WTA streicht Tennisturniere in China: Harter Aufschlag
Die WTA stellt sich hinter die Tennisspielerin Peng Shuai, die einem KP-Bonzen Vergewaltigung vorwirft. Das IOC setzt auf stille Diplomatie.
Billie Jean King ist stolz auf den Verband, dessen Gründung 1973 auf ihre Initiative zurückgegangen ist. „Die WTA ist auf der richtigen Seite der Geschichte, wenn sie unseren Spielerinnen beisteht“, twitterte die 39-fache Grand-Slam-Siegerin, nachdem der Chef der Tennisspielerinnenvereinigung WTA verkündet hatte, dass sein Verband vorerst alle Turniere in der Volksrepublik China absagen wird. Steve Simon machte in seinem Statement klar, dass er die Entscheidung für alternativlos hält. Er stellte sich damit hinter Peng Shuai, die Tennisspielerin, die in einem Social-Media-Post Zhang Gaoli, Chinas ehemaligen Vizepremier, beschuldigt hat, sie vergewaltigt zu haben.
Nachdem der Post vom 2. November schnell gelöscht war, verschwand Peng Shuai aus der Öffentlichkeit. Als der Verdacht aufkam, sie werde festgehalten, wurden über Kanäle staatlicher Medien zwei Videos verbreitet, die Peng Shuai in der Öffentlichkeit zeigen. Für den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, wurde ein Videotelefonat mit der dreimaligen Olympiateilnehmerin arrangiert. Auch das IOC, das im Februar seine Winterspiele in Peking ausrichten lassen wird, stand unter Druck. Mit dem Telefonat hofften die Olympier wohl, ein wenig davon aus dem Kessel nehmen zu können.
Die WTA jedoch traut dem arrangierten Frieden nicht. Steve Simons fordert vielmehr „einen nachprüfbaren Beweis dafür, dass Peng Shuai die Freiheit und Möglichkeit hat, ohne Einflussnahme oder Einschüchterungen zu sprechen“. Außerdem forderte er die sexuellen Übergriffe betreffend eine transparente Aufklärung der Vorwürfe. Ein derart offene Konfrontation mit China hat noch kein Sportverband gesucht. Zu wichtig ist China als Finanzier. Auch die WTA, die die wichtigste Turnierserie im Tennissport veranstaltet, rechnete mit hohen Umsätzen in China. Für die kommende Saison waren dort elf große Turniere geplant. Nach der coronabedingten Einstellung des internationalen Sportbetriebs in China war man gerade dabei, über das Hochfahren des Turniergeschehens in China zu verhandeln. Das ist nun vorbei.
Dass es bei der Auseinandersetzung um mehr geht als den Fall Peng Shuai, auch das machte Simon in seiner Erklärung deutlich. „Wenn mächtige Leute die Stimme von Frauen unterdrücken und Anschuldigungen sexuelle Übergriffe betreffend unter den Teppich kehren können, dann erleidet die Gleichberechtigung für Frauen, die Grundlage, auf der die WTA fußt, einen schweren Rückschlag.“
Das IOC hält sich zurück
Mit solchen grundsätzlichen Fragen befasst sich das IOC nicht. Einer Stellungnahme vom Donnerstag ist zwischen den Zeilen zu entnehmen, was man vom Vorgehen der WTA hält: nichts. Das IOC bevorzuge „stille Diplomatie“, heißt es da. „Auf Basis der Erfahrung von Regierungen und anderen Organisationen sei das der meistversprechende Weg, zu effektiven Lösungen in solchen humanitären Fragen zu kommen.“ Ein IOC-Team hat, so steht es in der Stellungnahme, ein weiteres Videotelefonat mit Peng Shuai geführt. Im Januar habe man sich zu einem persönlichen Treffen verabredet. Welche Vorwürfe im Raum stehen, wird in dem Statement nicht erwähnt.
Für das IOC, dessen Pekinger Spiele wegen der Menschenrechtssituation im Land ohnehin in der Kritik stehen, ist der Fall auch deshalb von besonderer Brisanz, weil der beschuldigte Zhang Gaoli einer der führenden Olympiaplaner in China war. Er stand der „Zentralen Führungsgruppe für die Arbeit an den 24. Olympischen Winterspielen“ der Kommunistischen Partei Chinas vor und traf als solcher IOC-Chef Thomas Bach auch persönlich. Man kennt sich also. Für die Aufklärung derart heikler Vorwürfe, wie sie im Raum stehen, ist das alles andere als eine gute Voraussetzung.
Leser*innenkommentare
fvaderno
Geschehen Zeichen und Wunder? Endlich kann sich einmal eine Riege von Sportfunktionären zu einer Stellungnahme gegen schwere Menschenrechtsverletzungen aufraffen!
Dass Bach und seine Spießgesellen natürlich im Stillen handeln wollen ist klar. Sie wollen im Stillen ihre Zuwendungen für ihr Stillhalten kassieren.
Christian Götz
Mutige Entscheidung des Verbandes und vermutlich nicht nur einer Person allein. Dennoch auch mutig von Herrn Simon, sie offen zu vertreten. Nur leider scheint es, dass der WTA ein viel zu kleiner Fisch ist als dass sich die Chinesische Regierung davon beeindrucken ließe. Das liegt auch daran, dass DTB und andere Tennisverbände, IOC, DOSB, und in weiteren Sportarten auch DFB, FIFA und was sonst noch so alles so richtig im ach so unpolitischen Sport-Geschäft ist nichts beitragen wollen zu weniger Ungerechtigkeit auf der Welt.
Und was machen eigentlich die JournalistInnen und kurdischen PolitikerInnen in der Türkei so? Oder die Frauen in Katar und Saudi Arabien? Oder...,oder..., oder....?
Es ist sehr wahrscheinlich, jedoch schwierig zu bemessen, dass etwas vom Glück in Mitteleuropa auf dem Unglück in anderen Teilen der Welt beruht, und weil das so abstrakt ist, nehmen wir es mehr oder weniger hin.
Troll Eulenspiegel
Es gilt jetzt, diesen knallharten Boykott durchzuziehen, was auch für andere Sportverbände und Nationen gilt, die auch bei Olympia mitmachen wollen.