Von wegen Untergang des Liberalismus: Wird der Wahlkampf eine nationale Katastrophe?
Eigentlich sollte unser Kolumnist schlechte Laune haben. Aber trotz Trump-Sieg blickt er positiv in die Zukunft. Jetzt sei die Zeit anzupacken.
I ch bin gut drauf. Eigentlich müsste ich ja klagen, dass Trump und Putin und alle Trump-Putin-Fans gut drauf sind oder noch besser, seit Trump zum zweiten Mal gewählt wurde. Den reaktionär-autoritären Staatsraub im Zentrum der westlichen Aufklärung beweinen. Mit zittriger Stimme sagen, dass selbst die liberal-emanzipatorische Gesellschaft der Bundesrepublik womöglich nur noch einen Schuss Zukunft frei hat bei der kommenden Bundestagswahl.
Aber ich habe keine Lust auf Untergangsgeheule. Was soll das bringen, das Schlimme zu beschwören und es damit gleichzeitig herbeizuwünschen? Das hat unsereins lange genug gemacht. Außerdem sagen ja die anderen jetzt, also AfD, BSW, CDU, CSU, Rest-FDP und Rest-Linke, dass vieles oder alles scheiße sei. Wenn die gemäßigt Progressiven das auch noch machen, bleibt niemand übrig, der die gar nicht kleinen Errungenschaften und die liberaldemokratisch-marktwirtschaftliche Basis unseres freien und vergleichsweise privilegierten bundesdeutschen Leben wertschätzt und verteidigt.
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Die Zukunftsprobleme sind nicht zu lösen, wenn Grundsätzliches weiter unterlassen wird, um die Miesgestimmten still zu halten. Sondern, indem man Grundsätzliches ändert. Das meint an erster Stelle Wirtschaft und Sozialstaat auf fossiler Basis. Deshalb darf man sich nicht einreden lassen, aufs Postfossile zielende Wirtschaftspolitik sei bis auf Weiteres tabu. Sie ist derzeit für einen zu großen Teil der Gesellschaft emotional negativ besetzt, aber sie ist es nicht für die gemäßigt Progressiven und übrigens auch nicht für „die Wirtschaft“ (die nicht mit Öl, Gas oder Kohle handelt).
Wenn man ein Viertel der Leute und mehr gewinnen will, sollte man indes nicht damit kommen, „das Klima retten“ zu müssen und schon gar nicht „den Kapitalismus überwinden“ zu wollen. Das muss man dem Grüne-Jugend-Sandkasten überlassen. Nein, das Vorbild ist Bidens Inflation Reduction Act. Jobs, Wettbewerbsfähigkeit, Steuergelder für den Sozialstaat. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so was sage, aber es zeigt, dass auch der Naivste dazulernen kann.
Es gibt noch sinnlosere Diskussionen, aber nicht viele
An diesem Punkt ist es unvermeidlich, auf den Vizekanzler zu sprechen zu kommen, dessen Transformationspolitik als Wirtschafts- und Klimaminister ein Kern des Wahlkampfs aller anderen Parteien wird. Tenor: Scheiße für die Wirtschaft, die Oma und den kleinen Mann. Diesen Schlager wird man in Dauerschleife spielen, Argumente helfen derzeit kaum dagegen. Dazu wird auf der Außenbahn die Angst vor „Fremden“ geschürt werden. Und dann wird die deutsche Lieblingsfrage besprochen, ob die Grünen nun zu hü oder zu hott sind. Es gibt noch sinnlosere Diskussionen, aber nicht viele.
Robert Habeck hat voriges Wochenende in einer mittelgroßen Rede in Neuhardenberg verkündet, was er für entscheidend hält für eine gute Zukunft der Bundesrepublik trotz Trump, Putin, China und dem brutalen Angriff auf das freie Leben, wie wir es kannten. Eine zentrale Antwort ist: Deutschland als führender Teamplayer in Europa geht mit der EU die Sachen wirklich an.
Jetzt wird jeder Hobby-Politikstratege sofort sagen: Europa? Damit kann man doch keine Wahl gewinnen.
Aber eine Zukunft.
Das Trump-Amerika wird aller Wahrscheinlichkeit nach den Zeitenbruch brutal spürbar machen und ein Kleinklein-Wahlkampf der Kategorie „Du bist blöd – nein, du“ wäre deshalb eine nationale Katastrophe. Ich bin aber zuversichtlich, dass man 25 Prozent der Leute für den Wechsel in die neue Realität gewinnen kann und auch für den notwendigen Kulturwechsel.
Er lautet: Wir müssen nicht das Schlimmste beschwören und auch nicht verhindern, sondern das Bestmögliche hinkriegen. Dafür ist jetzt die ideale Zeit, und ich habe richtig Lust darauf.
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