Vorstoß der Wehrbeauftragten Eva Högl: Zivilpflicht statt Wehrpflicht!

Eine Wiederauflage der Wehrpflicht würde das Rechts-Problem in der Bundeswehr nicht lösen. Sinnvoller wäre ein obligatorischer neuer Zivildienst.

ein Mann und eine Frau hinter einer Tür

Generationen von Männern kennen noch den Termin: die Musterung (Archivbild von 2007) Foto: dpa / Friso Gentsch

Mit diesem Slogan warb ein großer Arbeitgeber vor einigen Jahren: „Mach, was wirklich zählt.“ Was zählt? Alte und Kranke pflegen? Kinder erziehen? I wo. Die Bundeswehr wollte junge Leute für ihren freiwilligen Wehrdienst und zu Waldläufen, Kletterübungen und zum Robben durch den Staub animieren. Was wirklich zählt also.

Die Truppe hat seit der Aussetzung der Wehrpflicht vor neun Jahren ein Nachwuchsproblem. Der Nachschub von 130.000 Rekruten pro Jahr fiel damals aus, die knapp 7.000 Jugendlichen, die heute freiwillig Wehrdienst ableisten, können diesen Verlust nicht ausgleichen. Nun schlägt die SPD-Politikerin Eva Högl vor, die Wehrpflicht kurzerhand wieder einzusetzen.

Mit diesem Vorschlag kann sich die holprig ins Amt beförderte neue Wehrbeauftragte vielleicht eine Loyalitätsmedaille bei den immer noch skeptischen Soldat:innen verdienen. Dass es aber per Wehrpflicht gelingen soll, rechtsextreme Tendenzen bei Teilen der Bundeswehr zu stoppen, ist zweifelhaft. Auch zu Zeiten der Wehrpflicht gab es Berichte über fragwürdige Aufnahmerituale und nationalsozialistische Begrüßungen.

Die Akademie der Bundeswehr analysierte von 1997 bis 2000 fast tausend Verdachtsfälle auf fremdenfeindliche und rechtsextreme Delikte. Die Mehrzahl begangen von Wehrpflichtigen in den ersten Dienstmonaten. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht bietet also keine Aussicht auf Besserung.

Unbeliebter Bundesfreiwilligendienst

Stattdessen lohnt es sich, über eine neue Art von Pflichtdienst nachzudenken: eine Zivilpflicht. Der Aussetzung der Wehrpflicht fiel nämlich auch der daran gekoppelte Zivildienst zum Opfer. Die gut 100.000 Zivis, die pro Jahr verweigerten, hatten überwiegend im sozialen Bereich gearbeitet. Den stattdessen eingeführten Bundesfreiwilligendienst nehmen dreimal weniger Jugendliche wahr – und jede Dritte bricht vorzeitig ab.

Die neue Zivilpflicht würde für alle gelten, ob männlich, weiblich oder divers. Die Konditionen sollten die gleichen sein wie beim freiwilligen Wehrdienst: 1.500 Euro Grundbetrag und freie Bahnfahrten zum Dienstort. Dafür würden die neuen Zivis helfen, Alte und Kranke zu pflegen oder Kinder zu betreuen oder also in gesellschaftlich wichtigen Bereichen arbeiten, wo es an Personal mangelt. Und wer den Zivildienst verweigert, muss zum Bund.

So hätte die Bundeswehr zwar nicht ihre Probleme mit Rechtsextremismus behoben. Diese ließen sich erst dann lösen, wenn klar wird, warum der „Bund“ eine bestimmte Klientel anzieht und was heutzutage eigentlich der Sinn der Bundeswehr ist – was wirklich zählt. Sinnlose Auslandseinsätze in Afghanistan oder Mali sind es nicht.

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Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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