Wahlentscheidung: Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Man muss keine Automaten befragen um zu wissen, wen man wählen soll. Es reicht, sich die Ideen der Parteien zu Klima- und Artenschutz anzuschauen.
M eine Söhne stehen um Flur und ziehen die Jacken an: „Papa, wir gehen wählen, kommst du mit?“ Wählen? Jetzt schon? Nein, ich muss noch diese Kolumne übers Wählen schreiben. „Wir haben den Wahl-O-Mat gemacht“, sagt Sohn Nummer eins, „bei mir war Die PARTEI ganz vorn“. „Und bei mir die Tierschutzpartei“, sagt Sohn Nummer zwei. Oh mein Gott, denke ich. Bis ich das Grinsen auf ihren Gesichtern sehe.
Der Wahl-O-Mat. Kann man machen. Wir delegieren ja auch sonst oft die Entscheidung, wohin wir reisen, was wir essen und mit wem wir schlafen, an einen Automaten. Die Maschine wird schon besser wissen, was ich will und brauche. Wir sind sofort auf den Barrikaden, wenn uns Eltern, LehrerInnen, Kolumnisten oder erst recht PolitikerInnen sagen, was wir zu tun oder zu lassen haben – geht ja gar nicht, was wissen die schon über mich. Nur, um uns dann irgendeinem Influencer im Handy oder einem Algorithmus in den Abgründen der unsozialen Medien an den Hals zu werfen. Je unbekannter und unseriöser, desto vertrauenswürdiger.
Bei mir allerdings hat der Wahl-O-Mat keine Chance. Denn wenn die jahrzehntelange und oft vergebliche Arbeit für die Rettung der Welt bei mir irgendeinen Nutzen hatte, dann diesen: Bei der Wahlentscheidung habe ich nur eine Wahl. Tut mir leid, sonst bin ich ein Freund der Artenvielfalt. Aber wo andere staunend vor der Biodiversität auf dem Stimmzettel stehen, regiert bei mir die Ausschließeritis, vor der Robert Habeck sonst überall warnt.
Denn Leute, jetzt mal ehrlich: Die Welt retten, mit einer CDU, deren Kanzlerkandidat der Meinung ist, das mit dem Klimaschutz habe nun wirklich noch Zeit, erstmal müsse man die Wirtschaft retten, als gäbe es da einen Widerspruch? Mit einer CSU, die Umwelt- und Energiepolitik nur simuliert, wenn sie unsere Energieversorgung mit Feenstaub aus „sauberen Verbrennern“, „klimaneutralem Öl“ oder „billiger Atomkraft“ sichern will, großmäulig 2040 klimaneutral sein will, aber nichts dafür tut und dann das Ziel ganz kassiert?
Mit einer SPD, die sich mit unter ihrem „Klimakanzler“ nach neuen Öl- und Gasbohrungen sehnt und sich immer fein rausgehalten hat, wenn es darum ging, in Berlin oder Brüssel Industrie und Gesellschaft Richtung ökosoziale Marktwirtschaft zu schieben? Mit einer FDP, die auch das letzte Krötenbiotop noch dem Marktradikalismus unterwirft, das Umweltbundesamt abschaffen und mit Milei und Musk die Kettensäge auch gegen Umweltregeln rausholen will?
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Mit einer Linken, die alle ihre KlimapolitikerInnen aus der Fraktion vergrault hat, noch nie irgendein Ökodings im real existierenden Kapitalismus durchsetzen musste und als letzte Weisheit immer nur Milliardäre besteuern will? Mit einem BSW, das wieder Putins Blut-Gas bezahlen und weiter mit dem Drecksdiesel durch die Innenstadt brummen will? Mit irgendeiner Kleinstpartei, die im Schutz der Ein-Prozent-Hürde sofort und alles fordern kann, weil es nie akut wird? Mit einer AfD, deren Wesen und Streben nicht die Rettung, sondern der Untergang der Welt und Deutschlands ist?
Auch die Grünen versemmeln mal gute Ideen wie Heizungsgesetz oder Kapitalerträge und brauchen immer jemanden, der ihnen auf die Finger schaut. Aber ihre Vorschläge zur Rettung der Welt kann man meistens ernsthaft diskutieren. Mir jedenfalls bleibt nur diese eine Wahl. Und falls es Sie beruhigt: Mein privater Wahl-O-Mat und mein innerer Algorithmus sind der gleichen Meinung.
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