Vor 20 Jahren war alles besser: No Future war die gute alte Zeit
Es ist eine dieser scheinbar harmlosen Fragen, deren Antwort ein Desaster nach sich ziehen kann. War es früher besser? Die Antwort ist eindeutig.
E s war eine dieser scheinbar harmlosen Fragen, wo eine ehrliche Antwort ein Desaster nach sich ziehen kann. „War es eigentlich besser, als die Kinder klein waren?“, fragte irgendjemand letztens im Freundeskreis. War es vor 20 Jahren besser? Trotz der schlaflosen Nächte, dem Terror der Kita- und Schulwahl, dem Gefühl, das Leben finde ohne uns statt? Natürlich war es besser!
Es war die Zeit, als ich noch Fußball spielen konnte, ohne mich dauernd um meine Knie zu sorgen. Wo wir auf die Regierung schimpften, die immer aus den falschen Gründen das Falsche tat. Wo wir selbstverständlich gegen die Aufrüstung der Bundeswehr waren, weil das die Welt nicht sicherer machte. Und wo man vor dem Kino drei Bier trinken konnte, ohne schon nach der Werbung dringend aufs Klo zu müssen.
Natürlich war früher alles besser. Sonnentage waren willkommen und keine Hitzewelle. Regentage waren schlechtes Wetter und keine lebensrettende Maßnahme für den Stadtwald. Und vor allem schauten wir anders in die Zukunft als heute. Aber auch das ist Vergangenheit. Oder wie es dieser Tage der Chef des Umweltbundesamts auf Twitter zu all den Hitzewellen schrieb: „Zur Erinnerung: Wir sind erst bei 1,2/1,2 Grad globaler Erwärmung. Jeder heiße Sommer, den wir jetzt erleben, wird – von 2030/40 aus betrachtet – ein kühler Sommer gewesen sein.“ Das ist nicht das, was man hören will, wenn man in der Bürosauna schwitzt. Aber wo er recht hat, hat er recht.
Für Greise wie mich hat sich die Weltsicht deutlich verschoben. Das wütende „No Future“ unserer Jugend ist heute die gute alte Zeit. Würde ich tauschen mit der Angst vor dem Atomkrieg in einer globalen Umgebung mit 375 ppm CO2 in der Atmosphäre statt der 420 von heute, einem Temperaturanstieg von 0,56 Grad, der Hälfte von heute, nur 20 Jahre später? Logo würde ich tauschen. Den Atomkrieg haben wir verhindert, weil keiner den Roten Knopf drückte. Beim Klimawandel müssen wir alle Knöpfe, Hebel und Räder gleichzeitig bewegen, wenn wir den GAU verhindern wollen.
Ich bin ein konservativer Knochen
Nach 30 Jahren bei einer linken Tageszeitung merke ich auch: Ich bin kein Linker. Sondern ein konservativer Knochen. Als Linker sollte ich doch wohl glauben, dass uns technischer Fortschritt und die Vervollkommnung des Menschengeschlechts durch Kultur und Bildung voranbringt.
Nun ja. Ich würde schon feiern, wenn wir die blödesten Dummheiten mal unterlassen könnten. Und an „Innovation und Investition“ als finale Problemlöser glauben heute auch nur noch Christian Lindner und Carsten Linnemann.
Nein, tut mir leid, alles soll so werden wie früher oder zumindest so bleiben, wie es ist. In schwachen Stunden sehne ich mich nach der Zeit, als für uns „Klimaanlagen“ noch seltene Geräte waren, die Büroräume kühlten. Und nicht Kraftwerke, Verbrennungsmotoren und Gasboiler, die unseren Planeten aufheizen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers