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Wärmster JanuarZerstörerische Ignoranz

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Der Januar 2025 war der wärmste Monat, der zu Jahresbeginn je gemessen wurde. Doch statt die Politik danach auszurichten, wird die Krise ignoriert.

Schneeglöckchen blühen bei milden Temperaturen im Januar auf einer Wiese in Hessen Foto: Jan Eifert/picture alliance

W er hätte das gedacht? Der Januar 2025 war der wärmste Monat, der je zum Anfang eines Jahres gemessen wurde. Verglichen mit der Zeit vor der menschgemachten Atmosphärenerwärmung ist die Temperatur um 1,75 Grad angestiegen – global im Durchschnitt, wie der EU-Klimadienst Copernicus ermittelte.

Nun: Jeder, der nachdenkt, den wird die Messung wenig überraschen. Die Gleichung lautet: Kein oder zu wenig Klimaschutz gleich steigende Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre gleich weiter ansteigende Temperatur. Nie ist die Kohlendioxidkonzentration so stark gestiegen wie 2024. Weshalb jene, die sich mit dem Thema befassen, auch nicht überrascht sind: 18 der vergangenen 19 Monate haben die Marke von 1,5-Grad mehr bereits überschritten, das Ziel des Paris-Protokolls entgleitet der Menschheit.

Deshalb ist es überraschend, dass Klimaschutz in diesem Wahlkampf überhaupt nicht vorkommt. 2021 hatte sich Olaf Scholz noch als „Klimakanzler“ plakatieren lassen, ein paar Jahrhunderthochwasser später sagt er in diesem Wahlkampf nichts dazu. Die Union will die Atomkraftwerke wieder anschmeißen, Windräder zurückbauen und das Heizungsgesetz kippen. Die FDP will „technologieoffen“ sein – und das von Brüssel beschlossene Verbrenner-Aus wieder kippen. Die Linke kämpft mit Brot-und-Butter-Themen um den Wiedereinzug, AfD und Sahra Wagenknechts Wahlverein ignorieren die Klimaerhitzung einfach.

Nicht einmal bei den Bündnisgrünen steht der Klimaschutz auf der Agenda oben. Thema immerhin ist das Klimageld: Alle Bürger sollen von jenen Einnahmen partizipieren, die der Staat durch steigende CO2-Preise einnimmt. Die Botschaft soll wohl heißen: Klimaschutz macht alle reich. An welcher Stelle die Grünen aber Treibhausgase reduzieren wollen, bleibt vage.

All das erinnert an die Taktik der drei japanischen Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Aber diese Taktik lässt Brände heftiger, Fluten zerstörerischer, Hitze unerträglicher machen und immer neue Temperaturrekorde hervorrufen.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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6 Kommentare

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  • Der Kommentar klingt, also ob die bisherige Erwärmung kurzfristig reversibel wäre, noch dazu durch Maßnahmen aus der deutschen Politik.

    Schon immer war klar: Wenn nicht die meisten der größten Emittenten mitmachen, sind die Bemühungen allenfalls ein, nun ja, Warmlaufen.



    Diese Mehrheit stand nie; mit dem Machtwechsel in den USA ist sie erst einmal gar nicht mehr zu erreichen.

    Wenn ein Ziel (aus dem Pariser Abkommen) so total scheitert, sollte man eigentlich auch nachdenklich über die eigenen Ziele werden.



    Wäre es nicht besser, sich realistischere Ziele zu setzen, die die Völker auch unterstützen können?

    Der Ansatz der totalen Transformation, den die Grünen im Prinzip in der Regierung verfolgt haben, hat jedenfalls dazu geführt, dass die Mehrheit der Deutschen nun _gegen_ die aktuelle Klimapolitik eingestellt sind.

    Und das muss man in Deutschland erst einmal schaffen.

  • Mit dem Klimawandel ist es auch gar nicht so einfach. Auch die Wissenschaftler wissen wahrscheinlich gar nicht, welcher Anteil der schädlichen Ausdünstungen zur Zeit wirksam ist. Sind es die Emissionen, die sich schon von ca 1750 - 1850 in der Atmosphäre angesammelt hatten? Oder sind es die zusätzlichen Emissionen von 1850 - 1930? Oder schon die übergroßen Mengen an Emissionen, die mit der industriellen Produktion von Gütern entstanden sind, die auf Erdöl zurückzuführen sind? Das Klimasystem ist ein träges und vielleicht bemerken wir die richtig gefährlichen Auswirkungen dieser Emissionen erst in 200 oder 300 Jahren. Und bis dahin sind alle Stürme und Fluten nur ein kleines und vergleichsweise harmloses Vorspiel. Ich glaube, dass der Klimawandel auch in tausend Jahren noch nicht beendet ist. Selbst wenn wir noch heute sämtliche Emissionen stoppen wird er weitergehen. Ohne das wir noch dagegen etwas tun können. Wir können nur versuchen uns vor den Auswirkungen zu schützen und durch völlige Emissionsvermeidung den Wandel um ein paar Jahrzehnte abzukürzen. Aber das wird nur für reiche Menschen wirklich gelingen. Für Abermillionen nicht.

  • Da muss der Klimawandel Verständnis haben, wir haben derzeit andere Probleme, Migration, Migration und nochmals Migration, danach noch ein bißchen Wirtschaft, mehr geht nun wirklich nicht. Und außerdem war das Verbrenneraus ein riesiger Fehler, russisches Gas wäre wieder super, und natürlich darf jeder 300mal im Jahr Lidlfleisch grillen, was auch sonst? Ein Hoch auf die Verdrängung.

  • Man könnte auch nüchtern feststellen, dass AKWs "wieder anschmeißen" tatsächlich eine hilfreiche Maßnahme gegen die Klimaerwärmung wäre.



    Dass das Wiederanschmeißen der deutschen Reaktoren mit hohen Kosten verbunden wäre, die Frage woher neue Brennstäbe kommen sollen und wohin hinterher mit dem Atommüll ist natürlich die unerzählte Seite bei Union, FDP und AfD, aber rein vom CO2 Ausstoß wären AKWs fürs Klima wesentlich besser als Kohleverfeuerung und 30 weder gebaute, ja noch nicht einmal geplante, abrufbereite Gaskraftwerke...

  • Es sollte sich doch inzwischen herumgesprochen haben, dass weltweit kein einziges Land die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat.



    Die Menschheit geht - nicht zuletzt dank der Lügenkampagne der großen CO2-produzierenden Branchen - in einen Freiland-Versuch mit sehr ungewissem Ausgang.



    Es braucht Gesetze, damit Firmen, Organisationen und Einzelpersonen, die sich an dieser Kampagne beteiligt haben, haftbar gemacht werden können. Exxon, Koch Industries, die Firmen Trumps, hierzulande der Springer-Konzern oder dieser seltsame Verein "EIKE" etc. pp



    oder auch Einzelpersonen wie Imhofe in den USA, Clement, Metzger, Vahrenholt, Bojanowski oder Schäffler hierzulande müssen zur Verantwortung gezogen werden können. Eine Verjährungsfrist für die Beteiligung darf es nicht geben.

  • Klar, ganz laut Abschiebung schreien die Migration propagandistisch als Mutter aller Probleme darstellen ist so schön einfach und vorgebliche Lösungen betreffen ja nur die bösen Migranten. Echte Probleme wie Klimawandel würden ja echte und bestimmt nicht nur einfache Lösungen erfordern, die allen etwas abverlangen. Dass traut sich kaum jemand im Wahlkampf.