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Wachsende Armut in DeutschlandJedes fünfte Kind ist arm

Die Kinderarmut in Deutschland nimmt zu. Grund dafür ist auch die Zuwanderung von Kindern, die als Flüchtlinge kommen und unter der Armutsgrenze leben.

Kinder in Baden-Württemberg essen in ihrer Schule, so sollen auch Kinder aus armen Familien verpflegt werden Foto: dpa

Düsseldorf/Bremen epd/rts | Die Kinderarmut in Deutschland nimmt einer Studie zufolge zu. Die Kinderarmutsquote stieg im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 Prozentpunkte auf 19,7 Prozent, wie eine am Dienstag in Düsseldorf veröffentlichte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ergab.

Insgesamt lebten demnach 2015 rund 2,55 Millionen Kinder in Armut – den höchsten Anteil an armen Kindern an der Gesamtbevölkerung hat Bremen. Der Anstieg beruhe überwiegend auf der Zuwanderung von Jungen und Mädchen, die als Flüchtlinge meist unter der Armutsgrenze lebten.

Das Armutsrisiko von Jungen und Mädchen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden, hat sich kaum verändert, hieß es. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund sei die Armutsquote geringfügig zurückgegangen – aber immer noch sind in dieser Gruppe 13,5 Prozent der Kinder arm.

„Der Anstieg der Kinderarmut durch die Flüchtlingseinwanderung ist damit an den einheimischen Kindern spurlos vorübergegangen“, sagte der WSI-Sozialexperte Eric Seils. Mit Blick auf die Flüchtlingskinder gelte es, die Eltern langfristig in Arbeit zu bringen, um der Familie ein Leben über der Armutsgrenze zu ermöglichen.

Familien mit Migrationshintergrund sind ärmer

Für die Studie hat das Forschungsinstitut der gewerkschaftsnahen Stiftung nach eigenen Angaben die neuesten Daten aus dem Mikrozensus für alle Bundesländer ausgewertet, die sich auf das Jahr 2015 beziehen. Den größten Einfluss auf Höhe und Entwicklung der Kinderarmutsquote hat nach Angaben der Studienautoren die Situation am Arbeitsmarkt. Aber auch Alleinerziehende und ihre Kinder sowie Familien mit Migrationshintergrund hätten ein erhöhtes Armutsrisiko.

Am höchsten ist die Kinderarmutsquote mit 34,2 Prozent laut der Studie in Bremen, gefolgt von Berlin (29,8 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (29 Prozent). Mit Abstand am niedrigsten ist sie dagegen in Bayern (12,3 Prozent) und Baden-Württemberg (13,4 Prozent). In beiden Bundesländern sei die Quote aber gestiegen – um 0,4 beziehungsweise 0,7 Prozentpunkte.

In den vergangenen Jahren ist die Armutsquote kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2010 etwa war sie mit 18,2 Prozent noch deutlich geringer. Als arm gelten laut Studie Kinder, die in Haushalten leben, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens beträgt. Bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren sind das weniger als 1.978 Euro im Monat.

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13 Kommentare

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  • Kinderarmut liegt bei 19,7 %. Das ist deutlich höher als die Arbeitslosenquote in Deutschland. Das ist ein starkes Warnsignal, dass es in unserem Land etwas gewaltig nicht stimmt. Wahrscheinlich müssen Umverteilungsmechanismen z. B. steuerlicher Natur angestoßen werden. Die Soziale Marktwirtschaft und das Sozialstaatsprinzip geben uns den notwendigen - auch rechtlichen - Gestaltungsspielraum dazu.

  • "Bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren sind das weniger als 1.978 Euro im Monat."

     

    Wohlgemerkt NETTO! Ein Softwareentwickler bei uns in der Firma verdient ungefähr das. 2005 war die Zahl noch ~400€ geringer...

    • 3G
      36855 (Profil gelöscht)
      @Yoven:

      Es verdienen sehr viele Menschen weniger NETTO, auch in unserem Freundes- und Bekanntenkreis.

      Also sind viel mehr Menschen arm oder?

