Von Polizei erschossener Jugendlicher: Unabhängige Untersuchung gefordert
Über 60 Forschende verlangen die unabhängige Aufarbeitung des Todes von Mouhamed D. Ein Polizist erschoss den Jugendlichen in Dortmund.
Zusammen mit dem Verein „Entschieden gegen Rassismus und Diskriminierung“ startete Melter am Freitag eine Online-Petition, die von mehr als 60 Wissenschaftler:innen aus ganz Deutschland erstunterzeichnet wurde. Bei Redaktionsschluss am Montagnachmittag zählte die Petition mehr als 15.000 Unterschriften.
Am Montag vor einer Woche hatte ein Polizist den 16-jährigen Mouhamed D. aus dem Senegal im Innenhof einer Dortmunder Jugendeinrichtung mit fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole getötet. Nach Angaben der Polizei hatte der Jugendliche die Beamt:innen mit einem Messer attackiert.
In den Tagen zuvor hatte Mouhamed D. mehrmals Suizidgedanken geäußert und war auf eigenen Wunsch in einer psychiatrischen Klinik. Der Betreuer der Wohngruppe, in der Mouhamed D. zuletzt lebte, hatte schon während des Notrufs eine mögliche Suizidgefahr angesprochen. „Wir sind empört darüber, dass eine suizidgefährdete Person nach einem Notruf auf elf Polizist:innen trifft. Warum war keine psychische Betreuung vor Ort?“, sagte Melter.
Die Grünen halten sich bedeckt
CDU-Innenminister Herbert Reul hatte das Vorgehen der Polizei vergangene Woche öffentlich verteidigt. Die Grünen, Koalitionspartner der CDU, wichen Nachfragen der taz zu der geforderten Untersuchungskommission aus. Stattdessen teilte die Pressestelle mit, „die Aufklärung des konkreten Falls durch die zuständigen Stellen“ sei wichtig, und verwies auf die Pläne aus dem Koalitionsvertrag, die Position eines unabhängigen Polizeibeauftragten zu schaffen.
Gegen den Beamten, der geschossen hat, besteht der Verdacht auf Körperverletzung mit Todesfolge. Bislang war noch unklar, ob die Bodycams der eingesetzten Polizist:innen eingeschaltet waren. Wie der Kölner Stadt-Anzeiger am Montagnachmittag berichtete, war dies wohl nicht der Fall.
Bei Ermittlungen in den eigenen Reihen ist es in Nordrhein-Westfalen Vorschrift, dass eine andere Polizeibehörde eingeschaltet wird. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermittelt die Polizei Recklinghausen. Die Dortmunder Polizei ermittelt gleichzeitig gegen ihre Recklinghäuser Kolleg:innen, da dort Anfang August ebenfalls ein Mann nach einem Polizeieinsatz ums Leben kam. In der Petition wird eine Erhebung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2020 aufgeführt. Demnach landeten bei 4.565 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete genau 70 vor Gericht.
Eigentlich hätte Mouhamed D., der unbegleitet nach Deutschland gekommen war, am Montagvormittag in Dortmund beigesetzt werden sollen. Kurz vorher wurde die Beerdigung abgesagt, da die senegalesische Botschaft Verwandte des Waisen im Senegal ausfindig machen konnte. Sie hätten den Wunsch geäußert, Mouhamed D. im Senegal beizusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker