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Wahl-O-Mat vs. Real-O-MatWas soll ich bloß wählen?

Seit Mittwoch hilft der „Wahl-O-Mat“ bei der Entscheidung für die Bundestagswahl. Am besten ist das Tool, wenn man es mit einem zweiten ergänzt.

Vorstellung des Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2025 Foto: Bernd Elmenthaler/imago

Berlin taz | Am Mittwoch hat die Bundeszentrale für politische Bildung den beliebten „Wahl-O-Maten“ zur nahenden Bundestagswahl veröffentlicht. Die Plattform FragdenStaat hat schon vor einer Woche den „Real-O-Maten“ gelauncht. Das alternative Wahlhlfsmittel untersucht im Vergleich zum „Wahl-O-Maten“ nicht Forderungen oder Wahlversprechen der Parteien, sondern ihr tatsächliches Abstimmungsverhalten im Bundestag.

Beide sind hilfreiche Werkzeuge für alle, die sich nicht durch Wahlprogramme oder das taz-Archiv kämpfen wollen. Aber welches Tool hilft nun besser, um eine informierte Wahlentscheidung zu treffen?

Die Funktionsweise von „Wahl-O-Mat“ und „Real-O-Mat“ ist die gleiche. Man bekommt eine These und dazu drei Abstimmoptionen. Das Tool von FragdenStaat liefert 20 Thesen, zu denen man Stellung beziehen kann, der 2Wahl-O-Mat“ fast doppelt so viele, 38.

Gleich bei der ersten These wird klar, beim „Wahl-O-Maten“ muss man genauer hinschauen:. „Deutschland soll die Ukraine weiterhin militärisch unterstützen“. Unterstützen? Aber militärisch? Oder besser mit Hilfslieferungen?

Beide „O-Maten“ liefern Aussagen über gesellschaftlich debattierte Themen, mal mehr, mal weniger kontrovers. Der „Wahl-O-Mat“ kann mit seiner doppelten Thesenzahl viel konkreter werden: Neben Tempolimit, Asyl und Mietpreisbremse können wir abstimmen, ob die Bundespolizei an Bahnhöfen automatische Geschichtserkennung nutzen soll oder unter 14-Jährige strafrechtlich belangt werden sollen.

Besser den Realitätscheck machen

Nachdem man abgestimmt hat, kann man auch beim „Wahl-O-Maten“ einzelne Antworten doppelt gewichten. Dann folgt die Auswertung. Bei einem Testdurchlauf eines anonymen taz-Mitarbeiters kommt die Linke beispielsweise auf 96 Prozent, Grüne 88 und die SPD auf 82 Prozent.

Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem „Real-O-Maten“, schaut also, wie die Parteien im Bundestag tatsächlich abstimmen, kommt der gleiche Mitarbeiter zu einem ganz anderen Ergebnis: Die Linkspartei bleibt bei nahezu demselben Ergebnis (94 Prozent), Grüne und SPD fallen jedoch auf 39 Prozent.

Woran liegt das? Grüne und Linke etwa versprechen laut „Wahl-O-Mat“ die gleiche Haltung bei der Frage, ob Bürgergeld bei Ablehnung von Jobs gestrichen werden soll. Schaut man beim „Real-O-Maten“, ist erkennbar, dass sich das nicht an der Realität messen lässt: Tatsächlich haben die Grünen im Januar 2024 dafür gestimmt, Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen härter zu sanktionieren. „Notwendige Transformation“ des Bundeshaushalts war die Begründung.

Das Fazit: Beide Tools ergänzen sich gut. Der „Wahl-O-Mat“ ist die bessere Wahl, um sich darüber zu informieren, was die Parteien fordern, wollen, versprechen. Er hilft dabei, herauszufinden, was man nicht wählen will. Der „Real-O-Mat“ bietet in einem zweiten Schritt dann den Realitätscheck, um die Entscheidung weiter einzugrenzen.

Leider bildet er nicht alle Thesen des „Wahl-O-Maten“ ab, sodass seine Kontrollfunktion nur eingeschränkt nutzbar ist. Und seine Funktionsweise führt dazu, dass Oppositionsparteien, die keine Kompromisse bei ihrem Abstimmungsverhalten machen müssen, besser abschneiden.

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4 Kommentare

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  • Der Real-O-Mat hat einen methodisch völlig kaputten Ansatz. In einer Regierungskoalition stimmen alle Parteien gleich ab. Man geht dann mal Kompromisse ein und die Grünen stimmen bei einem Thema zu, dass der FDP wichtig ist und umgekehrt. Entsprechend kommt der Real-O-Mat bei mir und so vielen anderen zum Ergebnis, dass ich die FDP genau so dufte finde wie die Grünen. Völlig realitätsfern, aber das Ergebnis muss herauskommen, weil die 3 Parteien bis zum Bruch der Ampel eben immer gleich abgestimmt haben. Themen, bei denen man sich nicht einigt, werden nicht zur Abstimmung gestellt und alles, was von der Opposition kommt, wird üblicherweise geschlossen abgelehnt.

    Völlig unverständlich, warum aktuell viele Medien den Real-O-Mat hypen. Die Methodik ist völlig kaputt und der wird auch in Zukunft keine sinnvollen Ergebnisse/Erkenntnisse liefern können.

    • @GuidoH:

      Genau diese koalitionsdisziplinbedingte Verfälschung in Bezug auf die FDP ist mir auch aufgefallen. Trotzdem empfiehlt die taz hier schon zum zweiten Mal den-Real-O-Mat. Wenn eine Partei taktisch zwei erste Regierungsjahre lang nicht ihr wahres Gesicht gezeigt hat, wie es die FDP gemacht hat, dann haben zwei Drittel der herangezogenen von der FDP mitgetragenen Regierungsentscheidungen nicht das Gewicht, das der Real-O-Mat ihnen bezüglich dieser unzuverlässigen Partei gibt. In der Version zur Wahl 2025 ist also, gewollt oder ungewollt, der Real-O-Mat realistisch betrachtet enttäuschend, da potentielle Entscheidungshilfe suchende WählerInnen definitiv täuschend! Genausogut könnte man zu ELIZA rennen anstelle zum Psychotherapeuten.

      de.wikipedia.org/wiki/ELIZA

      Und das wahre Gesicht der FDP glotzt allen von fast allen FDP-Plakaten an - mehr darüber hat die Presse bereits aufgedeckt:

      kamelopedia.net/wi..._seit_2021_geplant

      Den Wahl-o-Mat hab ich geprüft , von abgebrühten Profis gemacht - ganz ok im Ergebnis, sogar eine Alternative auftuend zu meiner Präferenz, aber im Endeffekt natürlich nur theoretisch. Gut gemacht.

  • "Aber welches Tool hilft nun besser, um eine informierte Wahlentscheidung zu treffen?"

    Keins. Die Tools sind zwar ein netter Zeitvertreib, aber für eine informierte Wahlentscheidung völlig unzureichend. Das fängt schon mit der Auswahl der Fragen an.

    Wer eine informierte Entscheidung treffen will, kommt nicht drum rum, sich umfassend zu informieren. Und die Informationen dann unter Berücksichtigung der eigenen Lebenssituation auszuwerten. Das kann kein Werkzeug ersetzen, weil jeder Mensch eben individuell ist.

  • So wie hier beschrieben sehe ich das auch. Die beiden Programme kann man zusammen ganz gut benutzen, um sich ein grobes Bild zu machen. Freut mich, dass hier nun eine Einordnung des Real-o-maten stattfindet, die nicht so euphorisch wie letztens ist, aber dafür deutlich realistischer.