Volksinitiative gegen Fracking: Bürger fordern Fracking-Verbot
Eine Initiative will ein Fracking-Verbot für Schleswig-Holstein. Weil sich der Landtag nicht damit beschäftigt, schaltet sie das Verfassungsgericht ein.
„Schleswig-Holstein, das Tourismusland zwischen den Meeren, soll Deutschlands erste Fracking-Verbotszone werden“, sagt Patrick Breyer, einer der Sprecher der Volksinitiative, die über 40.000 Unterschriften für das Anliegen gesammelt hat. Politisch gibt es keinen Widerstand: Sowohl die Oppositions- als auch die Regierungsfraktionen im Kieler Landtag loben den Ansatz der Volksinitiative.
Das Parlament hat in den vergangenen Jahren mehrfach darüber beraten, Fracking im ganzen Land flächendeckend zu verbieten. Das scheiterte aber immer an den rechtlichen Vorgaben.
Für Fracking-Verbot nicht zuständig
„Die Ziele der Initiative unterstützen wir völlig“, sagte Burkhard Peters (Grüne) der taz im Oktober, als über die Zulassung des Antrags im Innen- und Rechtsausschuss beraten wurde. „Aber weil das Land seine Kompetenz überschreiten würde, sind uns juristisch die Hände gebunden.“ Auf diesen Punkt hatte der Wissenschaftliche Dienst, also die juristische Abteilung des Landtages, hingewiesen.
Fracking kommt von hydraulic fracturing (englisch für hydraulisches Aufbrechen).
Die Methode: Ein Gemisch aus Wasser, Sand, Säuren und Chemikalien wird unter hohem Druck in das Gestein gepresst, um das Gas herauszulösen.
Ökologie: Die teils hochgiftigen Chemikalien können ins umliegende Gestein oder ins Trinkwasser gelangen. Auch die Klimabilanz des Erdgases ist zweifelhaft.
Bewilligung: Die Suche und die Förderung in einem Öl- oder Gasfeld müssen behördlich genehmigt werden. Dazu muss das Unternehmen einen detaillierten Betriebsplan vorlegen. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind erst seit 2015 vorgeschrieben.
Anwendung: Bundesweit wurden bislang ungefähr 300 Frackjobs durchgeführt, die meisten davon in Niedersachsen.
Laut dessen Gutachten darf das Land nicht über etwas entscheiden, das eigentlich im Aufgabenbereich des Bundes liegt. Initiativen-Sprecher Breyer, der selbst Jurist ist und für die Piratenpartei eine Wahlperiode lang im Landtag saß, hofft dennoch auf eine andere Sichtweise des Verfassungsgerichts: „Zum Schutz unseres Wassers soll Schleswig-Holstein als bundesweit erstes Land komplett aus dem hoch riskanten und klimaschädlichen Fracking aussteigen“, wünscht er sich.
Das Verfahren wird unter anderem in Niedersachsen angewendet. Hier gibt es seit den 1960er-Jahren Erfahrung mit dem sogenannten konventionellen Fracking, bei dem Erdgas aus Sandstein gewonnen wird. Im Frühjahr berichtete der NDR, dass Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) zu Testzwecken auch unkonventionelles Fracking zulassen würde. Dabei wird die Methode in härteren Böden wie Schiefer, Mergel oder Ton angewandt.
Da mehr Flüssigkeit gebraucht wird, gilt das Verfahren als gefährlicher. Breyer hofft darauf, durch einen juristischen Sieg in Schleswig-Holstein den Weg zum Fracking-Verbot auch für andere Bundesländer zu eröffnen.
Gleiches Recht für alle
Neben der inhaltlichen Frage geht es der Initiative auch um eine formale. Breyer stört, dass der Landtag sich gar nicht erst mit dem Antrag befasst, sondern ihn schon im Vorfeld abgewiesen hat. „Die Volksgesetzgebung darf nicht schlechter gestellt sein als die Parlamentsgesetzgebung“, sagt Breyer.
Denn mit Anträgen, die von Fraktionen oder der Regierung stammen, würde das Parlament sich inhaltlich beschäftigen, auch wenn sehr wahrscheinlich ist, dass Beschlüsse hinterher von einem Gericht gekippt werden. Das gelte gerade im Bereich der Innen- und Sicherheitspolitik, hat Breyer beobachtet: „Da testen Parlamente gern mal die Grenzen aus. Diese Chance reklamieren wir auch für Volksinitiativen.“
Ob es die Chance gibt, muss nun das Gericht bewerten. Die Sprecherin des Kieler Landtags verweist auf das Volksabstimmungsgesetz, das den Umgang der Abgeordneten mit Initiativen regelt. Inhaltlich hätten sich die Abgeordneten an das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zu halten, das den Gesetzentwurf in Teilen als unzulässig einstufte. Mehr lässt sich zurzeit nicht sagen, so die Sprecherin: „Die Klage ist uns noch nicht übersandt worden.“
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