Vor dem AfD-Parteitag in Magdeburg: Und noch ein finanzieller Fehltritt
Nicht nur die Spenden für den Kreisverband Weidels sorgen für Wirbel. Auch eine Zuwendung für einen NRW-AfDler birgt Konfliktpotenzial.
Doch jetzt kommt auch noch die Spendenaffäre hinzu. Seit bekannt wurde, dass in dem Kreisverband von Fraktionschefin Alice Weidel zwei zumindest dubiose, vielleicht auch illegale Großspenden eingegangen sind und die Staatsanwaltschaft gegen Weidel und andere AfD-Mitglieder ermitteln will, sind solche Parteispenden allerorten Thema in der Partei. Und mitnichten gingen nur in Weidels Kreisverband dubiose Spenden ein. Auch Reil hat sich einen Fehltritt geleistet.
Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017 plakatierte ein Unternehmen aus der Schweiz, die Goal AG, für Reil zahlreiche Großplakate. Von der Goal AG war schon zuvor Geld in AfD-Wahlkämpfe geflossen, auch Parteichef Jörg Meuthen profitierte davon. Nach Aussage Reils hatte das Unternehmen ihm die kostenlose Aktion angeboten und er hatte freudig zugesagt. Besiegelt wurde das ganze durch eine Freistellungserklärung. Schon seit geraumer Zeit prüft nun die Bundestagsverwaltung, ob die Werbeaktion eine „unzulässige Spende“ ist – und nach allem, was man hört, tendiert sie zu der Einschätzung, dass es so ist. Nach dem Parteiengesetz sind solche Spenden „unverzüglich“ an die Behörde weiterzuleiten. Das hatten weder Meuthen noch Reil getan.
Während die AfD für Meuthen inzwischen über 5.000 Euro an die Bundeskasse überwiesen hat, offensichtlich der Gegenwert für die Aktivitäten der Goal AG, steht bei Reil eine solche Zahlung noch aus. Der Vorgang sei noch nicht entschieden, sagt er zur Begründung. Doch nun sorgt er sich, dass das Thema am Wochenende bei seiner Kandidatur wieder zur Sprache kommt.
An diesem Wochenende will die AfD ihre Liste für die Europawahl im kommenden Jahr aufstellen. Ab Freitagmittag treffen sich die rund 600 Delegierten für vier Tage in der Magdeburger Messe. Bislang hat die rechtspopulistische Partei im Europaparlemant genau einen Abgeordneten: Parteichef Meuthen, der dieses Mal als Spitzenkandidat antreten will. Insgesamt wird mit mehreren hundert Kandidaturen für die Liste gerechnet.
Am Freitagmorgen, bevor der Parteitag beginnt, kommt der Bundesvorstand der Partei zu einer Sitzung zusammen. Dabei hat er einige heikle Themen zu besprechen, darunter ein mögliches Parteiausschlussverfahren gegen Frank Pasemann, einen Bundestagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt, der selbst Mitglied des Bundesvorstands ist. Im Zentrum aber wird wohl die Spendenaffäre um Fraktionschefin Alice Weidel stehen.
Intern prüft derzeit Bundesschatzmeister Klaus Fohrmann den Vorgang, er soll am Freitag dem Bundesvorstand berichten. Zudem hat die AfD Karl Albrecht Schachtschneider mit der Prüfung betraut, einen emeritierten Staatsrechtsprofessor aus dem Umfeld der Neuen Rechten, der auch im Kuratorium der AfD-nahem Desiderius-Erasmus-Stiftung sitzt. Schachtschneider teilte bereits am Mittwoch Abend mit, er sehe keinerlei Fehlverhalten bei Weidel. Aus der Partei ist zu hören, dass man am Freitag noch nicht mit Konsequenzen rechnet.
Inzwischen geht es um zwei mutmaßlich illegale Großspenden, die Weidels Kreisverband am Bodensee erhalten hat. Nachdem seit Tagen über eine Spende aus der Schweiz diskutiert wird, räumte die AfD am späten Mittwochabend eine weitere dubiose Großspende ein – wohl um einem Medienbericht zuvor zu kommen. Diesmal soll das Geld aus Belgien kommen.
Stiftung spendete 150.000 Euro
Die AfD teilte mit, dass im Februar 150.000 Euro auf dem Konto des Kreisverbands eingegangen seien. Der Spender: eine Stiftung mit dem Namen „Stichting Identiteit Europa“ (Stiftung Identität Europa). Weil der Kreisverband weder die Spenderidentität noch die Spendermotivation zweifelsfrei feststellen konnte, habe man entschieden, das Geld zurückzuschicken. Deshalb habe man auch die Bundestagsverwaltung nicht informiert. Zurück überweisen aber wurde das Geld nach Angaben der AfD erst am 9. Mai – also fast drei Monate, nachdem es angekommen war. Großspenden über 50.000 Euro müssen unverzüglich bei der Bundestagsverwaltung angezeigt werden. Diese wurde erst am Dienstag über den Vorgang informiert.
Weidels Kreisverband hatte bereits im Jahr zuvor 130.00 Euro aus der Schweiz erhalten, gestückelt und mit dem Verwendungszweck „Wahlkampfspende Alice Weidel“ versehen. Dies hatte der Rechercheverbund von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung aufgedeckt. Das Geld war von der in Zürich ansässigen Firma PWS Pharmawholesale International AG überwiesen worden, „treuhänderisch für einen Geschäftsfreund“, wie deren Verwaltungsrat mitteilte. Von dem Schweizer Geld sollen die Kosten für einen Medienanwalt und der Kauf von Facebook-Likes für Weidel bezahlt worden sein, bevor es im April rücküberweisen wurde. Ende 2017 sollen nur noch 107.000 Euro auf dem Kreiskonto gewesen sein.
Die Staatsanwaltschaft Konstanz hatte bereits vor dem Bekanntwerden des belgischen Falls erklärt, gegen Weidel und einige andere AfD-Mitglieder wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Parteiengesetz ermitteln zu wollen. Zunächst aber muss Weidels Immunität im Bundestag aufgehoben werden. Nun prüft die Staatsanwaltschaft auch den belgischen Fall. Anders als im Falle der Schweiz ist eine Spende aus Belgien nicht per se illgeal, weil das Land EU-Mitglied ist.
Aus dem AfD-Bundesvorstand hat sich bislang kaum jemand zu der Spendenaffäre geäußert, nur Parteichef Alexander Gauland hat Weidel mit dünnen Worten via Bild verteidigt und versucht, die Schuld beim zuständigen Landesschatzmeister in Baden-Württemberg abzuladen. Darüber hat der Bundesvorstand Stillschweigen vereinbart – bis Freitag.
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