wir reisen, was wir essen und mit wem wir schlafen, an einen Automaten. Die Maschine wird schon besser wissen, was ich will und brauche. Wir sind sofort auf den Barrikaden, wenn uns Eltern, LehrerInnen, Kolumnisten oder erst recht PolitikerInnen sagen, was wir zu tun oder zu lassen haben – geht ja gar nicht, was wissen die schon über mich. Nur, um uns dann irgendeinem Influencer im Handy oder einem Algorithmus in den Abgründen der unsozialen Medien an den Hals zu werfen. Je unbekannter und unseriöser, desto vertrauenswürdiger.

Bei mir allerdings hat der Wahl-O-Mat keine Chance. Denn wenn die jahrzehntelange und oft vergebliche Arbeit für die Rettung der Welt bei mir irgendeinen Nutzen hatte, dann diesen: Bei der Wahlentscheidung habe ich nur eine Wahl. Tut mir leid, sonst bin ich ein Freund der Artenvielfalt. Aber wo andere staunend vor der Biodiversität auf dem Stimmzettel stehen, regiert bei mir die Ausschließeritis, vor der Robert Habeck sonst überall warnt.

Denn Leute, jetzt mal ehrlich: Die Welt retten, mit einer CDU, deren Kanzlerkandidat der Meinung ist, das mit dem Klimaschutz habe nun wirklich noch Zeit, erstmal müsse man die Wirtschaft retten, als gäbe es da einen Widerspruch? Mit einer CSU, die Umwelt- und Energiepolitik nur simuliert, wenn sie unsere Energieversorgung mit Feenstaub aus „sauberen Verbrennern“, „klimaneutralem Öl“ oder „billiger Atomkraft“ sichern will, großmäulig 2040 klimaneutral sein will, aber nichts dafür tut und dann das Ziel ganz kassiert?

Mit einer SPD, die sich mit unter ihrem „Klimakanzler“ nach neuen Öl- und Gasbohrungen sehnt und sich immer fein rausgehalten hat, wenn es darum ging, in Berlin oder Brüssel Industrie und Gesellschaft Richtung ökosoziale Marktwirtschaft zu schieben? Mit einer FDP, die auch das letzte Krötenbiotop noch dem Marktradikalismus unterwirft, das Umweltbundesamt abschaffen und mit Milei und Musk die Kettensäge auch gegen Umweltregeln rausholen will?

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Mit einer Linken, die alle ihre KlimapolitikerInnen aus der Fraktion vergrault hat, noch nie irgendein Ökodings im real existierenden Kapitalismus durchsetzen musste und als letzte Weisheit immer nur Milliardäre besteuern will? Mit einem BSW, das wieder Putins Blut-Gas bezahlen und weiter mit dem Drecksdiesel durch die Innenstadt brummen will? Mit irgendeiner Kleinstpartei, die im Schutz der Ein-Prozent-Hürde sofort und alles fordern kann, weil es nie akut wird? Mit einer AfD, deren Wesen und Streben nicht die Rettung, sondern der Untergang der Welt und Deutschlands ist?

Auch die Grünen versemmeln mal gute Ideen wie Heizungsgesetz oder Kapitalerträge und brauchen immer jemanden, der ihnen auf die Finger schaut. Aber ihre Vorschläge zur Rettung der Welt kann man meistens ernsthaft diskutieren. Mir jedenfalls bleibt nur diese eine Wahl. Und falls es Sie beruhigt: Mein privater Wahl-O-Mat und mein innerer Algorithmus sind der gleichen Meinung.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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11 Kommentare

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  • "Mit einer Linken, die alle ihre KlimapolitikerInnen aus der Fraktion vergrault hat, noch nie irgendein Ökodings im real existierenden Kapitalismus durchsetzen musste und als letzte Weisheit immer nur Milliardäre besteuern will?"

    -Weil die Linken einfach verstehen, daß mit einem Milliardär wie Musk an der Spitze und einer zunehmenden Trumpisierung Deutschlands gar nichts mehr an Klimaschutz geht. Je unzufriedener die ökonomisch gespaltene Gesellschaft ist, desto wahrscheinlich wird ein Erfolg der Faschisten in Deutschland. Ich wiederhole mich gerne: dann ist gar nichts mehr mit Klimaschutz und Umwelt.

    Deshalb kann Umweltschutz nur mit sozialem Ausgleich einhergehen

  • Wenn man das ist, was in den USA "single issue voter" heißt, dann ist ein Wahl-O-Mat natürlich sinnlos. Das ist aber so offenkundig, dass ich mich, offen gesagt, schon frage, wo hier der Erkenntnisgewinn liegt. Ich finde, der Wahl-O-Mat hat durchaus eine etwas profundere Kritik verdient, da er dazu tendiert, Themen völlig verschiedener Art und Tragweite nebeneinander zu setzen, und auf diese Weise z.B. die Frage nach der Unterstützung der Ukraine oder der Schuldenbremse zunächst einmal ebenso gewichtig ist wie die Frage nach Rentenboni für Ehrenämter oder Regelungen für Streiks in der kritischen Infrastruktur, was aus meiner Sicht doch in der Sache eher verzerrend wirkt.

  • Sehr geehrter Herr Pötter,

    ich kann Ihnen in Ihrer Analyse der Parteien folgen, nur leider haben auch die GRÜNEN den Klimaschutz verraten.

    Sie haben nicht deutlich gemacht, dass für konsequenten Klimaschutz die Systemfrage gestellt werden muss – eine Abkehr vom Wachstumszwang hin zu Konsumverzicht und Kreislaufwirtschaft.

    Auch wenn das von der Mehrheit nicht gewollt und politisch nicht umsetzbar ist, wäre es doch wichtig, im Bundestag eine konsequente Klimaschutzpartei zu haben, oder?

    Sei es in der Opposition, die sich das Ziel setzt, die Ideen und Konzepte einer gerechten, klimaneutralen Gesellschaft ohne Wachstum zu entwickeln.

    Die Frage, die Sie stellen, ist doch, ob die kompromissbereiten Grünen in der Ampel noch wertvolle Teilkompromisse erzielt haben?

    Aber wie viel haben sie dafür von ihrer Überzeugung aufgegeben?

    Wäre eine konsequente Klimaschutzpartei, die den anderen Parteien und der Gesellschaft den Spiegel vorhält, nicht wichtiger als zahnlose Kompromisse?

    Für mich sind die GRÜNEN leider nicht mehr wählbar.



    Meine Stimme bekommen diesmal die LINKEN.

  • Mit den Grünen die Welt retten... Schade nur, daß die sich jetzt schon in die Reizwäsche geschmissen haben, damit Fritze Merz versucht ist, mit ihnen in die Kiste zu hüpfen. Ähnliches war ja auch vor der Europawahl zu beobachten, nur war da Meloni das süßere Häppchen für vdL.

  • so,so. alle klimapolitikerInnen soll die LINKE aus ihrer fraktion vergrault haben, dann 1 artikel als link, wo ich das nicht so schnell ersehen kann.



    egal, ich quäle mich doch nicht durch einen artikel, wo das stichwort klima dann gar nicht auftaucht.

    übrigens: LINKE + bsw ziehen mit den grünen z.z. gleichauf.



    die wahlprogamme der grünen sind für die tonne, wenn es ans regieren geht.



    das bündnis bsw hat mit klima nischt am hut, im gegenteil.



    LINKE-programm hat klimaforderungen mit sozialen kosten verrechnet. es erscheint am plausibelsten.

  • nochmal für Herrn Pötter: das „Heizungsgesetz“ heisst GEG und ist ein Werk der CDU.



    Der ENTWURF, ja-ha, Entwurf wurde von der FDP an ihre Springer-Hetzer durchgestochen und diskreditiert.



    Arbeiten Sie daraufhin, dort zu arbeiten, denn das hat kaum eine Reporterin aufm Schirm. Tramp-Fan?

  • "Es reicht, sich die Ideen der Parteien zu Klima- und Artenschutz anzuschauen." Hr. Potter ist jetzt ernsthaft dieser Auffassung? Also Wahlentscheidung an einem, diesem einzigen Thema festmachen?



    Was mache ich, wenn ich einen weiten Arbeitsweg habe und mich das echt jetzt nervt? Wähle ich dann einzige danach, wie eine Partei die Frage nach dem Ausbau des ÖPNV beantwortet? Und würde man meine Wahlentscheidung dann nicht für reichlich unterkomplex halten?

