Vor dem G20-Gipfel in Argentinien: Río de la Plata wird zur Festung
Argentiniens Hauptstadt bereitet sich auf den G20-Gipfel Ende November vor. Die Bedürfnisse der Anwohner werden dabei kaum einbezogen.
Der G20 kommt.“ „Wer?“ „Der G20.“ „Was ist das denn?“ „Etwas mit IWF und Trump.“ „Ah, und was wollen die hier?“ Immer wenn Matilda in ihrem Familienumfeld vom G20 spricht, schaut sie in fragende Gesichter. Dann erklärt die Politikstudentin, dass sich am 30. November und am 1. Dezember die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industriestaaten in Buenos Aires treffen. „Ah, deshalb dieser Zirkus mit den Absperrungen und dem Feiertag“, hört sie dann.
Roque hat ganz andere Sorgen: „Für mich sind das verlorene Arbeitstage.“ Sie führt TouristInnen durch die schicken Stadtviertel Recoleta und Puerto Madero. Zwar werden zu dem Treffen rund 10.000 Menschen erwartet, doch StaatschefInnen, LobbyistInnen, NGOlerInnen und JournalistInnen zählen nicht gerade zu seiner Klientel. Der Stadtflughafen, der Busbahnhof, sogar der Hafen für die Kreuzfahrtschiffe soll an den Tagen rund um den Gipfel gesperrt sein. „Keiner weiß, wie die normalen Touris da rauskommen sollen“, zuckt er mit den Schultern.
Der Tagungsort am Ufer des Río de la Plata wird zur Festung: halbringförmig abgesperrt, auf dem Fluss kontrollieren Küstenwache und Marine. Die argentinischen Sicherheitsbehörden werden mit 25.000 Polizeikräften im Einsatz sein. Dazu kommen 5.000 ausländische Sicherheitsleute, jeweils 1.500 aus den USA, Russland und China.
Wer keinen Platz in Buenos Aires hat, wird auf der anderen Uferseite im benachbarten Uruguay in Alarmbereitschaft stehen. Gerade hat dort der Kongress der vorübergehenden Stationierung zugestimmt.
„In Hamburg war das alles ja in der Innenstadt. Meine Tante wohnt da, und die hat uns einiges erzählt“, sagt Roque. In Buenos Aires konzentriere sich alles am Flussufer bei den Vierteln der Reichen, und die würden sowieso alle zu ihren countries, sprich Wochenendhäusern fahren. „Recoleta wird so tot sein wie sein berühmter Friedhof,“ prophezeit Roque. Dennoch hat die Regierung den Gipfel-Freitag in der Stadt Buenos Aires vorsorglich zum Feiertag erklärt. So müssten die PendlerInnen nicht zu ihren Büroarbeitsplätzen in die City, und die Porteños und Porteñas könnten in ein verlängertes Wochenende flüchten.
„Wenn Trump kommt, dann marschier' ich“
Schon lange machen die Sicherheitsbehörden Stimmung. Krawallmacher aus dem Ausland könnten sich trotz der verschärften Einreisekontrollen und der Zusammenarbeit mit den ausländischen Geheimdiensten einschleusen. Man habe eine Liste mit bis zu 4.000 Namen von Personen, die bei früheren G20-Gipfeln aufgefallen seien oder vorübergehend festgenommen wurden, verbreiten die gut informierten Kreise über die Medien. Und die konservative Tageszeitung La Nación erklärte ihrer Leserschaft bereits, dass der „Black Bloc“, der Schwarze Block, eine anarchistische Bewegung sei, dessen vorrangiges Ziel es sei, Chaos zu stiften.
Die Regierung bringt jedes Vorkommnis mit dem G20 in Verbindung. Vor wenigen Tagen wollten zwei mutmaßliche AnarchistInnen das Grab eines seit über 100 Jahren toten Polizisten mit einer selbst gebastelten Bombe sprengen. Und in den Vorgarten des Richters, der wegen Korruption auch gegen Ex-Präsidentin Cristina Kirchner ermittelt, wurde ein selbst gebastelter Sprengsatz geworfen.
„Beide Fälle stehen zweifelsohne in Zusammenhang mit dem bevorstehenden G20-Gipfel“, war sich Marcelo D’Alessandro sicher, der Sicherheitssekretär der Stadt Buenos Aires, noch bevor die Ermittlungen richtig aufgenommen wurden.
Matilda will mit dafür sorgen, dass auch in der Innenstadt etwas los ist. So wird der Völkergipfel in einem großen Zelt direkt vor dem Kongressgebäude stattfinden. Und zur großen Demo werden Hunderttausende erwartet. „Si viene Trump, yo marcho – Wenn Trump kommt, dann marschier' ich“, lautet ein Aufruf zur Demo. „Was soll's“, meint sie, „mit Trump und IWF mobilisiert sich's leichter als mit dem G20.“
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