Vorwürfe gegen Lidl-Zulieferer: Quälerei fürs Kühlregal

Eine spanische Tierschutzorganisation erhebt schwere Vorwürfe gegen einen Zuchtbetrieb. Die Produkte könnten auch in deutschen Filialen gelandet sein.

Eine Lidl-Tüte hängt an einem Einkaufswagen

Lidl-Tüte Foto: Michael Gstettenbauer/imago

MADRID taz | Die Bilder sind schrecklich. Tote Schweine, teilweise angefressen von ihren Artgenossen, entzündete Wunden, riesige bis zu sieben Kilogramm schwere Eingeweidebrüche, Geschwülste, blinde Tiere und überall Dreck, Würmer, Ratten. Die Aufnahmen, die die spanische Tierschutzorganisation Observatorium für das Tierwohl (OBA) veröffentlicht hat, stammen aus einem Zuchtbetrieb in Quintanilla del Coco in der nordspanischen Provinz Burgos.

Die „Horrorfarm“, wie die spanische Presse die Zucht taufte, hat einen Bestand von 2.200 Tieren und liefert an ein Unternehmen, das unter dem Markennahmen Campodulce auch bei den spanischen Supermärkten von Lidl im Regal liegt. Zumindest bei einer Sonderaktion sollen Fleischprodukte aus diesem Vertriebsweg auch in den deutschen Filialen gelandet sein.

In einem von OBA veröffentlichten Video ist zu sehen, wie Tiere im fraglichen Zuchtbetrieb Ende Juli auf einen LKW verladen werden und im Schlachthof landen, der Lidl beliefert. The Pink Pig heißt das Unternehmen der Jorge Gruppe, Eigentümerin der Marke Campodulce. Immer wieder kommen – so das OBA – bei der Verladung der Tiere Schläge und Elektroschocks zum Einsatz. Die Organisation zeigte den Eigentümer des Zuchtbetriebes, Domingo del Pozo Martínez, Bürgermeister seines Heimatortes, an. Del Pozo, Poliotiker aus den Reihen der konservativen Partido Popular, war am Freitag nicht zu erreichen. Das Telefon des Rathauses war unbesetzt.

„Als wir von den Vorwürfen erfuhren, haben wir uns unweigerlich mit Campodulce in Verbindung gesetzt. Sie versicherten, dass sie nicht mit dieser Schweinezucht zusammenarbeiten, da sie das Gütesiegel für Tierwohl nicht erneuert hat, das wir von allen Betrieben verlangen, die mit Lidl zusammenarbeiten“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Unternehmens. Was die Pressestelle nicht erwähnt: Da fragliche Gütesiegel „Animal Welfair“, ausgestellt vom spanischen Unternehmen AENOR in Zusammenarbeit mit der katalanischen Agentur IRTA, wurde der Zucht in Quintanilla del Coco entzogen, nach dem die Tageszeitung El País über die OBA-Nachforschungen exklusiv berichtete – keine 72 Stunden vor besagter Stellungnahme der spanischen Lidl-Pressestelle. Lidl-Spanien bezieht von der Jorge-Gruppe und deren Marke Campodulce, deren Zulieferer die Schweinezucht bei Burgos ist, „Jamón Serrano Reserva“ – aufgeschnittener, luftgetrockneter Schinken.

Nicht der erste Skandal

„Es handelt sich um den siebten Tiermissbrauchsskandal bei Lidl innerhalb von zwölf Monaten“, sagt Guillermo Moreno. Der Gründer und Direktor des OBA wirft Lidl vor, sich nicht „für den Tierschutz zu engagieren.“ „Und das, obwohl es schwerwiegende Fälle gibt, die all die guten Worte widerlegen, die Lidl auf seiner Website über den Umgang mit Tieren in seiner Lieferkette verliert“, fügt er hin zu.

Bei früheren Skandalen ging es hauptsächlich um die Aufzucht von Hähnchen, deren Fleisch bei Lidl vermarktet wird. Mehr als eine halbe Million Verbraucher habe eine Petition an die Europäische Union (EU) unterschrieben, in der eine ernsthaftere Tierschutzpolitik eingefordert wird.

In Spanien werden jedes Jahr über 56 Millionen Schweine aufgezogen und geschlachtet. Das Land auf der Iberischen Halbinsel liegt damit weltweit nach den USA, China und Deutschland ganz knapp auf Platz vier. Das Kilogramm Schweinefleisch kostet in Spanien ab Schlachthof 1,61 Euro ohne Mehrwertsteuer und ist damit so billig wie nirgends in der EU. In Österreich sind es 1,75 Euro, in Deutschland 1,78 Euro. In den letzten Jahren wuchs der spanische Schweinebestand um 30 Prozent. Über 600.000 Tonnen Schweinefleisch gehen jährlich in den Export, 50.000 Tonnen davon alleine nach Deutschland.

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