Vorwurf der Zuhälterei in Asylunterkunft: Wachmänner sind sauber
Das ZDF berichtete, dass Security-Mitarbeiter Flüchtlinge als Prostituierte vermittelt. Die Staatsanwaltschaft findet dafür jedoch keine Beweise
Aufgekommen waren die Vorwürfe im Oktober durch einen Fernsehbeitrag des ZDF-Magazins Frontal 21. Eine Sozialbetreuerin, zwei Securitymänner und ein Flüchtling sprachen dort anonym vor der Kamera von einem Netzwerk von Zuhältern, die sowohl volljährige wie minderjährige, meist männliche Geflüchtete in die Prostitution vermitteln und damit Geld verdienen würden. Bei den Zuhältern sollte es sich um Wachmänner aus Flüchtlingsheimen gehandelt haben, Tatort sollte Wilmersdorf sein. Illustriert war der Beitrag mit der inzwischen geschlossenen Notunterkunft im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf.
Diana Henniges von „Moabit hilft“, eine Protagonistin des Films, legte nach der Ausstrahlung im Interview mit der taz noch einmal nach. Sie sprach von Wissen, das sie „von vier, fünf Geflüchteten“ aus drei verschiedenen Unterkünften habe. „Die einen sind von Sicherheitsleuten angesprochen worden, andere haben die Sicherheitsleute von sich aus angesprochen.“
Bereits im November waren der taz allerdings Zweifel an den Vorwürfen zu Ohren gekommen. Sowohl die Senatsverwaltung für Integration als auch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sowie der Arbeiter-Samariter-Bund, der die Unterkunft im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf betrieb, hatten interne Ermittlungen durchgeführt. Niemand konnte die Vorwürfe verifizieren.
Anzeige wegen falscher Verdächtigung
Auch die im ZDF-Beitrag anonym gezeigten Personen waren nirgends bekannt. Das in Frage kommende Sicherheitsunternehmen GSO Security, das im ehemaligen Rathaus bis zur Schließung den Wachschutz stellte, zeigte sich von den Vorwürfen sehr betroffen, kooperierte mit den Ermittlern, stellte aber auch Strafanzeige wegen Falschinformation. „Die Vorwürfe haben die Existenz unserer Firma und Arbeitsplätze von vielen unserer 100 Wachmänner gefährdet“, sagte Geschäftsführer Michael Albert. „Darum sind wir natürlich erleichtert, dass die Vorwürfe sich als haltlos herausgestellt haben.“
Doch ein wenig Enttäuschung schwinge mit, so Albert zur taz. „Wir haben ja auch Strafanzeige wegen Falschaussage gestellt und uns erhofft, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, wer hinter den falschen Beschuldigungen steckt und wer möglicherweise die Protagonisten im Film dafür bezahlt hat.“ Albert vermutet konkurrierende Firmen. Doch weder seine eigenen Recherchen noch die Ermittlungen der Behörden brachten ein Ergebnis.
Staatsanwaltschaft
Nach Recherchen der taz gibt es Hinweise, dass der Hauptbelastungszeuge in dem Film, ein Wachmann, der gepixelt gezeigt wurde und eine Weste der Firma GSU Security trug, aus anderen Gründen mit dieser Firma eine offene Rechnung hatte: Er stritt mit ihr vor dem Arbeitsgericht.
Die Staatsanwaltschaft ist nach eigenen Angaben an die im Fernsehbeitrag interviewten Personen herangetreten. „Die Befragungen haben ergeben, dass diese Personen keine eigenen Wahrnehmungen geschildert haben, sondern Gerüchte, die ‚in der Szene‘ kursierten, weiterverbreitet haben. Konkrete Vorfälle konnten nicht geschildert werden.
Vor diesem Hintergrund scheint es fraglich, ob die in dem Fernsehbericht behaupteten Straftaten tatsächlich geschehen oder geplant waren.“Frontal21 hat sich der Staatsanwaltschaft zufolge nicht geäußert. Das ist das gute Recht von Journalisten. Sie dürfen ihre Gesprächspartner anonymisieren und müssen auch vor Gericht keine Angaben dazu machen. Zur taz sagte Christian Rohde von Frontal 21: „Wir haben seriös gearbeitet. Wir stehen zu unserer Recherche.“
Holger Michel hat bis zur Schließung der Notunterkunft im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf die Arbeit ehrenamtlicher Helfer koordiniert. Über die Einstellung der Ermittlungen sei er glücklich, sagt er. „Denn der Vorwurf hat auch die Ehrenamtlichen persönlich belastet. Doch wir wissen auch: Es gibt sexuellen Missbrauch und Zwangsprostitution in Berlin.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett