Vorstellung des Infektionsschutzgesetzes: Winterfest mit Maske
Gesundheitsminister Lauterbach zeigt sich zufrieden mit dem Entwurf des Infektionsschutzgesetzes. Dieser sieht mehr Verantwortung für die Länder vor.
Dem neuen Infektionsschutzgesetz liegt die Annahme eines Anstiegs der Coronainfektionszahlen im Herbst zugrunde. Die Länder haben zuvor bereits vom Bund mehr Eingriffsmöglichkeiten bei einem höheren Infektionsgeschehen gefordert. Diesem Wunsch kommen Lauterbach und Buschmann nun nach. Bundesweit werden eher wenige Regeln festgelegt, die meisten liegen im Ermessen der Länder. Vorgestellt wurden Maßnahmen in einem Stufensystem, die als „Winterreifen“ und „Schneeketten“ bezeichnet wurden. Letztere würden nur bei extrem kritischer Pandemielage greifen. Besonders im Fokus ist durch die neuen Regelungen für den Herbst erneut die Maske. Diese sei, so Buschmann, „das Instrument mit der besten Kosten-Nutzen-Bilanz.“
Die Pflicht zum Tragen einer medizinischen oder FFP2-Maske soll deutschlandweit in Flugzeug und Fernverkehr gelten. Wie schon jetzt können die Länder darüber hinaus eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr anordnen. Eine Masken- und Testpflicht soll es weiterhin in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geben sowie für Beschäftigte im Pflegebereich. Ausgenommen davon sollen dann frisch geimpfte und genesene Personen sowie Personen, die in den jeweiligen Einrichtungen oder von den jeweiligen Dienstleister*innen behandelt, betreut oder gepflegt werden sein.
Impfanreiz Restaurant-Besuch?
Die Länder sollen außerdem darüber entscheiden, ob sie in öffentlich zugänglichen Innenräumen, etwa Supermärkten, wieder Masken vorschreiben. Ausgenommen von der Maskenpflicht sollen bei Kultur- und Sportveranstaltungen und in Restaurants tagesaktuell getestete, frisch geimpfte und frisch genesene Menschen sein. Die Impfung darf dann höchstens drei Monate her sein. Lauterbach erhofft sich, so einen Anreiz für die auf die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe zu schaffen, die voraussichtlich im September zugelassen werden sollen. Buschmann rechnet auch damit, dass viele Clubs oder Restaurants auf diese Weise wieder ihr Hausrecht nutzen und eine 3G-Regelung einführen. Die Durchführbarkeit einer Maskenkontrolle bei Restaurants oder auch anderen Kulturbetrieben blieb unklar.
Am längsten hätten sie in ihren Gesprächen über die Maskenpflicht an Schulen diskutiert, teilte Buschmann mit. Das Infektionsschutzgesetz für den Herbst soll vorsehen, dass die Länder Schnelltests in Schulen, Kitas und Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerber*innen vorschreiben können. Eine Maskenpflicht in der Schule soll es nur geben, wenn sonst kein geregelter Präsenzunterricht möglich wäre. Dann gelte diese für Kinder ab dem fünften Schuljahr. Nicht zu ihrem Konzept für den Herbst gehören Lockdowns oder Schulschließungen, betonte Buschmann. Das Zurückfahren von Einschränkungen im Alltag für die Bürger*innen war der FDP ein großes Anliegen. Lauterbach hatte sich zuvor für strengere Maßnahmen ausgesprochen. Ebenfalls nicht zurückkommen werden die kostenlosen Schnelltests für alle.
Sollten entgegen der Erwartungen das Infektionsgeschehen dazu führen, dass kritische Infrastrukturen zusammenbrechen, bekommen die Länder die Möglichkeit die „Schneeketten“-Regeln anzuwenden. Dann könnte es auch wieder eine Maskenpflicht bei Außenveranstaltungen und Personen-Obergrenzen im öffentlichen Raum geben, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden.
Empfohlener externer Inhalt
Kritik an dem Entwurf der Bundesregierung gibt es bereits aus Baden-Württemberg. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) äußerte sich gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass er sich die Möglichkeit gewünscht hätte, bei verschärfter Infektionslage im Extremfall sogenannte 2G- oder 3G-Beschränkungen oder Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum einzuführen. Dementgegengesetzt nennen die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Maria Klein-Schmeink und Konstantin von Notz, die Reform des Infektionsschutzgesetzes eine „gute und faktenbasierte Vorbereitung für den kommenden Herbst und Winter.“
Ausschlaggebend für die Beurteilung der Pandemielage wird nach Buschmann und Lauterbach nicht mehr nur noch die Coronainzidenz sein. Diese wird von Expert*innen als zu niedrig aufgrund von nicht gemeldeten oder erkannten Coronainfektionen eingeschätzt. Stattdessen wolle man zukünftig stärker auf flächendeckende Abwasseranalysen setzen. Lauterbach rechnet insgesamt für den Herbst mit einer deutlich besseren Datenlage, die er auch in seinem 7-Punkte-Plan für den Herbst schon seit Längerem angekündigt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“