  • Ich darf mich wiederholen. Der Wahlomat ist kaputt, und er war es schon immer:

    logbuch-netzpoliti...hen#comment-165007

    "Die Forderung des Dritten Wegs nach Einführung eines nationalen Sozialismus in den Grenzen des Deutschen Reichs macht diese Partei für fast alle unwählbar, aber weil die 38 Fragen des Wahl-o-mat nur Thesen beinhalten, zu denen alle Parteien sich positionieren, fällt diese Haltung unter den Tisch; meine vergleichsweise irrelevante Übereinstimmung mit den Dritten Weg z.B. beim elternunabhängigen BAföG hingegen zählt als Kriterium für politische Nähe."

    Von 2021, stimmt aber noch immer. Die Leute, die das Ding programmiert haben, haben keine Ahnung, wie man so etwas richtig macht. Wenn ich es richtig verstehe, sind das 20 Politikwissenschaftler und 20 Jugendliche (hab ich in der Zeit aufgeschnappt).

    Kein gescheites zugrundeliegendes Messmodell, relevante Fragen werden weggelassen, irrelevante Fragen werden gestellt, Parteiprogramme nicht angeschaut, sondern stattdessen PR-Abteilungen kontaktiert.

    de.wikipedia.org/w...k_und_Kontroversen

    Das Ding ist kaputt, gehört weg

  • Warum nicht?



    Für Generationen, die ihre Entscheidung für Ihren Konsum durch KI bestimmen lassen, ist der Wahl-o-mat doch eine geradezu klassische, demokratische Vorgehensweise.



    Das ist doch besser, als die Entscheidung ebenfalls Ego Mist zu überlassen.



    " Menschen, die sich für diese Sneakers entschieden haben, entschieden sich auch für diese Partei ".



    Wer sich Informationen noch selbst erarbeitet, verschiedene Quellen nutzt und daraus eigene Schlüsse zieht, gehört einer aussterbenden Art an.



    Jede Jeck is Anders, heißt es hier.



    Somit sind natürlich auch unterschiedliche Wege nach Rom möglich.



    Neben Ideen sind auch Erfahrungen hilfreich.



    Ein Wahlprogramm ist ja nicht zwangsläufig das, was eine Partei nach der Wahl durch-, bzw. umsetzt.



    Aber wenn eine Partei, nennen wir sie SPD, in einem Wahlkampf 12€ Mindestlohn fordert und anschließend umsetzt, so ist es auch wahrscheinlich, was mit der jetzigen Forderung von 15€ passiert...



    Was das Heizungsgestz betrifft, so wäre das Schlechteste für Klimaschutz und Wirtschaft, wenn Möchtegernmerz es abschafft.



    Daran war nur schlecht, was CDU, "afd" und JournalistInnen aller Couleur daraus gemacht haben und es offenbar weiterhin tun.

  • Sehr geehrter Herr Pötter,



    ich kann Ihnen in Ihrer Analyse der Parteien folgen, nur leider haben auch die GRÜNEN den Klimaschutz verraten.



    Sie haben nicht deutlich gemacht, dass für konsequenten Klimaschutz die Systemfrage gestellt werden muss – eine Abkehr vom Wachstumszwang hin zu Konsumverzicht und Kreislaufwirtschaft.

    Auch wenn das von der Mehrheit nicht gewollt und politisch nicht umsetzbar ist, wäre es doch wichtig, im Bundestag eine konsequente Klimaschutzpartei zu haben, oder?

    Sei es in der Opposition, die sich das Ziel setzt, die Ideen und Konzepte einer gerechten, klimaneutralen Gesellschaft ohne Wachstum zu entwickeln.

    Die Frage, die Sie stellen, ist doch, ob die kompromissbereiten Grünen in der Ampel noch wertvolle Teilkompromisse erzielt haben. Aber wie viel haben sie dafür von ihrer Überzeugung aufgegeben?

    Wäre eine konsequente Klimaschutzpartei, die den anderen Parteien und der Gesellschaft den Spiegel vorhält, nicht wichtiger als zahnlose Kompromisse?

    Für mich sind die GRÜNEN leider nicht mehr wählbar. Meine Stimme bekommen diesmal die LINKEN.

  • Ja aber Herr Pötter - manche (viele) Menschen nehmen grad andere Probleme als noch drängender wahr, haben Sie das noch nicht bemerkt? Ich sage das als langjähriger Grünenwähler: Angesichts der drohenden Kriegsszenarien und zusammenbrechenden Weltordnung hab ich den Fokus grad nicht auf dem Klima.