  • Wörtlich heißt es in der Europäische Kommission : „„Im Zeitraum 2008 bis 2014 hat die deutsche Politik im hohem Maße zur Vergrößerung der Armut beigetragen.“

    Die Kommission kritisiert konkret, dass die Mittel für Hartz-IV-Betroffene, Empfänger von Wohngeld und BaföG nicht so gestiegen wären, dass sie Kaufkraftverluste durch Preissteigerungen ausgleichen könnten. Außerdem würden durch einen Anstieg des Wohlstands bei besser Situierten Menschen am unteren Ende der Einkommensskala abgekoppelt.

    Während das Kanzleramt im deutschen Armutsbericht im Februar 2017 kritische Passagen heraus strich, die belegten, dass gesellschaftlicher Einfluss in Deutschland von der Höhe des Einkommens abhängt, ließ die Regierung die Kritik der EU-Kommission unter den Tisch fallen.

  • taz: "Die Kinderarmut in Deutschland nimmt zu. Grund dafür ist auch die Zuwanderung von Kindern, die als Flüchtlinge kommen und unter der Armutsgrenze leben. [...] Insgesamt lebten demnach 2015 rund 2,55 Millionen Kinder in Armut - den höchsten Anteil an armen Kindern an der Gesamtbevölkerung hat Bremen. Der Anstieg beruhe überwiegend auf der Zuwanderung von Jungen und Mädchen, die als Flüchtlinge meist unter der Armutsgrenze lebten."

     

    Was ist denn jetzt los? Hat die Springerpresse die taz übernommen und keiner hat es gemerkt? Schon 2009 hat Prof. Dr. Butterwegge in einem Aufsatz über "Kinderarmut in einem reichen Land" die Zahl der Kinder, die auf Sozialhilfe angewiesen sind auf 2,8 Millionen taxiert. 2009 hatten wir aber noch keine Flüchtlinge in dem Ausmaß wie heute, also müssten wir jetzt sogar noch mehr arme Kinder als die angegebenen 2,8 Millionen von 2009 haben und erst recht mehr als die 2,55 Millionen armen Kinder die man jetzt zugibt. Wir haben momentan aber Wahlkampf und da machen sich arme deutsche Kinder nicht so gut für unsere Politiker, also werden deutsche Kinder kurzerhand zu Flüchtlingskindern umgewandelt. Arme Kinder, arme Rentner, Niedriglohnsklaven und zahllose Obdachlose auf deutschen Straßen darf es für unsere Politiker vor der großen Wahl einfach nicht geben, also werden sie statistisch herausgerechnet. Wie sehr der Staat sich um arme Kinder kümmert, sieht man z.B. an dem Kindergeld, was Hartz IV Bezieher mit Kindern zusteht, denn das Kindergeld wird als Einkommen der Kinder gezählt und vom Hartz IV Satz wieder abgezogen - wahrscheinlich damit die Hartz-IV-Kinder nicht zu "gierig" werden. Man muss sich nur den Gini-Koeffizienten (Maß zur Quantifizierung der relativen Konzentration einer Einkommensverteilung) anschauen, um zu sehen wie ungleich die Vermögen in Deutschland im Vergleich zu anderen Euro-Ländern verteilt ist.

  • Die Unterüberschrift vermittelt einen kompelt falschen Eindruck. Die Zunahme der Kinderarmut ist nicht "auch" sondern "im Wesentlichen auf" die Zuwanderung von Flüchtlingen zurückzuführen.

     

    Dabei ist weder in der Studie, noch im Artikel berücksichtigt, dass durch die Flüchtlingswelle finanzielle Mittel gebunden worden sind, welche ohne die entsprechende Zuwanderung anderweitig in sozialen Projekten zur Reduzierung der Kinderarmut hätten genutzt werden können.

     

    Ich bin sehr auf die Ergebnisse für das Jahr 2016 gespannt. Wir schaffen das?

    • 3G
      36855 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Nein, wir schaffen das so nicht.

      Nur traut sich niemand das öffentlich zu sagen.

      Die mittleren Einkommen tragen die höchste Steuerlast, und diese wird mit den steigenden Sozialausgaben noch weiter steigen. Wetten, dass?

