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Vorkaufsrecht in den BezirkenKaufen? Nicht um jeden Preis!

Erneut nimmt Friedrichshain-Kreuzberg sein Vorkaufsrecht wahr. Doch das Instrument ist nicht auf alle Grundstücke übertragbar. Hilfe soll vom Senat kommen.

Florian Schmidt: Vom Aktivisten zum Baustadtrat Foto: Olaf Selchow/imago

Die Mieterinnen und Mieter der Zossener Straße 48 in Kreuzberg können sich freuen. Er hat wieder einmal zugeschlagen. Er, das ist Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Wieder einmal hat Schmidt vom Vorkaufsrecht des Bezirks Gebrauch gemacht und einem Investor ein Haus weggeschnappt. „Hier liegt quasi ein Spekulationssachverhalt vor, wie er deutlicher nicht sein könnte“, sagte Schmidt zur Begründung dem RBB.

Das erste Mal war die Zossener Straße 48 im Februar verkauft worden. Kurz darauf hatte der Bezirk dem neuen Eigentümer die Zusammenarbeit angeboten. Das Haus liegt in einem Milieuschutzgebiet, in dem etwa Umwandlungen oder Modernisierungen genehmigt werden müssen. Doch anstatt sich auf Verhandlungen einzulassen, verkaufte der neue Eigentümer weiter – mit einem satten Aufschlag von 800.000 Euro.

Vorkaufsrecht und Senat

Noch im Juni will der rot-rot-grüne Senat eine Handreichung zum Thema Vorkaufsrecht an die Bezirke beschließen. Damit soll das Vorgehen der Bezirke gegen spekulative Verkäufe in den Mi­lieuschutzgebieten vereinheitlicht werden.

In seiner Koalitionsvereinbarung hatte sich Rot-Rot-Grün darauf verständigt, seine Vorkaufsrechte nach Baugesetzbuch zu stärken. Darüber hinaus sollen Verfahren entwickelt und finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden, „um innerhalb der Zweimonatsfrist eine wirksame Ausübungspraxis durch die Bezirke zu ermöglichen“. (wera)

Als das bekannt wurde, stoppte Schmidt das Angebot an den ersten Käufer und machte das Vorkaufsrecht geltend, mit dem der Bezirk zugunsten eines Dritten in den Kaufvertrag einsteigen kann. „Wir wissen aus Erfahrung, wie die Projektentwickler mit den Häusern umgehen. Da wird Druck ausgeübt, damit die Mieter ausziehen. Das wollen wir mit dem Vorkaufsrecht verhindern“, so Florian Schmidt gegenüber dem RBB.

Der Dritte, das ist im Falle der Zossener Straße keine Wohnungsbaugesellschaft, sondern die Stiftung Nord-Süd-Brücken. Diese wiederum will das Haus nach einem Jahr an die Mieter verkaufen. Einziger Wermutstropfen: Der ursprüngliche Käufer legte Widerspruch gegen das Vorkaufsrecht ein. Nun droht ein langer Rechtsstreit.

Auch in Pankow hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Bezirke offensiver gegen Spekulation mit Wohnraum vorgehen können. Das könnte auch der Hausgemeinschaft der Danziger Straße 55 zugute kommen, deren Haus an die börsennotierte Deutsche Wohnen verkauft wurde. Allerdings beträgt der Verkaufspreis 6 Millionen Euro. „Bei dem Preis haben wir Mühe einen Käufer zu finden, für den wir das Vorkaufsrecht wahrnehmen können“, sagt Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) der taz. „Wir müssen hier eine Lücke von 1,5 Millionen schließen.“ Denn mehr als 4,5 Millionen Euro wollen mehrere Wohnungsbaugesellschaften oder die Genossenschaft Bremer Höhe nicht bezahlen.

Kuhn befindet sich nun in Verhandlungen mit der Deutschen Wohnen. Sollte sich Berlins größter privater Vermieter mit 110.000 Wohnungen bereit erklären, auf eine Umwandlung in Eigentumswohnungen zu verzichten, würde der Bezirk den Verkauf wohl genehmigen. Die Frist, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen, läuft am 24. Juni ab.

Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, aber auch Neukölln, schauen inzwischen auch in Richtung Senat. Denn Rot-Rot-Grün hat in Aussicht gestellt, in bestimmten Fällen Geld locker zu machen. Falls aber der Kaufpreis den Verkehrswert „deutlich“ überschreitet, heißt es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, könne der Kaufpreis für das Objekt herabgesetzt werden. Kaufen ja, aber nicht zu jedem Preis.

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4 Kommentare

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  • Das ist mir auch nicht wirklich klar, wieso Uwe Rada zum wiederholten Mal in der taz schreibt, Hausverkäufe müssten staatlicherseits "genehmigt" werden. Schön wärs ja´vielleicht, aber so viel Macht hat dieser Staat gegenüber dem Kapital nunmal nicht

  • Spannend, dass der Senat davon ausgeht, dass ein Preis beim Vorkaufsrecht herabgesetzt werden könne. Eine gesetzliche Grundlage hierfür gibt es nicht. Ein entsprechendes Verfahren in Schöneberg ging verloren. Vorkaufsrecht bedeutet halt "Kauf zu den im Vertrag genannten Konditionen". Der Verkehrswert einer Immobilie ist der am freien Markt unter Dritten erzielte Preis.

     

    Soll am Ende der Senat Millionen von Steuergeldern für den Erwerb einzelner Häuser aufwenden. Hiervon profitieren jeweils eine handvoll Bewohner. Wahnsinn.

     

    Im Übrigen, ein Bezirk "genehmigt" keine Kaufverträge. Er macht nur von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch (oder eben nicht).

    • @DiMa:

      ja richtig. Das Vorkaufsrecht ändert nichts an der ungleichen und ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen in dieser Gesellschaft. Ob die Menschen nun auf direktem Weg die gefordeten Mieten nicht zahlen können oder ob der Staat nicht genügend Steuereinnahmen hat oder dafür zur Verfügung stellen will, bleibt sich gleich. Ausbeutung ist Ausbeutung. Diejenigen, die die Häuser bauen, erhalten und pflegen, die die Kinder großziehen und die Alten pflegen, diejenigen, die das gute Leben in den Häusern ermöglichen, werden um den Wert ihrer Arbeit geprellt.

      • @Margit Englert:

        Dann ist es doch erstaunlich, dass der Baustadtrat und Herr Rada von der taz gerade so tun als sei das Vorkaufsrecht eine Art Wunderwaffe.

         

        Die genannte Stiftung Nord-Süd-Brücken war bisher nicht wirklich in diesem Bereich aktiv. Ich frage mich, was passiert, wenn der Verkauf an die Mieter nicht realisiert werden kann.