  • Also sind es die Migranten und nicht etwa der staatlich verordnete Niedriglohnsektor, die für Kinderarmut sorgen. Schon klar! Hätte mir auch gleich auffallen müssen, dass jedes dritte Bremer, Berliner und Mecklenburger Kind ein Flüchtling ist oder mit dem Begriff 'Migrationshintergrund' diskriminiert werden darf. Die Arbeitslosenquote liegt ja derzeit bei grandiosen 6%, die machen uns die fiesen Migranten bestimmt auch noch kaputt. Dass in Frankreich Wahlkampf gegen das deutsche Lohndumping betrieben wird? Fake News! Dass die Altersarmut gefährlich anwächst? Bolschewistische Propaganda! An dieser Stelle ein vollherziges Lob für diesen bissigen Journalismus.

    • @Ivande Ramos:

      Aus welchem Grund sollte "Migrationshintergrund" diskriminierend sein. Der Begriff unterliegt inzwischen einer ordentlichen Definition (ganz im Gegensatz zum Pseudobegriff "Populismus") und bezieht sich weder auf die jeweilige Staatsbürgerschaft noch auf die jeweilige Herkunft einer Person oder Personengruppe.

    • @Ivande Ramos:

      Altersarmut wird auch ein wichtiges Thema!

       

      Flüchtlinge, die erst mit 30 oder 40 nach Deutschland kommen, haben natürlich keinerlei Chancen mehr, sich einen angemessenen Rentenanspruch aufzubauen.

       

      Hier wird man nicht umhin kommen, im Heimatland durch Berufstätigkeit fiktiv erzielte Ansprüche auf deutsche Verhältnisse hoch- und in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend anzurechnen.

       

      Ebenfalls brauchen wir für diese Menschen Riester-Verträge mit einem vom Staat entsprechend dem Alter des Flüchtlings bereits eingezahlten Grundstock, die dann individuell weiterbespart werden können, um den Nachteil gegenüber den Deutschen auszugleichen.

      • 3G
        36855 (Profil gelöscht)
        @Domkaspar:

        Sicher doch, das machen wir so.

        Hat ja auch bei den Russlanddeutschen vorzüglich geklappt oder den älteren Polen, die hier leben.

        Die Renten werden deshalb noch weiter gekürzt werden und die Krankenkassenbeiträge steigen.

        Denn für ein solidarisches System, in das A L L E einzahlen, werden sich die Bundesbeamten keinesfalls starkmachen.

  • Ist doch toll, wenn wir asylberechtigte und Menschen aus Kriegsgebieten aufnehmen. Die Kinder sind nach unserer Definition dann arm aber sicherlich wohlhabender als zig Millionen Afrikaner, die täglich zur Arbeit gehen. Von Gesundheit ganz zu schweigen. Nach der Schul- und Berufsausbildung ist das vorbei, wenn man arbeitet. Oder sollten alle Kinder bei Ankunft noch ein Mokik incl. Sprit, Handy mit Flatrate und 3 Wochen Mallorca p. a. erhalten? Wem soll das Geld dafür abgenommen werden? Also was soll der Artikel uns sagen? Löst bei jedem nur Kopfschütteln aus, der eigenes Denken einschaltet. Die Kinder sind rundum versorgt, natürlich will man auch in diesem Alter schon immer mehr und nie genug. Armani u. Co. freuen sich. Die Umwelt auch auf die Steigerung der Konsumausgaben dieser Menschen, möglichst schon in den Windeln, um mal zynisch zu sein. Übrigens kann man EU Bürger aus Osteuropa und tausende Deutsche seit vielen Jahren in Rucksäcken auf den Straßen sehen, weggesehen? Land of... Die haben keinen Anspruch auf Unterkunft, Taschengeld, wenn sie aus Rumänien kommen.

  • Neulich sah ich arabisch aussehende arme Leute in Schlafsäcken in der Innenstadt am Straßenrand. Bei Regen während ich mit dem Fahrrad unterwegs war. Zwar keine Kinder, aber auch nicht alt.